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www.rhetorik.ch aktuell: (ab 21. Feb. 2003)

Spucken als Kommunikationsmittel


Jüngst machte Bundesrichter Martin Schubarth von sich reden. weil er einen NZZ Journalisten bespuckt hatte. Schubarths Spuckattacke wurde von den Medien rasch verbreitet - natürlich nicht im positivsten Sinn. Der Vorfall war soundbitefähig, weil es ein Bundesrichter war, der gespuckt hatte.


Das Kommunizieren ohne Worte ist bei Kommunikationsprozessen nichts Neues. Das Signalisieren von Unmut passiert nonverbal zum Beispiel mit vorwurfsvollen Blicken. Dass man dies auch mit "Spucke" kundtun kann, zeigen Kinder im Kindergarten. Bei Erwachsenen ist diese Kommunikationsform gewiss eine Ausnahme. Zwar ist in der Schweiz der Ausspruch

"Er hät Speuz!" ("Er hat Spucke")

bekannt, womit man meint: "Der hat etwas drauf", ist kraftvoll und vital. Eine solche Metapher bildhaft zu demonstrieren, ist aber in der Kommunikationskultur Erwachsener heute eher selten. Statt zu Spucken gäbe es andere Formen, den Unmut zu zeigen: Schubart hätte zum Beispiel weglaufen und das Gespräch verweigern können.

Dass ein ausgewachsener Bundesrichter spuckt, ist einmalig. Schubarth wird seit diesem Vorfall schon
"Juge au crachat""= "Der Spuckrichter"
genannt. Die Geschichte war in der Schweizer Presselandschaft tagelang ein Thema. Wie verhielt sich der Spucker nach dem Medienwirbel?
Zuerst schwieg er. Dann griff sein Anwalt zu einer Schutzbehaupung: Der Richter habe gar nicht gespuckt. Er habe nur gehustet. Am 20. Februar gab dann der spuckfreudige Bundesrichter doch noch ein Interview im Le Matin. Er bereue sein Verhalten, sagte er und fügte bei, er sei damals krank gewesen. Der Vorfall habe mit seiner Krankheit zu tun, ergänzte der Bundesrichter.

Nach dieser Begründung bleibt einem die Spucke weg. Darf jemand der krank ist, missliebige Personen bespucken? Kam doch gerade zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege das Spucken ausser Mode. Es wäre besser gewesen, dem Bundesrichter wäre bei der Begegnung mit dem Journalisten die Spucke weggeblieben.
Übrigens: Der missliebige Bundesrichter kann nicht entlassen werden. Obschon er nicht mehr richten darf, bezieht Schubarth weiterhin sein stattliches Gehalt bis zur nächsten Wiederwahl. Einziger Ausweg aus der verfahrenen Situation: Bundesrichter Schubarth könnte freiwillig zurücktreten, so wie es ihm nahe gelegt wurde. Doch der Spucker will vorläufig im Amt bleiben. Ähnlich wie beim Fall Aliesch fehlen die rechtlichen Mittel, den Bundesrichter vorzeitig entlassen zu können. Vielleicht hat der Richter von Aliesch gelernt. Beim Bündner Regierungsrat lohnte sich jedenfalls das Aussitzen nach der langen Skandalgeschichte.
Schubarth sagte im "Le Matin" Interview auf die Frage ob er an seinen Rücktritt denke:

"Jeder von uns wird einmal zurücktreten."


Eine Pressemitteilung des Bundesgerichts vom 19. Februar:

Lausanne, 19. Februar 2003, Medien-Mitteilung des Bundesgerichts
Der von Herrn Bundesrichter Martin Schubarth am 11. Februar 2003 in der Eingangshalle des Bundesgerichts verursachte "Spuck-Vorfall", über welchen in der Presse ausführlich berichtet worden ist, wird vom Bundesgericht in aller Form missbilligt. Gestützt auf dieses Vorkommnis hat das Gesamtgericht heute in Anwesenheit von Herrn Bundesrichter Martin Schubarth nach eingehender und offener Diskussion ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen folgenden Beschluss gefasst:
"Herr Bundesrichter Martin Schubarth wird gestützt auf die dem Bundesgericht zustehende Organisationskompetenz mit sofortiger Wirkung als Mitglied des Bundesgerichts in der Rechtsprechung nicht mehr eingesetzt. Das Gesamtgericht ist der Auffassung, dass Herr Bundesrichter Martin Schubarth den Rücktritt erklären sollte."
Weitergehende Auskünfte werden zum jetzigen Zeitpunkt vom Bundesgericht nicht erteilt.


