Dies ist eine Fortsetzung eines früheren
Artikels über eine Schaffhauser Lokalgeschichte. Dieser Nachtrag
beleuchtet die Sachverhalte genauer, und von verschiedenen Seiten.
Im ersten Teil hatten wir geschildert,
wie der Schaffhauser Zuckerbäcker Christian Köhler
angeblich von Beat Toniolo hinters Licht geführt
worden war. Nach dem Erscheinen eines
für ihn eher unerfreulichen Artikels von
Thomas Knellwolf im "Tagesanzeiger", war es verständlich,
dass er als Geschäftsmann nicht mehr bereit war, die
Plakatgeschichte aus seiner Sicht richtigzustellen.
Tagesanzeiger Artikel
Zur Recherche Christian Köhler
Die Abklärungen beim Zuckerbäcker machten deutlich, dass
der Journalist des Tagesanzeigers einen Artikel ohne Autorisierung
der Aussagen Köhlers (sie stammten aus einem Gespräch am
Telefon) veröffentlichte. Nach Aussage Christian Köhlers war
Journalist Thomas Knellwolf bereit, sich in Schaffhausen seine Ansicht
anzuhören im Zusammenhang mit dem vorgesehen Artikel. Es wurde ein
Gesprächstermin vereinbart. Köhler ging davon aus, dass er
nach dem offiziellen Gespräch, das vorgesehen war, seine Aussagen
gegenlesen könne. Vor dem geplanten Treffen mailte der Journalist, er
habe eine Grippe und könne nicht nach Schaffhausen kommen. Hierauf
wurde der Boykottbeitrag (für Köhler überraschend,
ohne dass er seine Sicht der Dinge darlegen konnte) publiziert. Im
Artikel erschienen unter anderem Aussagen, die der Geschäftsmann
im Telefongespräch auf Nachfrage beantwortet hatte:
- Dass er den Betrag von 5000.-- Fr. (trotz Irreführung) zahlen
werde.
- Dass er auch das provokative Fröntlerplakat hängen
lassen werde.
Köhler war enttäuscht, dass darauf ein Beitrag ohne seine
Autorisierung publiziert wurde. Christian Köhler wertete dieses
Telefongespräch als Vorgespräch.
Kommentar zur Wirkung des Artikels für Schnellleser:
Der Artikel suggeriert für uns inhaltlich - mit der Aussagen Boykott
und dem fettgedruckten Begriff im Zwischentitel "Hirschhorneffekt" -
es gehe vor allem um Boykott und die Geschichte habe etwas mit der
Hirschhorngeschichte zu tun. Wer dann den Beitrag genau liest, stellt
fest: Lediglich die Lokalitäten für eine Veranstaltung lehnte
Köhler ab. Obschon weder Sponsorenbetrag, noch Plakat boykottiert
worden waren, dominieren aber im Titel für Schnellleser die Worte
BOykott Knellwolfs Zwischentitel "Hirschhorn-Effekt" bezieht sich auch nur
auf ein Zitat von Ralf Schlatter. Doch werden mit dem Herausheben des Wortes im
Zwischentitel Parallelen zur Hirschhorngeschichte suggeriert. Bei einem
"Hirschhorneffekt" hätte jedoch der Künstler boykottiert
werden müssen. Beim Crèmeschnitten-Boykott
ging auch nur um den Zuckerbäcker (weil angeblich weniger
Crèmeschnitten gekauft wurden) und bei den
Crèmeschnitten geht es nicht um boykottierte Künstler
(wie bei der
Hirschhorngeschichte) Schlatteres Hirschhorneffekt
(fettgedruckter Zwischentitel) ist für uns irretierend. Bei
der
Hirschhorngeschichte wurden nämlich nachträglich
Kulturgelder gekürzt. Auslöser war damals eine Aktion,
bei der das Bild Blochersangepisst wurde (künstlerischer Akt?).
Falls die Stadt oder der Kanton Schaffhausen nach Toniolos
Projekt Ausgaben für die Kultur gekürzt hätten,
dann könnten wir beim umstritten Plakat von einem
Hirschhorneffekt reden.
