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Mit Antworten führen - dank antizipieren


von Hildegard Knill + Marcus Knill


Eine der bekanntesten Redewendungen heisst: "Wer fragt, führt". Dass Fragende Gespräche lenken, veranschaulichen nicht nur Polizeiverhöre oder Interviews. Auch bei Bewerbungsgesprächen bestimmt beispielsweise die Personalchefin mit gezieltem Fragen die Richtung des Gesprächs.

Wäre es nicht auch denkbar, dass Antwortende Gespräche steuern können? Gewiss! Wer sich mit den Phänomenen der Fragetechnik auseinandersetzt, lernt bald, selbst in der eigenen Antwort Fragen zu stellen. Die vielzitierte Anweisung: "Stellt keine Gegenfragen!" gilt nicht. Lediglich auf plumpe Gegenfragen dürfen wir verzichten. Es gibt sogar zwingende Gegenfragen, wie Kontroll-, Klärung- oder Verständigungsfragen. Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl ging oft noch weiter und lehnte gewisse Fragen bewusst ab. Er stellte sich dann selbst die Frage, die hätte gestellt werden sollen und beantwortete hierauf nur die von ihm gestellte Frage. Diese arrogante Taktik hat aber wenig mit Dialogik zu tun. In vielen Bereichen ist es sehr gut möglich, die fragende Person in ihrer Fragestellung zu beeinflussen oder mit der Antwort die Anschlussfragen zu provozieren.


Antworten pflastern den Weg

Journalistinnen und Personalchefs wissen genau, welcher Teil der Antwort hinterfragt werden muss. Wer beim Antworten führen will, lernt zudem, Aussagen zu machen, die Raum anbieten für neue Fragen und für gute Antworten. Die Wenigsten sind sich bewusst, dass sie beim Antworten den Weg des Gespräches selbst pflastern, den der Interviewer betritt. Diese Kunst, sich den Weg des Gespräches mit der Antwort gezielt zu ebnen, bedarf jedoch eines längeren Trainings. Dies wird an dieser Stelle nicht näher beschrieben. Dafür beleuchten wir jene einfache Regel, die es allen ermöglicht, auch als Befragte zu führen: Wir müssen Fragen und Antworten antizipieren!


Vorwürfe und Fragen sammeln

Denn: Wer nicht alle möglichen Fragen einkalkuliert, riskiert zu viele Überraschungen und wird damit rascher destabilisiert. Antizipieren heisst konkret: Vorgängig denkbare Vorwürfe oder Fragen sammeln, überdenken, aufschreiben und die möglichen Antwortvarianten detailliert vorbereiten. Es lohnt sich vor allem das spielerische Briefing mit einer Sparringpartnerin. Hierzu ein Beispiel aus dem Coaching einer Spitzensportlerin vor einer Olympiade. Im Mediensimulator (Interviewtraining) stellt ein Journalist der Sportlerin plötzlich die unvorbereitete Frage: "Haben Sie als Frau nicht Probleme, wenn sie nach dem Langlaufen schie§en müssen? Das Training zum Töten passt überhaupt nicht zu Ihnen." "Wir töten gar nicht. Es sind ja nur Scheiben!" lautet die Antwort. "Aber es wird doch scharf geschossen - mit echten Kugeln", hakt der Journalist nach. Hierauf folgt die dürftige Antwort: "Ja schon - äh - .. -. -. ." Die Sportlerin war überrumpelt. Dank dieser konkreten Auseinandersetzung mit überraschenden Fragen im Medien-Training gelang es jedoch der Athletin, bei dieser Frage, die dann tatsächlich an der Olympiade in ähnlicher Form gestellt worden war, überlegt zu antworten: "Haben Sie auch schon einen ZEN - Mönch gesehen, der mit Pfeilbogenschiessen die Konzentration trainiert? Auch bei unserer Disziplin will man sehen, ob eine Sportlerin nach dem anspruchsvollen Langlaufen noch fähig ist, ruhig zu zielen und mit voller Konzentration die Scheibe zu treffen."


Gezielt antizipieren

Diese gute Antwort war nur so gut, weil sie vor-überlegt worden war. Auch bei Bewerbungs- , Kritik-, Beurteilungsgesprächen ist es immer möglich - dank gezieltem Antizipieren - überlegt zu antworten und damit das Gespräch zu steuern. Die Redewendung: "Nur wer überlegt, der ist letzlich überlegen" ist keine billige Erkenntnis. Bezogen aufs Antizipieren lautet deshalb unser Tipp: "Nur wer vor dem Ernstfall alle denkbaren Fragen antizipiert, kann auch beim Antworten führen!". Dieser Rat lohnt sich immer.




Dies ist ein Beitrag im STELLENMARKT Südostschweiz vom 25. Mai 2000 erschienen.





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