Nachtrag vom 23. Februar: Sonntagspresse spuckt noch in die Suppe Am 23. Februar veröffentlichte der SonntagsBlick alte Geschichten von Dr. Schubarth.

Wer einmal im im Scheinwerferlicht der Presse steht, muss damit rechnen, dass sein Privatleben oder seine Arbeit zusätzlich ausgeleuchtet wird.


Da kein Mensch ohne Fehl und Tadel ist, finden Journalisten sehr schnell ätere medienträchtige Geschichtchen. Die Presse spuckt diese Sachen dann tröpfchenweise wieder aus. In diesem Fall bericthet der "Blick":

  • Am 1. Oktober 2002 hatte ein Tessiner Anwalt wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses, der Datenschutzgesetze und wegen Gefährdung von Leben gegen Schubarth geklagt.
  • In einem anderen Fall soll Schubarth einer Partei das rechtliche Gehör verweigert haben. Blick: "Der betroffene Anwalt schämt immer noch vor Wut".
  • In einem Brief an einen Bündner Nationalrat wird das Vorgehen Schubarths als "liederlich, unseriös und voreingenommen" bezeichnet.


Würde Schubarth vorzeitig zurücktreten, so würde er nach "Sonntagsblick" jährlich nur noch 163'000 Fr kassieren. Bleibt er hingegen formell im Amt so bekomme er einen Jahressalair von 326'OOO Fr. zuzüglich Teuerungsausgleich. Schubarth sagte am Radio rhetorisch geschickt zu seiner Weigerung zurückzutreten:

"Ich bin ein Gegner der Schnelljustiz."


Nachtrag vom 1. Mai, 2003.
Schubarth ist bis zum Jahre 2008 gewählt. Beharrt er auf seiner Arbeitsfähigkeit, müsste ihm noch fünf Jahre das Gehalt ausbezahlt werden, für das er jedoch keine Arbeit leisten darf. Schubarth geht davon aus, dass es nicht soweit kommen wird:

"Dieses Szenario wäre einfach zu absurd."


Nachtrag vom 15. Mai, 2003. Schubarth auf dem heissen Stuhl.
In der Rundschau Sendung vom Schweizer Fernsehen war Schubarth auf dem heissen Stuhl und kam ziemlich ins Schwitzen. Die Geschichte ist rechtlich verzwickt. Schubart sieht zwar ein, Fehler gemacht zu haben und entschuldigte sich. Doch findet er persönlich die Rücktrittsaufforderung übertrieben. Fachleute finden jedoch, das Bundesgericht müsse zwischen den persönlichen Interessen des angeschlagenen Richters und den Interessen des Landes abwägen. Da der Spukvorfall dem Ansehen des Gerichtes langfristig schade, könnte hier der Rücktritt angebracht sein. Es wird sich zeigen, wie nun definitiv entschieden wird. Ein Bundesrichter ohne Richterkompetenzen scheint eher unhaltbar.


Nachtrag vom 4. Oktober, 2003: Reaktion auf Untersuchungsbericht zur "Spuck-Affaire". Bundesrichter Martin Schubarth hat am 4. Oktober seinen Rücktritt auf den 30. Juni 2004 eingereicht. Bisher hatte sich der 60-jährige Bunderrichter sich strikt geweigert, freiwillig zurückzutreten.


Schubarth Nachtrag vom 5. Oktober. Schubarth denunziert die Untersuchungsbehörde.

In den Medien behauptete er, man habe ihn unter Druck gesetzt und es sei gesagt worden, dass der Bericht anders ausfalle, wenn er zurücktreten werde. Tatsächlich hätte es zwei unterschiedliche Berichte gegeben.
Die Geschichte wird vielleicht noch ein Nachspiel haben. Da Richter unabhängig sind, dürften sie nicht von Politikern unter Druck gesetzt werden können.

Es fehlen die rechtlichen Grundlagen einen Richter des Amtes zu entheben.


Nachtrag vom 7. November: Bundesrichter Schubarth tritt eventuell früher zurück. Im Interesse des höchsten Gerichtes tritt Martin Schubarth früher als angekündigt zurück. (Auf 31. Jan 2004) Falls der Nachfolger das Amt schon früher antreten wolle - die Wahl ist am 17. Dez.- so beende er seine Tätigkeit bereits auf diesen Zeitpunkt, liess Schubarth wissen.


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