Bei der zurückliegenden Mallorca affaire
hatte Rudolf Scharping einige gravierende Fehler gemacht. So blieb er
damals in den Ferien als der Fall mit den Fotos in Mallorca zu eskalieren begann.
Scharping konnte damals den Kopf noch im
letzten Moment aus der "Medien"- Schlinge ziehen
indem er mit Fakten, Auszügen und Protokollen
alle Flüge belegen konnte. Auch war ihm
das Glück hold denn am 11. September wurde die
Scharpinggeschichte von einer anderen Aktualität überdeckt.
Die Medien interessierten sich danach nicht mehr für die
Geschichten des Verteidigungsministers.
Dass Rudolf Scharping erneut in die Negativ-Schlagzeilen gerät,
kommt gar nicht zur Freude des Bundeskanzlers, der im Wahljahr
keinen zusätzlichen Ärger brauchen kann.
Diesmal geht es um umstrittene Honorarzahlungen der
Frankfurter PR Firma Hunzinger auf ein Scharpingkonto
in den Jahren 1998 und 1999. Am 18. Juli kam die Geschichte
im "Stern" mit verschiedenen Bankauszugskopien.
- Honorare für Referate
- Lizenzgelder für spätere Veröffentlichungen
- Kleider für 55'000 DM
Die meisten politischen Skandale entstehen, weil Informanten der Presse
brisante Unterlagen zukommen lassen. Das war auch im neuen Fall Scharping so.
Dem "Stern" wurden Kopien von Akten angeboten, die belegen sollten, dass
der Bundesverteidigungsminister vom PR Berater Moritz Hunzinger rund
140'000 DM auf ein eigens dafür eingerichtetes Konto erhalten hatte.
Der Chefredakteur der Zeitschrift "Stern" war vorsichtig vorgegangen und liess sofort
die Angaben überprüfen. Zumal so eine Geschichte während dem
Wahlkampf brisant ist. Die Recherchen bei Hunzinger und bei Scharping machten
sofort deutlich, dass auf Zeitgewinn gespielt wurde. Man reiste ab und werde der Sache
nachgehen (man müsse den Steuerberater konsultieren usw.)
Man benötige noch ein paar Tage. Der Stern war sogar bereit, die Geschichte
um eine Woche zu verschieben. Nachdem aber "Bild" und die Süddeutsche Zeitung
dem Primeur sofort veröffentlichten, sah "Stern" keinen Grund mehr, mit der
Veröffentlichung zuzuwarten und brachte die Geschichte.
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Scharpings Hinhaltetaktik war zwar gut geplant - aber nicht koordiniert.
Zudem machte der Verteidigungsminister bei der eigenen Verteidigung wieder
den nämlichen gravierenden Fehler. Bei der anbahnenden Krise blieb er im Ausland.
Wir haben im Fall Aliesch und im Fall
Skyguide gesehen:
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Wenn sich eine Krise anbahnt, gehört der Betroffene unverzüglich "auf Deck".
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Fehler dürfen passieeren, doch sollte aus Fehlern lernen.
Fehler darf aber nicht zweimal gemacht werden. Scharping scheint leider nichts gelernt zu haben.
Nachdem die Geschichte in allen Medien ein Thema war, musste auch der Kanzler rasch handeln.
Scharping musste zurückfliegen. Die SP konnte sich kein langes Medienspektakel
mehr leisten. Bereits am Nachmittag des 18, Julis war im Radio von
der Ablösung des Verteidigungsministers die Rede.
Am Abend stand fest, dass Scharping als Verteidigungsminister gefeuert ist. Nachfolger wird
Peter Struck.
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Eine Geschichte zu viel: Scharping in den Schlagzeilen:
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Kaum eine Niederlage konnte Scharping auf dem Weg nach oben
bremsen. Wie ein Stehaufmännchen steckte er Erniedrigungen weg.
