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Aliesch und die Medien - Beispiel eines Skandalmanagements aus der Praxis. |
7. August 2001 Der Fall des Bündner FDP Regierungsrats Peter Aliesch macht uns bewusst, dass Politiker und Führungspersönlichkeiten den Anforderungen bei Skandalen oft nicht gewachsen sind. Es gehört zum Krisenmanagement mit publizistischen Krisen, dass auch das Verhalten bei Skandalen gelernt werden muss. Regierungsrat Aliesch machte bei seinem Skandal(Bestechungsvorwürfe) gravierende Fehler:
Anforderungen für Manager und Politiker sind im Kommunikationsmanagement bei Krisen und Skandalen sprunghaft angestiegen. Wer das Krisenmanagement meistern will, braucht vor allem ein grosses Fingerspitzengefühl. Die Skandalszenarien müssen antizipiert werden. Während der letzten Jahre konnte eine eigentlichen "Skandallawine" beobachtet werden. Nach Kurt Imhof, Professor für Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich, ist heute generell eine Moralisierungswelle spürbar. Autoritäten wie Chefärzte oder Regierungsvertreter werden nicht mehr geschont. Es wird mit anderen Ellen gemessen. Die Öffentlichkeit ist heute nicht mehr bereit, bei "grossen Tieren" ein Auge zuzudrücken. (Siehe Hess (2), Fischer, Baumgartner, Blatter, Weyeneth, oder Borer.) Wir erinnern auch an die Fälle Kopp (Lüge), Clinton (Sexgeschichte), Kohl (Spendenaffaire), Spaeth (liess sich als Ministerpräsident von Baden-Würtenberg Reisen bezahlen und musste zurücktreten) usw. Nach Imhof gibt es bei allen Skandalen immer einen Skandalierer und einen Skandalierten. Die Medien spielen als Skandalierer eine bedeutende Rolle. Die Skandale spitzen sich meist explosionsartig zu, oft nach ersten Meldungen in Sonntagszeitungen - elektronische Medien oder der Lokalpresse) Viele Skandlierten haben aber nicht gelernt, was in diesen Fällen getan werden soll. Sie haben oft kein Training, wie man sich bei Skandalen verhalten sollte. Der Fall Aliesch veranschaulicht uns, wie ein Strahlemann ("Kennedy vom Bündnerland", "Mann mit Nerven aus Stahl", "Teflon-Man", "Strahlemann", "Sonnyboy") plötzlich im Regen stehen kann, nur weil er und seine Frau von einem fragwürdigen griechischen Geschäftsmann Geschenke angenommen haben. Unter Skandal verstehen wir etwas Unerhörtes oder ein Äergernis. Jeder Skandal verlangt Opfer. Eine Entschuldigung ersetzt oft diesen Akt. Clinton entschuldigte sich. Hess entschuldigte sich. Aliesch entschuldigte sich ebenfalls; wenngleich unter Druck. Mit einer Entschuldigung "Ich bin schuld", "Ich habe ungeschickt gehandelt" schon lange unter dem lateinischen Begriff "mea culpa" bekannt, kann unter Umständen das angeschlagende Vertrauen wieder zurückgewonnen werden. Menschen in Machtpositionen haben leider beim Kommunikationsmanagement das "sich entschuldigen" immer noch nicht gelernt. Die Entschuldigung muss jedoch rechtzeitig kommen. Aliesch gab erst nachträglich zu, mit der Annahme von Geschenken einen Fehler gemacht zu haben. Doch habe er sich nicht bestechen lassen. Durch die Geschenke habe sich der Grieche Pamagopti Papadakis keinerlei Vorteile verschaffen können. Ob Aliesch mit dieser Entschuldigung den Kopf aus der Schlinge ziehen kann ist noch offen. Es wird sich zeigen, ob es nach der Immunitätsaufhebung (Bestechungsvorwürfe) nicht doch zu einer Anklageerhebung kommen wird. Die Mehrheit des FDP Vorstandes im Kanton Graubünden sprach zwar Aliesch nach der Sondersitzung unter Vorbehalt das Vertrauen aus. Die Partei würde aber im Falle einer Anklage nicht mehr hinter ihm stehen. Aliesch kehrte zu spät aus den Ferien zurück. Dadurch distanzierten sich bereits wichtige Parteifreunde wie Hanspeter Lebrument, Duri Bezzola und der Präsident der PDP Schweiz, Gerold Bührer von ihm. Wenn einem die Freunde verlassen, sprechen Fachleute vom "sozialen Tod". Die Presse (NZZ) sieht die Gefahr, dass der Politiker zu einer "lahmen Ente" verkommen wird und die Partei zum Kanonenfutter der anderen Parteien. Auch die Medienauftritte Aliesch's ist für Berater ein Lehrstück: Falls Aliesch gecoacht wurde, so war er bestimmt falsch beraten worden. Es genügt nicht zu glauben, die vielen Medienauftritte ersetzten das Training bei Krisensituationen. Aliesch hatte grosse Medienerfahrung (Arenaauftritte, zahlreiche Interviews im Zusammenhang mit den Poizeieinsätzen rund um die WEF Veranstaltung im Davos).
