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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Jan. 2003)

Geschickte Antworten der neuen Bundesrätin

siehe Fortsetzung

Powell und Calmy-ray Michelin Calmy-Rey kam wenige Wochen nach Amtsantritt zu einer grossen Medienpräsenz. Das persönliche Gespräch mit Colin Powell in Davos wurde überall mit grossem Interesse verfolgt. Obschon der amerikanische Aussenminister die Erwartungen nach dem Treffen dämpfte und das von Calmy-Rey gewünschte "Treffen der letzten Chance" hinunterspielte, indem er betonte: Die Schweiz habe kein formelles Angebot unterbreitet. Aussenministerin Calmy-Rey habe lediglich auf frühere Irakisch-Amerikanische Gespräche in der Schweiz hingewiesen; dessen ungeachtet verstand es die neue Bundesrätin ihren Auftritt rhetorisch geschickt in ein günstiges Licht zu rücken.

Wären sie wirklich nicht ans WEF gegangen, wenn Powell nicht gekommen wäre? Antwort. "Ich sage, was ich tue. Und ich tue, was ich sage." Eine kluge Antwort auf eine heikle Frage.

Sie treten als Aussenministerin sehr selbstbewusst auf. War die Schweiz bisher zu zurückhaltend? Antwort: "Seit zehn Tagen erhalte ich eine ganze Menge Briefe. Die Leute sagen: Endlich sagt man etwas über den Irak. Das macht mich froh." Mit dieser Antwort lässt die Politikerin implizit durchblicken, dass man früher zu zurückhaltend war, ohne dies jedoch explizit zu sagen.

Politiker kritisieren Ihr Vorgehen als undiplomatisch! Antwort: "Diese Antwort teile ich nicht. Hinter dem Treffen steckt eine enorme diplomatische Arbeit. Diplomatie bedeutet nicht, stumm zu bleiben." Hier wird ein deutliches Stopsignal gesetzt. Nein! Die Antwort ist eindeutig: Man darf nicht schweigen.

Sie glauben nicht, dass Sie wie andere, mit der Zeit brav und angepasst werden? Antwort: "Man hat schon oft versucht, mich zu ändern. Aber ich bin nicht mehr 18 jährig." Dies heisst unmissverständlich: Ich werde heute meinen eigenen Weg gehen und lasse mich nicht so leicht von meinem Weg abbringen.


Nachtrag vom 1. Februar: Calmy-Rey mit Biss. Wie schon vorhergesehen zeigte sich schon bald, dass Calmy-Rey auf freundliche Art die Zähne zeigen kann.
Im Bundeshaus gab es im Zusammenhang mit dem Auftritt in Davos eine interne Auseinandersetzung zwischen Bundesrat Couchepin und der Aussenministerin. Couchepin soll versucht haben einen seiner Gefolgsleute ins Treffen mit dem amerikanischen Aussenminister einzuschleusen. Michelin Calmy-Rey verhinderte dies.



Couchepin soll auch den Vorschlag der neuen Bundesrätin für ein Friedenstreffen madig gemacht haben. Couchepin erklärte den Journalisten bei einem Auftritt in Genf: Es werde kein formelles Angebot geben. Der Bundesrat befasse sich nicht mit diesem Vorschlag.
Couchepin Statt zu kuschen, lässt nun Calmy-Rey den Uno Botschafter Jenö Staehelin in New York für das Friedenstreffen werben. Der "Blick" vom 29. Januar weiss bereits von auf dem Latrinenweg basierenden Aussagen, was die hartnäckige Bundesrätin von ihrem ebenfalls unnachgiebigen Kollegen hält.
Couchepin sei bloss sauer, weil sie in Davos die Schlagzeilen erntete und er lege den Führungsanspruch als Bundespräsident falsch aus.
Couchepin, der die Eröffnungsrede am WEF gehalten hatte, traf Powell US-Aussenminister Colin Powell später bei Nachtessen. Das Angebot von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey für ein Friedensgespräch in der Schweiz im Zusammenhang mit Irak sei beim Gespräch mit Powell kein Thema gewesen, so Couchepin. Sowieso habe es sich dabei um ein "informelles Angebot" gehandelt.