1987 verlor er die Landtagswahl im Rheinland-Pfälz. Im gleichen Jahr
musste er auch eine Niederlage bei der Ortsbürgermeisterwahl der SPD
in Lahnstein hinnehmen. 1994 unterlag er Kohl als Kanzlerkandidat in der
Bundestagswahl 1995 stieß ihn Oskar Lafontaine auf dem
Mannheimer Parteitag vom Thron des Parteivorsitzenden.
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"Radlscharping Hinfallrudolf" titelte die "Süddeutsche Zeitung",
als Scharping im Juni 1996 bei einem Sturz mit dem Fahrrad
mit dem Kopf aufschlug und das Bewusstsein verlor. Der
von nun an getragene Schutzhelm schützte ihn aber nicht vor weiterem
Radlerpech: 1999 geriet ihm ein Ast zwischen die Speichen worauf er sich
den Arm brach.
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Auch im Auto hatte Scharping Pech: Beim Besuch in Washington
wurde der Minister fast aufgespiesst als eine defekte Barriere
bei seiner Einfahrt ins Verteidigungsministerium hochschnellte.
Scharping knallte gegen das Autodach und dann an die Trennscheibe.
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Im Juni 2000 wurde Scharping von seiner Luftwaffe auf dem Weg zum
EU-Gipfel nach Portugal vergessen - erst 400 Kilometer fiel später
auf, dass der Chef in Köln noch immer im Check-in wartete. Ein
Jahr später kannte er das System besser: Er nutzte den
militärischen Shuttle-Service zu einen Abstecher nach Mallorca in die
Arme seiner Geliebten Kristina Gräfin Pilati. Er pendelte
binnen eines Jahres 50 mal auf Staatskosten zwischen Berlin und Frankfurt.
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Als sich die Bundeswehr auf den Einsatz in Mazedonien vorbereitete,
liess sich der Verteidigungsminister auf einer Foto-Reportage
mit Gräfin Pilati planschend im Pool auf Mallorca ablichten.
Anschliessend flog er auf Staatskosten für wenige Stunden zu einer
Sondersitzung nach Berlin und wieder zurück auf
Mallorca, um am nächsten Tag zu einem Truppenbesuch in Skopje
aufzubrechen. Es blieb der Eindruck politischer Instinktlosigkeit.
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Während einer Pressekonferenz im Sommer 2001 plauderte
der Minister vor Videokamera
mit Journalisten von Aufmarschplänen der Bundeswehr
in Mazedonien. Die Soldaten mussten dadurch eine schwieriegere Ersatzstrecke
entlang der mazedonisch-albanischen Front nehmen.
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In das nächste Fettnäpfchen trat er am Rande eines
Ministertreffens in Brüssel: Er wurde mit der
vertraulichen Aussage zitiert, die USA würde bald einen
Militärschlag gegen Somalia führen. Zuvor war er schon mit einer
Indiskretion über den Nato-Bündnisfall nach dem 11. September
undiplomatisch vorgeprescht.
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Im Februar 2002 geriet Scharping in Zusammenhang mit der Finanzierung der
Airbus A400 M in Bedrängnis. Er versprach den Partnerländern,
Deutschland werde 73 Militärmaschinen vom Typ Airbus A400M im Gesamtwert
von 9,5 Mia Euro abnehmen. der Bundestag hatte aber nur 5,1 Mia bewilligt.
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Der jüngste Skandal um verbotene Honorarzahlungen lassen
das Fass zum Überlaufen bringen. Scharping geriet in den Verdacht,
persönliche Interessen mit Rüstungsentscheidungen verbunden zu haben.
So etwas durfte sich ein Bundesverteidigungsminister nicht erlauben.
Scharping bestätigte zwar, von der PR-Agentur Hunziker 140'000 Mark
erhalten zu haben, sprach aber von Honoraren, die ordentlich
versteuert worden seien.
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Parallelelen beim Fall Borers
und Scharpings :
Wie die Borer und Scharping Geschichten zeigen, lohnt es sich, die
Kommunikationsphänomene im Umgang mit Journalisten zu kennen.
Beide Fälle zeigen, dass ein gewisses Mass an Fehlverhalten
im Umgang mit Medien nicht überschritten werden darf.