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Nachtrag vom 8. August Wie von Hanspeter Lebrument, einem engen Freund von Aliesch, zu erfahren war, habe sich der Regierungsrat in der Krisensituation nicht extern beraten lassen. Doch sei Aliesch eine Person, die sich alle guten Ratschläge aus dem Freundeskreis anhöre. Lebrument persönlich habe ihm eindeutig den Rat gegeben, zurückzutreten. Peter Aliesch wisse jedoch als ehemaliger Sportler zu gut, dass es wichtig sei, durchzuhalten. Nach der Auffassung Lebruments, muss sein Freund in der Nacht zum Sonntag 4./5. August plötzlich auf stur geschaltet haben. Jetzt ziehe er bestimmt die Sache durch und kämpfe wie ein Löwe konsequent weiter. Das Phänomen "Fehler eingestehen" lohnt sich bekanntlich. Wir haben in jüngster Zeit verschiedenste Beispiele erlebt, bei denen die Entschuldigungstaktik erfolgreich war und dank der Entschuldigung alles beim Alten blieb. (Fall Hess, Clinton, Borer....). Auch Aliesch nutzte noch rechtzeitig das bewährte Mittel, nachträglich "Fehler einzugestehen", um mit diesem Eingeständnis die Krisensituation zu retten. Strassenumfragen verdeutlichen denn auch die positive Auswirkung. Nach der "Beichte" tönte es im Bündnerland recht wohlwollend:
Als Fehler bezeichnete der kantonale Justiz- Polizei und Sanitätsdirkektor seine "gewisse Arglosigkeit" beim Eingehen einer freundschaftlichen Beziehung mit dem - inzwischen des Betrugs verdächtigten - griechischen Geschäftsfreundes Panagiotis Papadakis. Zur Tatsache, dass er von diesem verschiedene Ferienaufenthalte angenommen habe, meinte er: "Dafür möchte ich mich entschuldigen." Ihm, Aliesch, sei mittlerweise zudem bewusst, dass er das Medieninteresse unterschätzt habe. Auch habe er die Notwendigkeit seiner Präsenz "vor Ort" (Abbruch der Ferien, sofortige Rückkehr in die Schweiz), nicht rechtzeitig gesehen und dies tue ihm "aufrichtig leid". Zum Schluss sagte er eindeutig: "Ich habe Fehler gemacht. Dazu stehe ich." Konkret ist bis zu diesem Zeitpunkt bekannt:
Wir möchten uns an dieser Stelle weder über Schuld oder Unschuld Alieschs noch über die beanstandeten Geschäfte Papadakis näher einlassen (Bei der Zürcher Bezirksanwaltschaft besteht ein Strafverfahren). Was uns viel mehr interessiert, ist hingegen der jüngste gössere Medienauftritt im Zischtigsclub im SF DRS vom 7. August: Aliesch wirkte recht abgespannt. Der enorme Stress hinterliess Spuren. Es war ihm sichtlich unwohl und er war vom Medienwirbel gezeichnet. Aliesch bemühte sich jedoch, Haltung zu bewahren und konzentriert zuzuhören. Seine Botschaften waren auch gut durchdacht. Er hatte ein klares Argumentationskonzept. Seine Voten waren in der Regel eindeutig und wurden gekonnt in verschiedenen Variationen wiederholt: Die Kernaussagen lauteten:
Doch gab es anderseits verschiedene Sequenzen, bei denen Aliesch unsicher, hektisch, oder ausweichend reagierte und viel zu vage antwortete. Mit der Stimme und vor allem beim nonverbalen Verhalten signalisierte Aliesch, dass etwas nicht stimmen kann. In diesen Passagen überzeugte Aliesch gar nicht. Wir stellten bei diesen Voten fest: Das war nicht Aliesch wie wir ihn von früher gekannt haben (z.B. von den Interviews bei den Polizeieinsätzen in Davos):
Allein durch das nonverbale Verhalten Alieschs hatten wir den Eindruck: Hier war der Regierungsrat verunsichert und war sehr wahrscheinlich auch überrascht worden. Auf Grund des sonderbaren Verhaltens konnte bei diesem Punkt etwas nicht stimmen. (Das Medienverhalten führt dazu, dass sich Medienkonsumenten belastende Vermutungen zusammenreimen).