Nachtrag vom 2. Februar: Blick: "Calmy-Rey bläst allen den Marsch"
Calmy-Rey bläst Marsch Mit diesem Titel beleuchtet der "Blick" vom 2. Februar Misstöne und Eifersüchteleien im "Bundesratorchester". Wie prognostiziert, ist die neue Bundesrätin nicht so pflegeleicht, wie viele geglaubt hatten. Mit ihrer unüblichen Unerschrockenheit versteht sie es, auf freundliche Art, die Zähne zu zeigen.
Seit einem Monat bringt Micheline Calmy-Rey Bewegung in den Bundesrat. Die Genferin sorgte auch für Aufsehen in den Medien. Da waren nicht nur der Alleingang beim Auftritt in Davos. Sie hatte da selbstbewusst ohne den Segen des Gesamtbundesrates agiert ohne aber die eigenen Kompetenzen als Aussenministerin überschritten zu haben. Ihre Vorgängerin Ruth Dreifuss musste am Anfang ebenfalls nach eigenmächtigen Auftritten verschiedentlich ans Kollegialprinzip ermahnt werden. Die Attacke Couchepins scheint aber wirkungslos an der Genferin abzuprallen. Vertraute der Bundesrätin sollen nach Sonntagsblick gesagt haben: "Sie hat sich nicht mal darüber geärgert."

Karikatur von Ernst Feurer-Mettler
Diese Karikatur vom Ernst Feurer-Mettler im Sonntagsblick ist ein Beispiel von politischem Humor.


Die Karikatur suggeriert auch, dass Ruth Metzler nun eine Kollegin hat, die sie politisch übertönen könnte. (Metzler spielt auf dem Bild die Querflöte). Joseph Deiss stellt fest, dass seine Nachfolgerin bereits nach einem Monat nachdrücklicher wahrgenommen wird, als seine Arbeit als Wirtschaftsminister während der letzten Jahren. (Deiss spielt auf dem Bild eine Handorgel mit Löchern). Bundespräsident Couchepin könnte befürchten, er werde als Dirigent nicht akzeptiert. (Die Karikatur von Ernst Feurer-Mettler zeigt ihn mit einem gebrochenen Dirigierstab).
Diese Beobachtungen des Karikaturisten machen bewusst, dass sich die neue Bundesrätin nicht so leicht zähmen lässt. In der Sparklausur der Regierung zeigte sie am letzten Mittwoch erneut die Zähne: Wenn sie bei den Finanzen streichen müsse, so werde sie die Beiträge der "Präsenz Schweiz" um 13 Millionen kürzen. "Präsenz Schweiz" ist eine bürgerliche Domäne.

Uns interessiert es, wie der Bundesrat die internen Konflikte lösen wird. Wie wird das Team auf die Anstachelung dieses Blickartikels reagieren?
Wenn zwei eigenständig denkende Walliser (Calmy-Rey ist in Sion, Couchepin in Martiny geboren) aufeinanderprallen, ist ein Mentoring sicherlich nicht so einfach.


Nachtrag vom 6. Febr.03: Indirekte Information.
Calmy-Rey will kurzfristig eine internationale Konferenz in Genf auf die Beine stellen. Es geht um die Koordination der humanitären Hilfe im Falle eines Irakeinsatzes. Das Datum ist bereits auf den 15./16. Februar fixiert. Eduard Brunner begrüsst diese ungewöhnliche Idee der neuen Aussenministerin. Er gibt dem Treffen eine gute Chance, falls die politischen Staaten überzeugt werden könnten. Bereits gibt es jedoch Probleme:
  • Die Genfer Regierung erfuhr angeblich nur über die Medien von diesem kurzfristig geplanten Anlass.
  • Auch die EU- Länder, die eingeladen werden sollen, wussten - laut Radioberichten - nichts von der geplanten internationalen Konferenz.
Falls dies stimmt, müsste Calmy-Rey ihr Informationsmanagement InformationInformationskonzept und verfeinern. Besonders unglücklich ist in diesem Zusammenhang das "indirekte Informieren". Gibt es doch genügend kritische Augen, die bei der engagierten Politikerin nach Haaren in der Suppe Ausschau halten und gefundene Haare genüsslich unter das Vergrösserungsglas halten würden.


( Fortsetzung )
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