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www.rhetorik.ch aktuell: (25. Apr, 2012)

Thomas Minders Einzelkampf

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Nach seinem Auftritt bei SCHAWINSKI SF 1 vom 23. April interessierte die Bevölkerung vor allem die Frage: Wie nimmt der populäre Schaffhauser Ständerat Stellung zu den Vorwürfen in den Medien?

Ich hatte für das Schaffhauser Fernsehen bereits während des Wahlkampfes 2011 den parteilosen Ständeratskandidaten bei seinen Medienauftritten beobachtet und analysiert. Damals beurteilte ich vor allem die Wirkung des Einzelkämpfers.

Beim Auftritt der Kandidaten beim Schaffhauser Fernsehen warf Christian Heydecker seinem Kontrahenten damals vor, Minder habe ihn unfair ans Schienbein getreten und dass der Kampf zu einer Schlammschlacht verkommen könnte. Es kam dann aber nicht so weit.

Der jüngste Medienwirbel über seine Aussagen als neuer Ständerat machte wider bewusst, dass die Direktheit Minders bei der Öffentlichkeit und in den Medien schlecht ankam. Einige Aussagen Minders lösten ein kleineres politisches Beben aus: das Stöckli sei ein "Kindergarten", sei "tiefrot", ein "Streichelzoo" und mache "Tubel-Vorschläge", die nur dazu dienten, Subventionen für ihre Kantone locker zu machen. Blick vermutete darauf, Minder sei in Rage gekommen, weil seiner Initiative wohl ein direkter - "inklusive sozialistischer Bonisteuer" - und ein indirekter Gegenvorschlag entgegengestellt worden sei.

Wie nutzte Minder seine Chance im Fernsehen bei Schawinski? Die rhetorische Stärke Minders war wiederum sein grosses Engagement und seine Ausdruckskraft. Das "feu sacré" ist in den Augen, die Haltung, und die Stimme illustrieren den bewährten Grundsatz: Wer überzeugen will, muss selbst von der Sache überzeugt sein. Anderseits müssten wir bei ihm auch die Dosierung des Drucks und der Emotionalität betrachten. Wer zulange mit fortissimo die Register zieht, erdrückt langfristig die Zuhörer. Obschon Minder den Vorwürfen Schawinskis am Anfang mit spürbarer Zurückhaltung und gekonnten Stopsignalen zu kontern verstand und bei den ersten Antworten negative Begriffe nie wiederholte, gelang es Schawinski, beim Gegenüber die Kadenz nach und nach zu erhöhen, vor allem bei den Problemfeldern, die Minder am Herzen liegen. Dadurch kam der Interviewte immer mehr in Fahrt, und zwar dermassen, dass der Überdruck dominierte und sich die Sprechgeschwindigkeit erhöhte.


Es war offensichtlich, dass der Vater der Abzockerinitiative über Monate Frust über sich ergehen lassen musste. Mit einem ruhigeren Auftritt hätte sich Minder der Beschleunigungsspirale Schawinskis entziehen können. Der neugewählte Ständerat fühlt sich immer noch als Einzelkämpfer, der allein sich selbst verpflichtet ist, der mutig und engagiert "Allein gegen alle" kämpft.

Keine der umstrittenen verbalen Ausraster nahm Thomas Minder bei Schawinski zurück. Die ungefilterten Aussagen gehören für ihn zur "freien Meinungsäusserung". Man müsse offen und ungeschminkt aussprechen dürfen, was das Volk bewege. Die Bloger Kommentare würden ihm bestätigen, dass das Volk eindeutig hinter ihm stehe. Minder würde auch nachträglich nichts anders machen. Er stehe zu allen Aussagen. Es gab kein Wort der Entschuldigung oder der Selbstkritik. Minder ist überzeugt, dass er - wie "David gegen Goliath" - weiter kämpfen müsse. Einmal sprach er von sich in der dritten Person. Das hatte er übrigens früher bei Medienauftritten oft gemacht: "Der kleine Minder wird es nicht zulassen, dass ..." Diese Formulierung verdeutlicht, dass er sich von aussen und zwar als "Retter einer guten Sache" sieht.

Das Interview zeigt, dass bei Kommunikationsprozessen nicht nur die Regel "bleibe Du selbst" sondern auch die Wirkung beim Adressaten bedenkt werden muss.

Das ganze Interview auf Youtube


Zapper Analyse vom 25. April, 2012 in der SN

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