Gewiss ist dieser Fall noch nicht abgeschlossen. Wir werden aus medienrhetorischer Sicht die Geschichte weiterverfolgen. |
Nachtrag vom 10. August: Nachdem es so ausgesehen hatte, als ob der Bündner Regierungsrat Aliesch sein Haut retten könnte und ihm auch der Vorstand der kantonalen FDP das Vertrauen noch knapp ausgesprochen hatte, nimmt der Fall Aliesch plötzlich eine überraschende Wende: Die Ursache ist die die Ausstrahlung eines kurzen Videofilmes. Ein Amateurfilmer dokumentierte 1998 die Geburtstagsparty des mutmasslichen Millionenbetrügers Papadakis im Zürcher Luxushotel "Baur au Lac". Das Schweizer Fernsehen strahlte in der "Rundschau" diese Bilder aus. Der Videofilm veranschaulicht uns die Beziehung mit dem Ehepaar Papadakis. Nicht das originelle Geschenk des Chefs des Bündner Strassenverkehrsamtes (Franco Donati): - Papadaki erhielt ein Autonummernschild mit der Aufschrift GR-PAP 1 - führte zur Gesinnungsänderung in der Öffentlichkeit, sondern die dokumentierte Rede eines Zürcher Kantonsrates, der im Verwaltungsrat einer Papadakis-Firma sitzt, machte die Zuschauer stutzig. Dieser Redner Werner Furrer, der im Videofilm an der Party auch mitfeierte, sprach in der Videodokumentation eindeutig von den "Aufenthaltsnöten" des Griechen und sagte in seiner Geburtstagsrede sogar wortwörtlich, indem er eindeutig auf Aliesch schaute:
Damit wird erkennbar, dass der Bündner Polizeidirektor schon 1998 als Helfer empfohlen wurde. Papadakis beim Erlangen von Aufenthaltsbewilligungen behilflich zu sein. Demnach kann auch vermutet werden, dass Papadakis, der übrigens Schweizer Kleinanleger um Millionen betrogen haben soll, die Freundschaft mit Aliesch und seiner Frau bewusst gesucht hat, um sich geschäftliche Vorteile zu beschaffen. Die Videosequenz macht uns ferner bewusst, dass Aliesch spätestens nach dieser Rede, d.h. schon 1998, die Verbindungen zu Papadakis hätte einfrieren müssen. Denn die Sequenz belegt, dass die Beziehung des Griechen nicht nur, wie stets behauptet, auf einer rein persönlichen Freundschaft basierte. Die Frage, die der Film (noch) nicht beantwortet, bleibt nach wie vor offen: Hat der Polizeidirektor bei den Aufenthaltsbewilligungen tatsächlich auch nachgeholfen? Wir haben immer wieder betont, dass Bilder zu den wichtigsten Beeinflussungsmitteln zählen. Tatsächlich sehen wir beim Fall Aliesch einmal mehr: Konkrete Bilder, von den Medien als Multipikationsmittel vervielfacht, wirken viel rascher als Worte. Jedenfalls brachte der belastende Videofilm eine sofortige Wende bei zahlreichen Adressaten:
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Nachtrag vom 11. August: Aliesch hatte inzwischen das Video auch gesehen. Der Bündner Regierunsrat stand bei der Geburtstagsparty im Mittelpunkt, denn er sass am Ehrenplatz neben Papadakis. Im Videofilm hatte der Redner beim Hinweis auf die Aufenthaltsnöte des Griechen auf Aliesch, den "Helfer aus dem Bündnerland" geschaut. Aliesch will aber heute von dieser Sequenz nichts mehr wissen. Mit einem sensationellen Coup trat er gestern überraschend aus der FDP aus. Nachdem der FDP Vorstand versammelt war, um über Aliesch zu debattieren, erschien dieser plötzlich persönlich und verkündete seinen Rücktritt aus der Partei. Das belastende Video hatte bei den Mitgliedern gleichsam ein Erdbeben ausgelöst und die Mehrheit war nun gegen ein Verbleiben ihres Mitgliedes im Amt. Doch Aliesch kam dem Vorstand mit dem unerwarteten Austritt zuvor. Er sei vom Volk gewählt und werde sein Amt "mit seiner ganzen Kraft und Energie" weiter führen. Regierungsrat Aliesch wusste sicherlich, dass ihn die Partei nach der neuen Situation nicht mehr tragen konnte. Lebrument hatte damit recht: Es scheint, dass Aliesch alleine weiterkämpfen will und vielleicht damit rechnet, dass ihn das Volk weiter unterstützen wird. Möglicherweise spielen auch finanzielle Aspekte eine Rolle: Tritt ein Regierungsrat zurück oder müsste er zurücktreten, so verliert er die Pensionsansprüche. Die Skandalgeschichte geht mit dem Parteiaustritt in eine neue Runde: War der Austrittsentscheid ein geschickter Befreiungsschlag? Die Situation ist verzwickt. Niemand kann nämlich heute Aliesch zum Rücktritt zwingen. Er könnte bis Dezember 2002 ordentlicher Regierungsrat bleiben. Denn Graubünden kennt kein Amtenthebungsverfahren. Anderseits wird Aliesch kaum mehr richtig regieren können. Er wird zum politischen Einzelkämpfer ohne Rückendeckung von Partei, Fraktion oder der Unterstützung aller übrigen Parteien. Aliesch wird zum einsamen und sicherlich wirkungslosen Politiker. Bereits liess Regierungspräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf verlauten, dass die Regierung dem Justizdirektor das Dossier Polizei und WEF entziehen werde. Diese Geschäfte würden dann von seinem Stellvertreter Stefan Engler betreut. Eine abschliessende Beurteilung der Lage sei heute noch nicht möglich. Am Ende dieser Skandalgeschichte gibt es mehrere Verlierer:
