Mit neuem Wind und neuen Ideen wollte Bundesrätin Leuthard
Nägel mit Köpfen machen. Im eigenen Departement plante sie,
den Vaterschaftsurlaub zu verlängern ( war ein ungewöhnlicher
progressiver Vorstoss). Die Steuerprivilegien der reichen Ausländer
wollte sie abschaffen. Sie sprach sich im Fernsehen offen gegen die
heutige Regelung aus.
Erstaunlich: Fast von allen Seiten blies der frischgebackenen Magistratin
unverhofft der Wind ins Gesicht. Der Medienspiegel vom 10. Januar 07
veranschaulicht dies:
SF DRS: Bundesrat pfeift Doris Leuthard zurückAlleingang in Sachen Vaterschaftsurlaub nicht erwünscht Der
Bundesrat hat Doris Leuthard in Sachen Vaterschaftsurlaub im EVD
zurückgepfiffen. Er will eine einheitliche Regelung für die
gesamte Bundesverwaltung, um keinen unerwünschten internen Wettbewerb
aufkommen zu lassen.
Zap.zisch.ch: Doris Leuthard sticht mit Äusserungen ins WespennestBundesrätin Doris Leuthard findet Steuerprivilegien für reiche
Ausländer in der Schweiz ungerecht. Mit dieser Äusserung in einer Sendung des
Westschweizer Fernsehens TSR stach sie ins Wespennest.
SF Tagesschau: Leuthard sticht in ein WespennestUngerechte Steuerprivilegien für Ausländer Wirtschaftsministerin
Doris Leuthard wehrt sich gegen die günstige Pauschalbesteuerung
reicher Ausländer. Es sei diskriminierend, wenn gleich hohe
Einkommen von Schweizern und Ausländern unterschiedlich besteuert
würden. Für diese Kritik erhält Leuthard nur von links
Applaus.
NZZ online: Leuthard sorgt für WirbelÄusserungen über Pauschalbesteuerung von reichen Ausländern
in der Kritik.
Bundesrätin Leuthard hat mit ihren Äusserungen zu
Steuerabkommen mit reichen Ausländern eine heftige Debatte
ausgelöst. Während die Linke applaudiert, gibt es von
bürgerlichen Parteien Kritik. Auch der Gesamtbundesrat widersprach
Leuthard.
Basler Zeitung: Pauschalbesteuerung reicher Ausländer bleibtDer Bundesrat will nicht von der Möglichkeit der Pauschalbesteuerung
für reiche Ausländer abrücken und hat Doris Leuthard eine Absage
erteilt. Die auf ganz besondere Fälle ausgerichtete Aufwand- oder
Pauschalbesteuerung werde vom Gesamtbundesrat befürwortet, gab
Bundesratssprecher Oswald Sigg am Mittwoch nach der Regierungssitzung
bekannt. Er erinnerte daran, dass der Bundesrat diese Haltung auch in
den Antworten auf mehrere parlamentarische Vorstösse zum Ausdruck
gebracht habe.
NZZ: Leuthards Sturz auf fiskalischem Eis Leuthards Lehrgeld, Wirtschaftsministerin Leuthard wird vom Bundesrat gestoppt.
20 Min: Doppelte Niederlage für Leuthard
Tagi: Doris Leuthard gebremst. Eine eiskalte DuscheBlick: Ohrfeige für Leuthard
Weshalb ist Leuthard im Bundesrat so harsch abgeblitzt? Was der Grund für das
enorme Medienecho?
Das mutige Vorpreschen der neuen Bundesrätin weckt bekanntlich
auch Ängste und Neider bei der Konkurrenz. Für die Medien hat die
jüngste Bundesrätin etwas gemacht, das für die Medien
aussergewöhnlich war. Die Vorstösse und die mutigen Aktionen
erfüllten alle Voraussetzungen für eine Mediengeschichte:
Der Alleingang der neuen Bundesrätin war aussergewöhnlich
und entspricht nicht der Norm. Die "Geschichte" lässt sich an
einer medientauglichen Politikerin personifizieren. Dann spielen sicher
auch psychologisch Aspekte mit ein Rolle. Dank der überraschenden
Ablehnung konnten einer erfolgreichen Politikerin die Flügel gestutzt
werden (Konkurrenzangst, Disziplinierung: "Wir sorgen schon dafür,
dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen!")
Vielleicht hatte Doris Leuthard im welschen Fernsehen zu wenig
berücksichtigt, dass ihre locker vorgebrachten Ideen und Absichten
und Worte auch in der deutschen Schweiz sofort interpretiert werden.
Wir fragen uns, ob die Bundesrätin nicht doch zu sehr im Alleingang
operiert hatte - ohne volle Rückendeckung der eigenen Partei.
