Christoph Blocher
beherrscht das Spiel mit der Presse wie kein anderer.
Als Bundesrat fand er wenig lobende Worte für die Schweizer
Zeitungslndschaft. In der Schweiz gebe es zwar eine
"beeindruckende Titelvielfalt - aber keine Pressevielfalt."
Er warf den Schweizer Medien fehlende Meinungsvielfalt und
übertriebene Staatsnähe vor. Dabei sei
gerade die Freiheit der Presse gegenüber dem Staat
eine Grundvoraussetzung für jede Demokratie.
Die Stellungnahmen in der Schweizer Presse seien von einer
"beelendenden Eintönigkeit".
Bei den Tabuthemen hätten sich die Redaktionen auf einen
imaginären politischen Knigge verständigt.
"Wer ausschert, wird geköpft; vor allem, wenn es sich um einen
Bürgerlichen handelt.
Linke würden hingegen als "interessante Querdenker"
gefeiert. Gerade in den wichtigsten Fragen herrsche in der Schweizer
Medienlandschaft "ein grosser Einheitsbrei".
Als Beispiel für ein Tabuthema nannte Blocher die Staatsverschuldung
von 150 Milliarden Franken, die "die Lebensgrundlage unseres Volkes
zunehmend in Frage" stelle.
Wer eine Ausgabenreduktion vorschlage, werde von den Medien fast unisono
als "neoliberaler Zukunftsverhinderer" oder "Staatsdemontierer"
verunglimpft. Dass die Ausgaben bis 2008 um weitere zehn Prozent
anstiegen, komme kaum zur Sprache.
Eine "feige Einheitsmeinung, diktiert von einer totalitär
verstandenen 'Political Correctness'" machte Blocher auch im Umgang mit
Themen wie der nationalen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit
sowie Fragen der Ausländer- und Asylpolitik aus.
Besonders kritisiert wurden die Inseratesperren durch einzelne Verlage:
"Ich halte solche Zensuren für völlig falsch. Damit werden
bloss andere Meinungen kriminalisiert."
Die NZZ meinte in ihrem Leitartikel vom
18. September unter dem Titel "Verleger in Verlegenheit":
Der Verband Schweizer Presse konnte an seinem Kongress
mit Bundeskanzler Schröder und Bundesrat Blocher gleich
zwei Referenten begrüssen, die als Regenten die
multimediale Klaviatur virtuos beherrschen.
Doch der gouvernementale Glamour des Kongresses täuscht: Die
Institution der Tagespresse steht selbst im Zeitungsland Schweiz unter
Druck wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wirtschaftlich, politisch wie
juristisch.
Schröder
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der als Ehrengast
zum Kongress eingeladen worden war, respektierte Blochers Meinung:
Dessen Lagebeschreibung entspreche jener eines Papstes vor einer neuen Reformation.
Der Bundesrat mache aus seinem Herzen keine Mördergrube.
Schröder stimmte mit Blocher darin überein, dass das
Verständnis in der Gesellschaft für die anstehenden
sozialpolitischen Herausforderungen wachsen müsse. Reformen
seien nötig, um den Sozialstaat umzubauen. Es sei eine permanente
Veränderungsbereitschaft nötig.
Schröder äusserte sich auch kurz zur Rolle der Presse.
Er sprach sich dafür aus, die Privatsphäre auch von
Politikern zu achten und zu beachten.