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Nachtrag vom 12. August: Wie durch einen Artikel in der Zeitung "Südostschweiz" zu erfahren war, wurde Aliesch bereits am 30.Mai von einem ehemaligen, entlassenen kantonalen Mitarbeiter mit einem Schreiben gewarnt, dass brisante Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten. In einem zweiten Schreiben vom 5.Juni drohte hierauf dieser Mitarbeiter, den Medien Informationen aus dem "persönlichen und politischem Umfeld" zuzuspielen. Da er für diese Informationen von interessierten Kreisen Geld erhalten könnte, erwarte er von Aliesch Angebote. Hierauf informierte der Erpresste die Regierung sowie die Polizei über den Erpressungsversuch. Damit erhält der Skandalkrimi wiederum eine neue Dimension. Die Öffentlichkeit könnte nun plötzlich Verständnis haben für das Verhalten des Regierungsrates in den letzten Tagen. Er war ja schliesslich erpresst worden. Zudem hatte er dies ja gemeldet und damit nichts verheimlicht. Wurde alles offengelegt? Wir wissen nicht, ob er alles gesagt hat, worüber er erpresst werden könnte? Waren die Geschenke ein Thema? Man sagt, Aliesch habe Nerven wie Stahl. Die wird er bestimmt noch weiter brauchen, denn der Druck ist noch nicht weg. Aliesch wird der passiven Bestechung verdächtigt. Die Untersuchung wird noch länger dauern. Der Skandalkrimi ist noch nicht fertig.
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Nachtrag vom 13. August: Nach den hektischen Vorkommnissen der letzten Tage ist Aliesch überraschend von der Bildfläche verschwunden. Er nimmt kein Telefon ab und ist auch sonst nicht erreichbar. Auf seinem Natell-Anschluss ist nur Alieschs Stimme zu hören, als Ansage der Combox. Sein Auto steht zwar noch vor dem Haus. Niemand weiss, wo er ist. Beim Departement hat er sich abgemeldet. Die Beamten sind dort verunsichert. Die Regierung hofft, dass der Regierungsrat wenigstens am Dienstag, den 24. August an der ordentlichen Sitzung teilnehmen wird. Die Kollegen wollen ihm dann gewisse Dossiers entziehen. Nach dem Entzug wichtiger Geschäfte bleibt Aliesch nur noch als das Sanitätsdepartement als Bestätigungsfeld. Aber dort drohen die Chefärze bereits mit Enthüllungen. Aliesch könnte deshalb in diesem Ressort ebenfalls in die Enge getrieben werden. Wenn Aliesch nicht freiwillig zurücktritt, droht der Bündner Regierung ein Chaos. Die eingeschränken Kompetenzen eines Regierungsrates blockierten wichtige Geschäfte. Zwischenbilanz: Regierungsrat Aliesch ist praktisch regierungsunfähig geworden. Trotzdem klammert er sich an sein Amt. Im Kanton Graubünden gibt es weder Absetzungsverfahren noch Misstrauensabstimmungen. Keiner kann Aliesch am Weiterregieren hindern. Würde er zurücktreten, so kostete dies den Kanton lediglich 9'480 Franken. Kann er die Regierungstätigkeit durchziehen, erhält er hingegen 240'000 Franken - auch fürs Nichtstun. Aliesch hat heute noch aus den ersten Ehen finanzielle Verpflichtungen. Sein Lebensunterhalt mit Haus, neuer Frau, Auto usw. kostet bestimmt auch nicht wenig. Bei einem Rücktritt hätte es Aliesch zudem nicht einfach, heute einen angemessenen neuen Job zu finden. Brisante Neuigkeit: Bei der Steueruntersuchung gegen Aliesch-Freund Papadakis, ermittelt der Bund mit den Kantonen Graubünden und Zürich. Es wurde nun festgestellt: Wichtige Akten aus den Jahren 1996 und 1997 sind verschwunden. Was meint die Bevölkerung in Malans zu Ihrem Regierungsrat? Gemäss Umfragen der "Sonntagszeitung" vom 12. August bei der Bevölkerung im Wohnort sind die Leute in Malans immer noch nachsichtig und zeigen weiterhin Verständnis für ihren Regierungsrat. Die Hauptargumente lauten:
Bei der Kokain-Kontroverse mit Alieschs Partnerin (Lea Krausz) werden neue Fragen gestellt:
Wir stellen bei Fall Aliesch immer wieder fest. Aliesch nutzte oft sogenannte "Halbwahrheiten". Diese Aussagen sind nicht falsch. Aber sie sind auch nicht ganz richtig. Ein Beispiel: Auf die Frage der "Südostschweiz" (Archiv-Zitat) vom 7. Juli 1999, als Aliesch gefragt wurde, wo er seine Ferien verbringe, sagte er damals: "In der Schweiz und im benachbarten Ausland". Er machte dann bekanntlich Luxusferien in Griechenland, bezahlt von Papadakis. Diese Antwort wäre eine Unwahrheit, wenn Griechenland nicht zum benachbarten Ausland zählt. Die Technik des geschickten Verschleierns nimmt Aliesch die Glaubwürdigkeit.
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Nachtrag vom 14. August: Viele Medienkonsumenten mutmasssten übers Wochenende, wo jetzt Aliesch wohl stecken mag. Am Sonntagnachmittag hatte er noch folgenden Text auf seine Handy Combox gesprochen:
Nach dem Abtauchen tauchte jedoch Aliesch am Montag überraschend am Arbeitsplatz auf, so als ob nichts geschehen wäre. Wie inzwischen zusätzlich zu erfahren war, erhielt Papadakis 1994 einen käuflichen Senator - Titel. Die private "Akademie der Wissenschaft Zürich" hatte ihm dazu verholfen. Bei der Verleihung war Gemeindrat Furrer (welcher später im "Baur au lac" die aufgezeichnete Rede hielt), an der Verleihung ebenfalls mit dabei. Ebenfalls 1994 hatte der umstrittene griechische Geschäftsmann 5000.-- Fr in die Wahlkasse von Aliesch gespendet. Letzte Woche dementierte Furrer noch vehement, ein enger Freund Papadakis zu sein. Mit dieser Nebengeschichte ist jedoch heute klar, dass der Politiker bereits 1994 eine engere Beziehung mit dem Griechen gepflegt haben muss. Dieses Beispiel zeigt, wie die Medien allen Details nachgehen. Am 14. August wird bekannt gegeben, dass offenbar die in Malans veschwundenen Steuerakten von Alieschs Freund Papadakis wieder gefunden worden sind. Der Bündner Sektionsleiter für Quellensteuer hatte noch am Sonntag wissen lassen, dass in Malans grössere Lücken in Papadakis Steuerunterlagen bestehen. Weshalb wurde Aliesch das Justizdepartement nicht entzogen? Die Strafuntersuchung soll von einem ausserodentlichen Staatsanwalt sowie einem ausserordentlichen Untersuchungsrichter geführt werden. Wegen der Einsetzung von zwei unabhängigen externen Untersuchungsbeamten wurde Aliesch das Justizdepartement nicht entzogen. Wieviele Kompetenzen muss Aliesch abgeben? An der Sitzung des Regierungsrates vom 14. August wurde wie angekündigt Aliesch teilweise entmachtet. Aufgabenbereiche wie Kantons- und Fremdenpolizei, sowie das WEF-Dossier werden für die Dauer des Verfahrens einem anderen Departement übergeben. Bei den Befragungen vor der Sitzung zeigte sich der sonst so selbstbewusste Noch-Regierungsrat wenig gesprächig. Das Gesicht war maskenhaft. Das Lächeln wirkte aufgesetzt und starr. Auf die Frage "So sind Sie wieder aufgetaucht?", gab Aliesch während des Gehens eine durchdachte Kernaussage von sich: "Am Montag war ich voll am Arbeiten und gehe jetzt zur 1. Sitzung. Mit wichtigen Geschäften. Die Arbeit ist jetzt meine Hauptaufgabe" (Alisch nutzte das Mikrofon, um allen Medienkonsumenten zu signalisieren: Ich arbeite und gehe mit ganzer Kraft an die Aufgaben, wie es das Volk von mir erwartet.) Nach der Sitzung hingegen war der Regierungsrat gezeichnet und eher ungehalten. In Absprache mit der Regierung musste er schweigen. Nonverbal (Augen/Mimik/Haltung) signalisierte er: Ich darf nicht reden und halte mich daran - aber das Schweigen passt mit überhaupt nicht. An Stelle eines Aliesch Interviews erlebten wir dafür, an der Medienkonferenz und in den Interviews eine überzeugende Regierungspräsidentin. Eveline Widmer- Schlumpf informierte offen und pro-aktiv, (d.h. offen und das Positive betonend). Ihre Botschaft an die Medien war gut strukturiert:
Ein Beispiel einer durchdachten und geschickten Antwort: Auf die Frage etwa, ob Regierungsrat Aliesch politisch überhaupt noch handlungsfähig sei, meinte Widmer-Schlumpf:
Sie erwähnte nachher noch, dass sich die Regierung neue Ueberlegungen machen müsse, falls Aliesch aufgrund der jüngsten Vorfälle im Grossen Rat scheitere. Obschon es besser gewesen wäre, wenn Aliesch die Regierung früher und besser informiert hätte, so sei die Bündner Regierung durchaus überzeugt, dass derzeit sachlich miteinander gearbeitet werden kann.
