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www.rhetorik.ch aktuell: (22. Dezember, 2004)

"Mahn- Rhetorik" des Bundesrates



Bundesrat Christoph Blocher wagte es in seiner Jahresbilanz in Biel, das Bundespersonal öffentlich zu kritisieren. Ungewöhnlich scharf ging er mit der Verwaltung ins Gericht.


"Die Befürchtungen haben sich bewahrheitet, dass die Verwaltung überdotiert ist und zu wenig realitätsbezogen handelt."


sagte Blocher. Er konstatierte fehlende Originalität und mangelndes Variantenreichtum in der Suche nach Lösungen. Die Verwaltung nehme, so Blocher weiter, die Bürger in der täglichen Arbeit zu wenig ernst. Zudem bestehe die Gefahr einer Abhängigkeit von Mehrheitsmeinungen, nicht selten diktierten die Medien das Agenda-Setting. Und zudem existiere kaum ein Kostenbewusstsein, monierte Blocher, der in diesem Zusammenhang gerne auf tiefere Ausgaben in seinem Departement im laufenden Jahr gegenüber dem Budget hinwies. Blocher sprach mit Blick auf die Verwaltung von einer

"geschützten Werkstatt"


Solche Aussagen sind für den Personalverband des Bundes ein "Schlag ins Gesicht". Dieselbe Verwaltung, war vor einem Jahr beim Rücktritt von Kaspar Villiger noch als "eine der besten weltweit" gelobt worden.
Die Deutlichkeit, mit der die Blocher Kritik ausfiel, verwundert. Denn nach anfänglichen Klagen über dessen Führungsstil, hatten sich auch positive Reaktionen gehäuft. Blocher führe klar, gehe auf die Mitarbeiter ein und habe erstaunliche Dossierkenntnisse.

Nach der öffentlichen Kritik des Bundespersonals wurde Blocher zuerst vom Personalverband gerüffelt. Der Personalverband des Bundes (PVB) fühlte sich von Bundesrat Christoph Blocher desavouiert. Er bezog sich auf die unmissverständlichen Aussagen Blochers vom Montag. Blochers Äusserungen anlässlich seiner Medienkonferenz in Biel seien völlig deplatziert gewesen, schrieb der PVB. Vor allem seine Andeutungen, die Verwaltung sei überdotiert und realitätsfremd oder es mangle an Kostenbewusstsein und Führungsqualifikation seien beleidigend.

Für den PVB sei besonders enttäuschend, dass die übrigen Bundesräte nicht widersprochen hätten. Darauf folgten die mahnenden Worte des Bundesrats. Sie waren ungewöhnlich:


Joseph Deiss mahnte am Mittwoch Christoph Blocher. Verschiedene Aussagen der letzten Tage hätten die Kollegialität gefährdet, meinte er. Der Bundesrat habe sich zudem hinter das Personal in der Verwaltung gestellt. Die Äusserungen Blochers bezeichnete der Deiss als "deplatziert".
Blocher habe in unumstrittenen Punkten eine andere Meinung als die des Bundesrates vertreten, beanstandete Deiss weiter. So habe er das Obligatorium bei der Krankenversicherung sowie die Finanzierung der AHV in Frage gestellt. Deiss bat den SVP-Bundesrat vor den Medien, sich künftighin an die Regeln der Kollegialität zu halten.

Bezüglich des Bundespersonals habe zwar Blocher - der die Verwaltung an seiner Bilanz-Pressekonferenz vom Montag unter anderem als geschützte Werkstatt bezeichnete - bedauert. Gewisse Aussagen wären überinterpretiert worden.

"Andere Bundesräte fanden die Aussagen deplatziert."


ergänzte der Bundespräsident. Deiss räumte ein, es sei in seinem Präsidialjahr nicht immer einfach gewesen, das Kollegialitätsprinzip zu wahren. Einerseits habe er seine Kollegen nicht in der Öffentlichkeit kritisieren wollen, andererseits sei er dann der Untätigkeit bezichtigt worden. Deiss:

"Ich habe Blocher regelmässig getroffen und nicht immer zur Kritik".


Auch der künftige Bundespräsident Samuel Schmid will nach NZZ in seinem Amtsjahr die Kollegialität im Auge behalten. Allerdings könne der Bundespräsident immer nur reagieren. Zudem dürfe bezüglich Kollegialität nicht immer nur von einem gesprochen werden.


Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen sind etwas Normales. Doch sollten Differenzen wenn möglich nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Das Kollegialitätsprinzip gilt für alle Mitglieder eines Rates.

Wir fragen uns: Wurde in diesem Fall die Auseinandersetzung intern genügend lange ausgetragen?

Zum Thema Streitkultur, sieh auch den Aktuell Artikel Streit Leck).






Nachtrag vom 2. Juni, 2005: Calmy-Rey kritisiert Merz öffentlich für seine Bemerkung zu Frankreich: Im Schweizer Bundesrat werden Konflikte, Meinungsverschiedenheiten oft in der Öffentlichkeit ausgetragen. Ein neues Beispiel Gemäss 'Basler Zeitung' hat Bundesrätin Micheline Calmy-Rey die Stellungnahme ihres Regierungskollegen Hans-Rudolf Merz zum Ausgang der EU-Abstimmung in Frankreich kritisiert. Merz begrüsste das "Nein" in Frankreich. In der "Tagesschau" des Deutschschweizer Fernsehens vom Montagabend nahm die Aussenministerin Bezug auf die Aussage Merz', dass er das Nein Frankreichs zur EU-Verfassung begrüsse, und sagte: "Das kann man nicht sagen." Denn es handle sich um einen Entscheid gegen eine Regierung. Es gehe nicht an, sich dazu als Mitglied des Bundesrats zu äussern.

Fazit: Interne Differenzen in einem Team werden besser auch intern mündlich ausgetragen.


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