Die bekannte Politologin Regula Stämpfli schreibt:
"Dass Doris Leuthard in Sachen Teilzeit vom Bundesrat
zurückgepfiffen wurde, ist schade. Der Bundesrat hat wirklich
andere Probleme als Zurechtweisungen im Gremium vorzunehmen und die
erst noch öffentlich zu machen. Doris Leuthard hat aber mit ihrem Auftritt
überzeugt, sie hat sich rechtlich und politisch in dieser Frage
abgesichert und eigentlich steht der Bundesrat etwas schräg in
der Landschaft.
Etwas anders sieht es mit der Pauschalbesteuerung aus, da hat D.L wohl
ungewollt in ein Wespennest gestochen. Doch man muss ihre Aussage
hören und den Kontext sehen. Es war in einer welschen Sendung,
in Frankreich steht die Schweiz in einem ganz schlechten Licht, auch
Deutschland ist schweizferner als auch schon und da wollte D.L. sicher
vermitteln mit der durchaus faktenrichtigen Aussage, dass Schweizer
gegenüber Ausländern massiv diskriminiert werden. Dass jetzt so
ein Kommunikationswirrwarr passiert, schadet aber vor allem dem Gremium
als solchen und nicht Doris Leuthard. Die Zeitungen und Journalisten
irren da, denn Sie haben eines nicht bemerkt, was Marcus Knill immer
wieder klar analysiert: Wenn Inhalt und Botschaft authentisch sind und
stimmen, dann kommt auch die Message gut an, selbst wenn es viele Gegner
gibt. Und das ist bei Doris Leuthard und ihrer Politik durchaus der Fall.
Kommentar:
Uns fiel nach der Wahl auf, dass die frischgewählte Bundesrätin
an der 1. Augustfeier damals bewusst auf konkrete Visionen verzichtet
hatte. Könnte es nicht auch sein, dass
Doris Leuthard nach der Phase der starkten Zurückhaltung heute
bewusst proaktiv reagieren wollte, damit man ihr nicht vorwerfen dann, sie
sei farblos? Diese These wird durch die jüngste zusätzliche
Verlautbarung zu den übersetzten Managerlöhnen erneut
gestützt (auch noch nach de Medienwirbel).
Es ist durchaus denkbar, dass die kalte Dusche der zweiten Frau im
Bundesrat einen Mitleideffekt hervorruft und für die Kritiker
langfristig kontraproduktiv ist.
Quelle: SN vom 12.1.07
Nachtrag vom 12. Januar: Ansicht von Politologen
Nach Ansicht von Politologen verstanden es Blocher wie Leuthard sich mit
ihren geschickten, billanten, Schachzügen zu profilieren. Die
Vorstösse seien bewusst inszeniert worden. Leuthard wie Blocher
sind Zugpferde und Aushängeschilder ihrer Partei. Christoph Blocher
handelte identisch, als er während der Türkeireise mit seinem
Vorstoss gegen die Rassismus-Strafnorm agiert hatte. Die Aktionen von
Blocher und von Leuthard sind durch die Medien nur verstärkt
worden. Die Medien personalisieren heute die Politik.
Für Ladner sind Bundesräte hilfreiche Wahlkämpfer, was jedoch
für die Kollegialität im Bundesrat nicht förderlich sei.
Nachtrag vom 13. Januar, 2006: Der Fehler lag nicht beim Personalamt
Der Tagesanzeiger vom 13. Januar 2007 lässt wissen, dass die Aussage Leuthards
nicht so stimmt, wie sie es nach dem Medienwirbel wiederholt verlauten
liess. Sie sagte immer, das Personalamt habe ihr grünes Licht
gegeben für die Verlängerung des Vaterschafturlaubes. Nun kann
schriftlich belegt werden, dass das Personalamt in ihrem Schreiben nur die
Tele- und die Teilzeitarbeit, sowie das Jobsharing und die Kinderbetreuung
abgesegnet hatte. Vom verlängerten Vaterschaftsurlaub jedoch
nichts geschrieben wurde. Somit hat die Bundesrätin doch noch
einen Erklärungsbedarf.
Sonntagszeitung vom 14. Januar 2007
Nachtrag vom 14. Januar 2007: Widersprüchliche Aussagen untergraben
die Glaubwürdigkeit
Die Sonntagszeitung belegt mit veröffentlichten Mails des
Sprechers der Bundesrätin, dass Sie sich auch bei Pauschalsteuerung
widersprochen hatte.
Wenn eine Politikerin eindeutige Aussagen macht, nachher die Aussage
mit "kann" Formulierung plötzlich abschwächt. Wenn sie einmal
für etwas, dann dagegen und hernach nochmals wieder dafür ist,
so schadet dies der Glaubwürdigkeit. Die letzten Geschichten
zeigen, dass sich die junge populäre Bundesrätin bemüht,
bei populären Themen sofort aufzuspringen und nachher die Aussage
zu relativieren, zurückzunehmen oder sogar zu ändern.
Erkenntis: Mit Windfahnenpolitik schadet sich jeder Politiker.