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Nachtrag vom 19. August: Die Beiträge rund um die Skandalgeschichte verschwanden wie erwartet von den Frontseiten und nahmen während der letzten Tage bei der Mehrzahl der Zeitungen bedeutend weniger Raum ein. Dafür wurden juristische Fragen vertieft beleuchtet. Viele Journalisten waren der Meinung, Aliesch hoffe offenbar, dass seine Teilsuspendierung an ihm abperlen werde. Dank seinem Rückzug aus den Medien und seinem vorläufigen Schweigen wolle er gezielt Zeit gewinnen und rechne damit, dass nach dem Sommerloch andere Themen die leide Skandalgeschichte vergessen liessen. Ob diese Rechnung aufgehen wird? Eher nein! Juristische Probleme dominieren in den Medien . Die Rundschau (SF DRS), die als erste den Amateur-Videofilm ausgestrahlt hatte, (der Film ist inzwischen zum Beweismaterial geworden), wies am 15. August in einem neuen Rundschau-Beitrag darauf hin, dass die Bezirksanwaltschaft neu auch wegen passiver und aktiver Bestechung ermittle. 1. Mai 2000 wichtiges Datum. Das neue Korruptionsstrafrecht vom 1.5.2000 geht mit Geschenkannahmen wesentlich härter um. Als sich die Solothurner Regierung vom Energieunternehmen Atel auf eine Spanienreise hatte einladen lassen - eine Geschichte, die heute unter dem Namen "Spanienreisli" gekannt ist - hatte dies mit dem alten Korrupionsstrafrecht noch keine juristischen Konsequenzen. Seit dem 1. Mai 2000 ist dies nun ganz anders. Hätte Aliesch Geschenke nach diesem Datum erhalten, so wäre dies gravierend. (Siehe Beitrag von Balz Bruppacher in "der Bund" Ausgabe vom 16/8/2001). Sowohl die aktive Vorteilsvergabe und Belohnung sind nun strafbar. Zudem wurde der Äquivalenzbezug gelockert. Das heisst, es muss nicht mehr notwendigerweise ein Zusammenhang mit einer bestimmten Amtshandlung bestehen. Somit ist von grosser Bedeutung, ob Alieschs Geschenkannahme nach dem alten oder dem neuen Korruptionsstrafrecht beurteilt wird. Für Aliesch wird deshalb der 1. Mai zu einem wichtigen Datum. Ferner gilt es auch, die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit zu prüfen. Denn: Bereits 1995 hatte die Bündner Regierung den Beamten verboten, Geschenke anzunehmen. War Aliesch erst in der "Anfütterungsphase"? Laut Philippe Lévy, Präsident der "Transparency Switzerland" (Forum gegen Korruption) ist es auch möglich, dass Aliesch erst in der "Anfütterungsphase" war. Für Spezialisten ist das die Phase, bei der die Gegenseite nur gibt und nichts zurückverlangt. Erst später folgt die "Erntezeit" und zwar dann, wenn die Abhängigkeit des Beschenkten bereits ausgeprägt ist. Wir kennen in der Schweiz ausser dem "Spanienreisli" noch weitere Beispiele von Beziehungen mit bösen Folgen. (Die folgenden Beispiele sind im "Beobachter" Artikel von Urs von Tobel und Virthe Homann: "Wer Präsente nimmt, hat plötzlich das Geschenk" Ausgabe 17/01 angeführt worden:)
