Morgen sind 62.2 Millionen Deutsche aufgerufen, den 17. Deutschen Bundestag zu
wählen. Die Wahlkampfthemen kamen viel weniger zur Sprache als der Wahlkampf
selbst. Die Medienstrategien und Taktiken haben den Wahlkampf mehr geprägt als
die Politik selbst. Beispiele von Meta-Medienberichterstattungen zur Kommunikation und Werbung
in diesem Wahlkampf:
- Ein Heiseartikel
zeigt auf, dass die Rolle der sozialen Medien in Deutschland noch nicht so weit ist wie in den USA.
Ein paar Zitate aus diesem Artikel:
Charly Lehnert, Berater der Linken sagt,
es führt kein Weg an der Nutzung der vom Internet gebotenen Techniken vorbei.
Man dürfe dort aber "keine Spielwiesen und Schwatzbuden aufmachen".
Das Menschliche gehe vor das Virtuelle. Einem "guten Schiff mit einem guten Kapitän" könne
Werbung im Netz und offline aber "Wind in die Segel blasen".
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Harald Walter aus der Bundesgeschäftsstelle der CDU meint,
die Obama-Kampagne sei aber "nur in Ansätzen auf Deutschland übertragbar.
Seine Partei nutze ihre Community-Seite als "Startrampe", von wo aus
Kampagnenmitstreiter mit Parteipositionen ausgerüstet und dann zu Facebook, StudiVZ oder
Blogs "rausgeschickt" werden. Die eigene Plattform sei "bewusst unattraktiv" gehalten.
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Thomas Scheffler aus dem Wahlkampfteam der FDP will
von einer reinen "Bespassungsplattform" Internet nichts wissen, obwohl es
bei den Liberalen im Online-Wahlkampf keineswegs bierernst zugehe.
Vielmehr soll damit die Offline-Welt Kampagne "verlängert" werden.
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Andreas Schulze, Online-Stratege der Grünen,
sieht den grössten Vorteil des Internets darin,
"organisatorischen Rückstand der kleinen Parteien gegenüber
der grossen zu verkürzen.
Facebook erlaube es den Chefs selbst, ohne PR Helfer, ihre Kurzbotschaften auszusenden.
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- Heise
kommentierte auch den letzten Werbepush der Parteien:
Angela Merkel hat ihr "teAM Deutschland" zu einer "72-Stunden-Kampagne" aufgerufen:
so wurden Frühstückspakete an hungrige Passanten in der Berliner Friedrichstrasse verteilt.
Merkel konnte auch eine Flashmob Aktion erfolgreich kontern:
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Die Grünen bleiben "3 Tage wach" um
bis zum Schliessen der Wahllokale "nonstop Rede und Antwort zu allen Fragen rund um grüne
Politik" zu stehen. Etwa 200 Kandidaten, Abgeordnete und Experten sollen an der Aktion, die in der
Bundesgeschäftsstelle der Partei angesiedelt ist und per Live-Stream
verfolgt werden kann, beteiligt sein.
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Die FDP will in der letzte heisse Phase 3.5 Millionen E-Mails sowie fast eine halbe Million
SMS-Kurznachrichten verschicken. Eine Sprühschablone für den
"48-Stunden-Wahlkampf" hat die Linke in ihrem "Aktiv-Blog" zum Download
bereitgestellt und mobilisiert mit einem Video ihre Anhänger zum
"selbstbewussten" Flagge-Zeigen im öffentlichen Raum.
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Ein anonymer PR-Stratege der SPD schrieb in einem Artikel
No, we can't zum Online-Wahlkampf
der Genossen: "Ein bisschen Web 2.0 gibt es genauso wenig
wie ein bisschen schwanger". Er kritisierte Bürokratie in der Zentrale der Sozialdemokraten.
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Noch ist nicht klar, ob das Internet "wahlentscheidend" und "Allheilmittel gegen Wahlmüdigkeit" ist
oder wenig relevant sei für Politik ist.
- Der Spiegel
berichtet über die Fehlende Wissenschaftsdiskussion im Wahlkampf.
Im Wahlkampf ignorierten die Parteien die brisante Themen.
Im Merkel-Steinmeier Rededuell fiel das Wort "Klimawandel" kein
einziges Mal. Erst nach einer Stunde erwähnte Merkel "Forschung" und "Bildung" erstmals.
Steinmeier sparte sie gänzlich aus. Auch die Duell-Moderatoren wollten offenbar nichts
hören vom Kampf gegen den Klimawandel, der Zukunft der Genforschung,
der Verbreitung von Atomwaffen und der Innovationskraft Deutschlands -
sondern lieber wissen, ob Merkel und Steinmeier die Preispolitik der
Berliner Friseursalons kennen.
Wissenschaftler betrachten das mit Sorge: Bleibt die öffentliche
Debatte über Forschung, Innovationen und Technologien aus, "drohen
schwere Fehlentscheidungen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit und
unsere Sicherheit gefährden könnten", warnt etwa Hans-Jörg
Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
"Alle Politiker sagen irgendwie, Forschung und Bildung seien wichtig",
beklagt Fraunhofer-Präsident Bullinger. "Aber im Wahlkampf war
das kein Thema." Ähnlich sieht das Hans Joachim Schellnhuber,
Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und einer der
Top-Umweltberater der Bundesregierung: "Jeder spricht von Innovationen,
aber die müssen auch irgendwo herkommen. Diese Verbindung wird oft
nicht gezogen."
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