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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Sep, 2009)

Medienwirksame Strategien im Wahlkampf

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Nachtrag vom 27. September: Die Kanzlerin wird mit der FDP das Land regieren. Der FDP und CDU wurde in Wirtschaftsfragen mehr Kompetenz zugeschrieben. Das Resultat bestätigt, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten nicht bereit ist, Probleme ausschliesslich über zusätzliche Steuern (Mindestlöne) zu lösen. Die neue Regierung ist nun gefordert und muss beweisen, dass sie Steuererleichterung oder die Förderung der Bildung mit einem wirtschaftlichem Aufschwung unter einen Hut bringen können. Die Rechnung der machtbewussten Kanzlerin ging auf. Sie legte sich mit dem Kontrahenten nicht an. Westerwelle's konsequente Haltung, nicht mit Linksgrün zu regieren, war zwar riskant, wurde aber geschätzt. Politische Beobachter vermuten, dass die Ära der grossen Parteien in Deutschland dem Ende entgegen gehen könnte. Neben der FDP hat auch die Linke zugelegt. Die niedere Wahlbeteilung macht bewusst, dass es vielen Bürgern egal war, wer gewinnt und resignieren.
Nachtrag vom 27. September: Erste Trends der deutschen Bundestagswahl: CDU/CSU 34 Prozent, SPD 23 Prozent, Linke 13 Prozent, FDP 15 Prozent und Grüne 10 Prozent. Laut ARD-Prognosen geht die Union trotz Verlusten die stärkste Partei aus der Wahl. Die SPD erzielt das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Stark abgeschnitten hat die FDP. Spiegel


Morgen sind 62.2 Millionen Deutsche aufgerufen, den 17. Deutschen Bundestag zu wählen. Die Wahlkampfthemen kamen viel weniger zur Sprache als der Wahlkampf selbst. Die Medienstrategien und Taktiken haben den Wahlkampf mehr geprägt als die Politik selbst. Beispiele von Meta-Medienberichterstattungen zur Kommunikation und Werbung in diesem Wahlkampf:
  • Ein Heiseartikel zeigt auf, dass die Rolle der sozialen Medien in Deutschland noch nicht so weit ist wie in den USA. Ein paar Zitate aus diesem Artikel:

    Charly Lehnert, Berater der Linken sagt, es führt kein Weg an der Nutzung der vom Internet gebotenen Techniken vorbei. Man dürfe dort aber "keine Spielwiesen und Schwatzbuden aufmachen". Das Menschliche gehe vor das Virtuelle. Einem "guten Schiff mit einem guten Kapitän" könne Werbung im Netz und offline aber "Wind in die Segel blasen". Harald Walter aus der Bundesgeschäftsstelle der CDU meint, die Obama-Kampagne sei aber "nur in Ansätzen auf Deutschland übertragbar. Seine Partei nutze ihre Community-Seite als "Startrampe", von wo aus Kampagnenmitstreiter mit Parteipositionen ausgerüstet und dann zu Facebook, StudiVZ oder Blogs "rausgeschickt" werden. Die eigene Plattform sei "bewusst unattraktiv" gehalten. Thomas Scheffler aus dem Wahlkampfteam der FDP will von einer reinen "Bespassungsplattform" Internet nichts wissen, obwohl es bei den Liberalen im Online-Wahlkampf keineswegs bierernst zugehe. Vielmehr soll damit die Offline-Welt Kampagne "verlängert" werden. Andreas Schulze, Online-Stratege der Grünen, sieht den grössten Vorteil des Internets darin, "organisatorischen Rückstand der kleinen Parteien gegenüber der grossen zu verkürzen. Facebook erlaube es den Chefs selbst, ohne PR Helfer, ihre Kurzbotschaften auszusenden.
  • Heise kommentierte auch den letzten Werbepush der Parteien:

    Angela Merkel hat ihr "teAM Deutschland" zu einer "72-Stunden-Kampagne" aufgerufen: so wurden Frühstückspakete an hungrige Passanten in der Berliner Friedrichstrasse verteilt. Merkel konnte auch eine Flashmob Aktion erfolgreich kontern:
    Aufruf zu Flashmob Nach jedem Satz von Merkel ruft der Flashmob "Yaee" Merkel kontert mit einem Video
    Die Grünen bleiben "3 Tage wach" um bis zum Schliessen der Wahllokale "nonstop Rede und Antwort zu allen Fragen rund um grüne Politik" zu stehen. Etwa 200 Kandidaten, Abgeordnete und Experten sollen an der Aktion, die in der Bundesgeschäftsstelle der Partei angesiedelt ist und per Live-Stream verfolgt werden kann, beteiligt sein. Die FDP will in der letzte heisse Phase 3.5 Millionen E-Mails sowie fast eine halbe Million SMS-Kurznachrichten verschicken. Eine Sprühschablone für den "48-Stunden-Wahlkampf" hat die Linke in ihrem "Aktiv-Blog" zum Download bereitgestellt und mobilisiert mit einem Video ihre Anhänger zum "selbstbewussten" Flagge-Zeigen im öffentlichen Raum. Ein anonymer PR-Stratege der SPD schrieb in einem Artikel No, we can't zum Online-Wahlkampf der Genossen: "Ein bisschen Web 2.0 gibt es genauso wenig wie ein bisschen schwanger". Er kritisierte Bürokratie in der Zentrale der Sozialdemokraten.


    Noch ist nicht klar, ob das Internet "wahlentscheidend" und "Allheilmittel gegen Wahlmüdigkeit" ist oder wenig relevant sei für Politik ist.
  • Der Spiegel berichtet über die Fehlende Wissenschaftsdiskussion im Wahlkampf. Im Wahlkampf ignorierten die Parteien die brisante Themen. Im Merkel-Steinmeier Rededuell fiel das Wort "Klimawandel" kein einziges Mal. Erst nach einer Stunde erwähnte Merkel "Forschung" und "Bildung" erstmals. Steinmeier sparte sie gänzlich aus. Auch die Duell-Moderatoren wollten offenbar nichts hören vom Kampf gegen den Klimawandel, der Zukunft der Genforschung, der Verbreitung von Atomwaffen und der Innovationskraft Deutschlands - sondern lieber wissen, ob Merkel und Steinmeier die Preispolitik der Berliner Friseursalons kennen. Wissenschaftler betrachten das mit Sorge: Bleibt die öffentliche Debatte über Forschung, Innovationen und Technologien aus, "drohen schwere Fehlentscheidungen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit und unsere Sicherheit gefährden könnten", warnt etwa Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. "Alle Politiker sagen irgendwie, Forschung und Bildung seien wichtig", beklagt Fraunhofer-Präsident Bullinger. "Aber im Wahlkampf war das kein Thema." Ähnlich sieht das Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und einer der Top-Umweltberater der Bundesregierung: "Jeder spricht von Innovationen, aber die müssen auch irgendwo herkommen. Diese Verbindung wird oft nicht gezogen."



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