Laut Zürcher Alt-Strafrechtsprofessor Jörg Rehberg ("Beobachter" Interview 17/2001) geht es bei Geschenken um die zentrale Frage: Kann damit die Amtsführung beeinflusst werden? Bestechung liegt nach Jörg Rehberg dann vor, wenn ein Politiker in seiner beruflichen Tätigkeit Entscheide aufgrund eines Geschenkes pflichtwidrig fällt. Bestechung kann mit bis zu 5 Jahren Zuchthaus bestraft werden. Rehberg ist auch der Meinung, dass es beim Pelzmantel (Annahme von Geschenken für den Partner) auch um Bestechung gehe, sofern sich der Tatbestand der Bestechung nachweisen lässt. Denn Geschenke zu Gunsten eines Dritten sei im Gesetz ebenfalls eindeutig verboten. Doch - findet der Strafrechtprofessor - zählt trotz der jüngsten Vorkommnisse die Schweiz nach wie vor zu den "saubersten" Staaten der Welt. Durch diese juristischen Zusatzinformationen ist somit noch nicht gesagt, dass der Skandalfall so rasch versandet. |
Nachtrag vom 21. August: Aliesch unter Druck
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Nachtrag vom 29. August: Schlusserkenntnis: Was können wir aus dem Skandal-Fall Aliesch lernen? Wir haben den Fall Aliesch aus medienrhetorischer Sicht längerfristig 1:1 begleitet. Die ausführliche Geschichte ist ein Lehrbeispiel falschen Verhaltens - vor allem in der Startphase. Wir können ferner hinsichtlich Krisenmanagement oder Skandalmanagement aus diesem Beispiel einiges lernen. Als Peter Aliesch in den Ferien am Sonntag, den 22. Juli, beim Telefonanruf (auf seinem Handy) von der Journalistin Corinne Bünzli in den Ferien angefragt worden war; ob es zutreffe, dass seine Frau von Papadaki einen Nerzmantel geschenkt bekommen habe und ob ihm wirklich Gratisferien bezahlt worden seien; gab es für Peter Aliesch in diesem Augenblick folgende konkreten Möglichkeiten:
In diesen Sekunden hätte näich die ganze Geschichte eine andere Wendung nehmen können. Aliesch hätte lediglich den Grundsatz des Zeitgewinnens anwenden sollen. Vielleicht hat er dies nicht gelernt, nicht gewusst oder vergessen. Profis - unter anderem auch Hanspeter Lebrument - vertraten bei unseren gemeinsamen Ausbildungsmodulen (Umgang mit Medien) stets die These:
Beim Sprechen wissen wir es zwar: das aktive Zuhören, das Überlegen, das Denken, das Klären vor dem Reden (Denkpause, Warten, Reflektieren) hat einen höheren Stellenwert als das sofortige Reden. Hier leuchtet uns die Bedeutung des Zeitgewinnes ein. Bei Anfragen von Journalisten in Krisensituatioen ist der Zeitgewinn jedoch noch viel wichtiger. Hier geht es ebenfalls:
Beim Zeitgewinn bei unverhofften Anfragen (Krise oder Skandalierung) geht es vor allem darum, die heikle Situation zu analysieren. Bei der Analyse nach dem Telefonanruf hätte sich Aliesch unbedingt überlegen müssen:
Dank der Analyse wäre u.U. denkbar gewesen, dass die Beziehung zu Papadaki für den Kanton Graubünden finanzielle Vorteile gehabt hätte (z.B. im Fremdenverkehr oder bei den Beziehungen zu Griechenland). Jedenfalls wäre Aliesch nachher bei der Medienkonferenz nicht alleine gewesen. Er hätte nicht isoliert kämpfen müssen (er wäre evt. sogar noch lange von der Regierung getragen worden). Mit der Aussage:
wurden bereits die Weichen gestellt und die Ausgangslage war zementiert. Wir vertreten an dieser Stelle die Meinung dass ein professionelles Vorgehen die darauffolgende Eskalation sicherlich abgefedert hätte und die Geschichte einen anderen, besseren Lauf genommen hätte. Wer bei einen Skandalfall unüberlegt antwortet und das Szepter zu rasch selbst an die Hand nimmt, wird gewiss auch schneller zu Fall kommen.
