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www.rhetorik.ch aktuell: (12. September, 2004)

Peter Studer zu Interview Korrekturen





Die Geschichte um das Keckeis Interview hat gezeigt, dass vor der Publikation eines Interviews Streit um den Wortlaut entstehen kann. Im erwähnten Fall wollte Schmid das Interview zurücknehmen, verlangte 150 Aenderungen und 40 Änderungen in der dritten Überarbeitung.

In der "NZZ" vom 10. September beleuchtet Peter Studer, Rechtsanwalt und Präsident des Schweizer Presserats im aufschlussreichen Beitrag:

"Wenn Interviewte auch die Fragen diktieren"


die heikle Thematik der Interview- Korrekturen. Wir fassen hier die wichtigsten Punkte dieses Artikels zusammen.


In allen Ländern gibt es Probleme bei Interviews mit Prominenten. Journalisten sind zum Teil selber schuld, dass es zu nachträglichen Auseinandersetzungen kommt.

Sie versprechen prominenten Persönlichkeiten, um an sie heranzukommen:

"Sie können ja den Text gegenlesen und immer noch ändern."
Nachher schalten sie jedoch auf stur und wollen keine Änderungen mehr zugestehen, mit der Begründung:

"Der Satz ist auf dem Tonband festgehalten."


Auch Rechtsanwälte müssen sich oft mit dieser Korrektur- Problematik beschäftigen. Werden rechtliche Schritte angedroht, kann es zu einem provisorisches Publikationsverbot ohne Anhörung der Redaktion kommen.

Nach Studer geben mache Einzelrichter den Interviewten reflexartig Recht, wenn es dazu kommt. Der Rekurs des Medienhauses hat hernach keine aufschiebende Wirkung. Entschieden wird jedoch erst Jahre später.

Fall: "FACTS" Interview mit Cottier

Studer schildert den Fall mit dem damaligen CVP- Präsidenten Anton Cottier vor neun Jahren, der nicht medienrechtlich, sondern medienethisch erledigt wurde. 1995 interviewte FACTS Cottier auf Schweizerdeutsch. Ein Tonband lief mit. Es wurde vereinbart, dass Cottier beim Gegenlesen Missverständnisse und Fehler korrigieren könne, ohne aber den Text abzuschwächen. Cottier strich hierauf Fragen und brachte Korrekturen an, die ursprüngliche Sätze ins Gegenteil kehrten. Nach längerem Hin und Her gab Cottier die "Schlussfassung" frei. Die Redaktion kürzte das Interview nochmals. Bei 16 Fragen stand neben Cottiers "autorisierter" Antwort die erste "Originalversion". Chefredaktors Wildberger begründete diese Version mit:

"Es redete nicht mehr Cottier,sondern eine Kunstfigur, ausgerüstet mit Argumenten von parteiinternen Wahlberatern."


Cottier beschwerte sich beim Presserat. Sowohl Cottier und Wildberger wurden vom Presserat gerügt. Cottier seines "regelwidrigen Verhaltens" wegen und Jürg Wildberger, weil die Redaktion "gegen die Fairness verstossen" habe. Die Originalversion auf Tonband habe Cottier gar nie vorgelegen.


Bei Vereinbarungen müssen Details beachtet und vereinbart werden: Es muss festgelegt werden, wo der Interviewte Aenderungen verlangen darf. Obwohl im Allgemeinen gilt: "Gesagt ist gesagt!"

Es gibt jedoch legitime Korrekturansprüche, die im Rahmen von "Treu und Glauben" liegen:
  • Korrektur von Fakten: Wenn beispielsweise ein Zahl falsch genannt wird, darf dies korrigiert wierden, denn es liegt in niemandes Interesse, Falschinformationen zu verbreiten.
  • Herausfiltern von Beschimpfungen: Wenn in der Hitze des Gespräches eine Beschimpfung herausrutscht: wie "Mein Rivale ist ein Idiot", dann darf gestrichen werden.
  • Übersetzung von Mundart: Bei der Transkription Mundart - Schriftsprache tönen gewisse Helvetismen bizarr wirken. Hier muss die Redaktion korrigieren.
  • Kürzungen: Kürzungen sind notwendig, zum Beispiel wenn eine Person über eine Stunde interviewt wird. Der Raum in der Zeitung ist aber begrenzt.


Gegen den Willen der Redaktion darf kein Interviewter in den Text hineinflicken, wenn der Text auf dem Tonband dokumentiert ist. Jederzeitige Rückziehung ist nicht möglich.
Prominente, Kommunikations- und Rechtsberater neigen zur Meinung, man könnte ein Interview jederzeit zurückziehen. Es kommt mitunter zu Drohungen: "Rückzug in letzter Stunde!" oder man erwähnt das Schreckgespenst des "Superprovisorischen Publikationsverbotes".


Der Journalistenkodex

Peter Studer fasst die Richtlinie 4.5 zum Journalistenkodex wie folgt zusammen:
  • Das gestaltete journalistische Interview basiert auf einer - am besten schriftlichen -Vereinbarung zwischen Redaktion und Interviewten. Ein vorgesehener Text ist immer zu autorisieren; bei Kurzinterviews im Rahmen tagesaktueller Recherchen ist dies aber nur nötig, wenn es der Antwortgeber verlangt.
  • Bei der Autorisierung darf der Interviewte keine grundsätzlichen Änderungen vornehmen, welche dem Gespräch einen anderen Drall geben, und, weder Fragen streichen noch hinzufügen (auch am Fragenteil des KeckeisInterviews'hat die Militärbürokratie korrigieren und streichen wollen).
  • Sind die Änderungsbegehren übertrieben, kann die Redaktion auf den Abdruck verzichten oder aber den Vorgang transparent machen; dies mit Rücksicht auf das Recht am eigenen Wort durch nicht wörtliche Umschreibungen, etwa! in einem beigegebenen Kasten.
  • Ist eine Schlussversion vereinbart, greift die Redaktion nicht mehr auf Zitate aus früheren Versionen zurück.


Artikel 28 zum Persönlichkeitsschutz (ZGB) lautet: Wer in seiner Persönlichkeit rechtswidrig verletzt wird, kann gegen jeden Mitwirkenden den Richter anrufen. Zur Persönlichkeit gehören das Recht am eigenen Wort.

Das Verbot setzt voraus, dass dass dem Interviewten durch die Publikation ein "besonders schwerer Nachteil" droht und offensichtlich "kein Rechtfertigungsgrund" vorliegt. Rechtfertigungsgründe können "überwiegende öffentliche Interessen" sein.
Beim Armeechef Keckeis sollen Berater juristische Schritte angedroht haben, was diese - nach Studer - allerdings bestreiten.
Peter Studer beschreibt ausführlich, weshalb das Problem der vorherigen Einwilligung des Interviewten noch ein offener Punkt ist. Autoren und Medienjuristen haben keine einhellige Meinung. Für manche Richter hat die Prominenz mehr Eros und Gewicht als die Pressefreiheit.
Den Medienhäuser bleibt nur eine Möglichkeit: Fair sein, aber auf dem Grundsatz "Gseit isch gseit" beharren. Sonst verkomme das Interview zur PR-Hülse der Prominenz.

Fazit: Die begrenzten Korrekturmöglichkeiten bei Interviews illustrieren wieder einmal, dass sich im Umgang mit Medien der Grundsatz

"Hoeren, denken, klären, überlegen. Erst dann antworten."


bewährt.




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