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- Im Fall Borer wowie im Fall Scharping führten Medienberichte dazu,
dass es zum finalen Eclat kam.
- So wie Deiss betonte, er habe Borer nicht wegen der Frauengeschichte
versetzt, sagte Schröder, Scharping wurde nicht wegen Konten entlassen.
- In beiden Fällen fanden Vorgesetzte, es hätte zu lange
gedauert, bis die Rechtsfrage geklärt sei. Bei Scharping habe aus
politischen Erwägungen gehandelt werden müssen. Beide sind
durch die Vorwürfe handlungsbeinträchtigt gewesen.
- Bei beiden Fällen kamen die Vorgesetzten (Schröder und Deiss)
zum Schluss, dass die notwendige Basis für die Zusammenarbeit nicht
mehr vorhanden sei. In beiden Fällen wollten die Vorgesetzten handeln.
Beide Chefs glauben mit ihren Entscheiden weiteren Schaden abzuwehren.
- Beide Fälle werden längerfristige Diskussionen über die
Rolle der Boulevardpresse bei Medienkampagnen und Skandalinszenierungen
auslösen.
- Weder bei Borer noch bei Scharping ging es zuletzt um die Schuldfrage.
- Beide Fälle hatten eine Vorgeschichte. Das Fass war übervoll.
Ein Tropfen genügte, um es zum Überlaufen zu bringen.
Scharping:
- Flugaffaire
- Wasserspiele
- Angeblicher Geheimnisverrat
- Aussagen über Einsätze
- Finanzierungsgeschichte mit dem Airbus
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Borer:
- Borer tritt bei Viktors
Spätprogramm ins Fettnäpfchen
- Fotos von Borers Frau in der Botschaft.
- anschliessender Zickzackurs der Botschafterfrau.
- Schlüpfrigen Witz an einer Narrenrede.
- Falsches Verhalten in der Startphase der Ringierkrisensituation.
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Nachtrag vom 19. Juli: Scharpings Abgang vor den Medien
Bei den letzten Medienauftritten vermittelte der abgesetzten
Bundesverteidigunsministers vor der Kamera das Bild eines
dickhäutigen, stressgewohnten Profis. Er sprach ruhig und
in seiner üblichen bedächtigen aber kühlen Art.
Nur die Stimmfarbe vermittelte Betroffenheit und Bitterkeit
und errinnerte an jene Situation, bei der Scharping vom
Lafontaine vor Jahren als Parteivorsitzender enttrohnt wurde.
Diese Situation war auch einer der schwersten Momente seines
Politikerlebens. Auch bei jener Szene kam der Frust,
die bittere Enttäuschung vor allem in der Stimme zum Ausdruck.
Scharping muss eine enorme Frustrationstoleranz haben.
PR-und Imageberater vermochten trotz zahlreicher Bemühungen das
Persönlichkeitprofil ihres Klienten nicht gross zu ändern.
Trotz veränderte Aufmachung
liess sich aus Scharping keinen lockeren, eloquenten
Menschen mit Ausstrahlung und Herzlichkeit formen.
Wer glaubt, durch Medienberatung und Medientraining könnten
alle Persönlichkeitsstrukturen verbessert werden, der irrt.
Die innere Ausstrahlung kann nie indoktriniert werden.
Der Abgang Scharpings erfolgte mit geradem Rücken. Er
vermittelte das Bild einer Person, die sich keiner Schuld bewusst
ist. Doch dieses Bild überzeugte nicht - obschon seine Schuld
bei der Finanzgeschichte alles andere als bewiesen ist.
Wir hatten vor allem Mühe mit der störrischen,
uneinsichtigen, hölzernen Art des Politikers- schon bei
früheren Medienauftritten. Vor allem dann, wenn sich Scharping
der Kritik stellen musste, benahm er sich meist überkontrolliert,
dickfellig und unbelehrbar.
Fazit: Ausstrahlung kann nicht trainiert werden. Sie muss
von Herzen kommen. Gespieltes Lächeln wird sofort, auch von
Laien und Kindern erkannt. Siehe
Natürliche Kommunikation.
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