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Nachtrag, 9. September 2001 Bei den Medien herrschte im Falle Aliesch seit längerer Zeit Funkstille. Nun hat der Grosse Rat an der 1. Sondersitzung die Immunität des Magistraten mit 117 gegen Null Stimmen aufgehoben. Aliesch ging mit gestelltem Lächeln zwischen einen Heer von Journalisten zur Sondersitzung. Er will aber nach wie vor nicht zurücktreten. Obschon der Politiker überall seine Würde eingebüsst hat, klammert er sich an sein Amt. Alisch ist überzeugt, dass - wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen - keine Anklage gegen ihm erhoben werden können. In den Medien wird dieses Festklammern überhaupt nicht verstanden. Aliesch scheint isolierter denn je und verliert seine Glaubwürdigkeit. Besonders störend wird empfunden, dass er als Regierungsrat Wasser predigte und selbst Wein getrunken hatte. Er hatte von seinen Beamten verlangt, dass sie keine Geschenke annehmen dürfen. Er hielt sich aber nicht an die Regelung, die er selbst unterschrieben hatte. Die Situation wird für den Magistraten immer ungemütlicher. Es wird vermutet, dass Aliesch nur aus finanziellen Gründen am Regierungssessel kleben bleibt. |
Nachtrag, 20. September 2001 Die Gesamtregierung entzieht Aliesch nun auch das Dossier im Justizbereich. Sie entspricht damit der Forderung des 120-köpfigen Bündner Grossen Rates. Damit verbleiben Regierungsrat Aliesch nur noch die Aufgabenbereiche wie die Sanität; mit den Sachgebieten Gesundheit und Sozialhilfe und bei den Bereichen Justiz und Polizei: Das Bürger- und Zivilrecht, sowie der Strassenverkehr und die Schifffahrt. Dass Peter Aliesch mit zusätzlichen Sonderaufgaben bis Ende der Amtszeit betraut werden könnte, hält die Gesamtregierung weder für möglich noch für sinnvoll. Somit wird es spürbar eng für den angeschlagenen Magistraten. |
Nachtrag, 27. September 2001 Trotz Entzug der Sachgeschäfte erhält Regierungsrat Peter Aliesch weiterhin den vollen Lohn von 240'000.-- Fr pro Jahr. Eine Gehaltkürzung ist scheinbar nicht möglich. Somit geht für Alisch die Rechnung vorläufig noch auf. Wir hatten früher schon in diesem Dossier die Vermutung angestellt, dass Aliesch nicht zurücktreten werde, weil er zu viele finanzielle Verpflichtungen habe. Bei einem Rücktritt hätte nämlich der angeschlagene Regierungsrat keine Chance gehabt, eine angemessene Stellung zu finden. Kaum eine Institution hätte Aliesch nach dem Skandal als Vorzeigemann eingestellt. Die Frage ist noch offen: Kann Aliesch noch so lange im Amt bleiben, bis seine Pension gesichert ist? On verra. |
Nachtrag, 12. Juli 2002 Das Strafverfahren gegen Regierungsrat Peter Aliesch wurde eingestellt. Die massiven Vorwürfe wurden grösstenteils entkräftet. Aliesch habe sich zwar "amtsintern einige Male" für das Dossier Papadakis interessiert, doch interveniert habe er nicht. Der Untersuchungsrichter fand, dass zwischen Papadakis Zuwendungen und Alieschs Amtshandlungen bestehe "kein strafrechtlich relevanter Zusammenhang". Aliesch habe seine Amtspflichten nicht verletzt. Deshalb werde das Verfahren eingestellt. Aliesch habe aber das Verfahren durch "ein leichtfertiges Benehmen" verschuldet, weshalb er die Untersuchungskosten in der Höhe von 23'000 Franken zu tragen habe. Aliesch kündigte an, er werden den Kostenentscheid anfechten. Die Bündner Regierung zeigte sich erleichtert über den Entscheid. Trotzdem will sie Peter Aliesch die Zuständigkeit für Justiz und Polizei, die sie ihm entzogen hatte, nicht zurückgeben. |
Nachtrag vom 18. August, 2002, Aliesch droht Teilausschluss. Nachdem Aliesch im "Sonntagsblick" gewarnt hatte, dass die Durchführung des World Economic Forum (WEF) im kommenden Januar wegen Terrorgefahr zu gefährlich sei (Luftangriff auf das Kongresszentrum Davos, die Sprengung von Strassen und der Einsatz von Giftgas seien nicht auszuschliessen), hat die Bündner Regierung Peter Aliesch mit einem Teilausschluss gedroht (NZZ vom 18. August, 2002). Als Begründung wurde angegeben, dass die Zusammenarbeit mit Regierungsrat Aliesch schwierig geworden sei. weil Aliesch sich über das vom Kollegialitätsprinzip abgeleiteten Verschwiegenheitsgebot hinweg gesetzt habe. Seine Aussagen hätten den Eindruck erweckt, die Regierung liesse die Bevölkerung über die Risiken der WEF-Durchführung im Ungewissen und nehme bewusst die Gefährdung von Personen und Sachen in Kauf. Wenn Aliesch die elementaren Regeln der Kollegialität weiterhin verletze, werde er bei bestimmten Geschäften ausgeschlossen. |
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