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Uns geht es jedoch bei dieser Analyse nur am Rande um inhaltliche Fragen
der Titelgebung oder die Wirkung eines Zischentiteles. Wir wollten einmal
genau klären, wer welchen Sachverhalt wie sieht. Uns interessierte
vor allem die Sicht des Journalisten und die Sicht des Künstlers. Diese
Recherchen waren spannend und haben sich gewiss gelohnt:
Recherche Knellwolf
Thomas Knellwolf konnte nachweisen, dass er seine journalistische
Sorgfaltspflicht erfüllt hatte und belegte uns, dass er nach zu
einem nachtäglich vereinbarten Termin (beim ersten Treffen war
er krank) sogar nochmals ein Treffen im Geschäft vereinbart
hatte. Christian Köhler war aber beim zweiten Termin nicht mehr
anwesend. Deshalb hatte Knellwolf Köhler jene Zitate gemailt,
die er zu verwenden gedachte. Damit fühlte sich der Journalist
abgesichert. Nach Thomas Knellwolf war das Telefongespräch auch kein
Vorgespräch. (Die Geschichte hat für uns somit nur noch einen
Schönheitsfehler: Die Autorisierung hätte Thomas Knellwolf nach
der Zustellung der Zitate doch noch einholen sollen. Mündlich oder
schriftlich.)
Was auch noch erwähnenswert ist: Die Sachverhalte
(z.B. die Höhe des Sponsorenbetrages) kannte Knellwolf bereits aus
andereren Quellen. Er fragte Köhler nur noch am Telefon, ob er
diesen Betrag bezahlen werde oder nicht und, wie lange er das Plakat
hängen lassen werde. Wir vermuten, dass Christian Köhler
überrascht wurde, als er am Telefon gemerkt hatte, dass der
Journalist die Summe bereits kannte. Thomas Knellwolf machte uns noch
darauf aufmerksam, dass er vor allem Aussagen Köhlers zitiert
habe, die bereits früher in der lokalen Presse publiziert worden
waren.
Erkenntnis: Christian Köhler ist nach unserem Dafürhalten
kein Medienopfer, er kannte nur die Spielregeln der Medien nicht.
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Einmal mehr zeigt sich: Wer den Umgang mit Journalisten nicht beherrscht,
kann böse Überraschungen erleben. Köhler hatte es leider
versäumt, vor dem Gespräch mit dem Journalisten zu
sagen, dass seine Antworten im Vorgespräch
als "Off the record" zu behandeln sind. (Als "Off the record"
vereinbarte Aussagen dürften nicht publiziert werden).
Christian Köhler machte einen klassischen Fehler:
In einem Vorgespräch beantwortete er Fragen! Er hätte darauf
beharren müssen, erst im persönlichen Interview Fragen zu
beantworten. Christian Köhlers Image hat nach unseren Umfragen aber
kaum gelitten. Im Gegenteil: Dank seiner grosszügigen Geste (er
boykottierte das Projekt nicht) punktete er. Wenn sich jemand trotz
angeblicher Irreführung grossmütig zeigt, so wird dies von
der Öffentlichkeit meist honoriert.
Geschäftsmann Köhler war aus unserer Sicht gut beraten, trotz
seiner Enttäuschung, auf eine öffentliche Auseinandersetzung
in der Presse zu verzichten und keine Repliken oder Richtigstellungen
zu publizierten. Wer provoziert profitiert bekanntlich auch von
Negativschlagzeilen. Diese Auseinandersetzung machte uns einmal mehr
bewusst, dass Medien die Macht der Auswahl haben.
Das Mitleid mit einem Zuckerbäcker, der zwei Mal über den Tisch
gezogen wurde, schien nachvollziehbar: Einmal von einem sogenannten
Politkünstler, der mit gezinkten Karten gespielt haben soll,
und auch noch von einem Journalisten, der sich angeblich nicht an das
mündliche Versprechen gehalten hat, den Beitrag erst nach dem
Gespräch zu veröffentlichen.
Recherche Toniolo
Es fehlte uns nur noch die Stellungsnahme des beschuldigten
Künstlers. Wir wollten wissen: Wie sehen Sie den Sachverhalt?
Beat Toniolo gab uns folgende aufschlussreiche
telefonischen Stellungsnahme:
"Es ist mir wichtig, folgenden wahrheitsgetreuen Ablauf des Projektes
zu bestätigen: Jeder beteiligte Sponsor (Manor, Kirche St Johann,
Confiserie Rohr) wurde frühzeitig d.h. Im Februar im Detail
über die Autoren informiert. In den Dienstleistungen, welche
bei allen Sponsoren korrekt durchgeführt worden sind, beinhaltete
Folgendes:
- Das Netzvinyl mit den historischen Bildern und den Textpassagen
der Autoren (wurde am 14. Juli zugestellt).
- Die Autorenlesung wurden mit Erfolg durchgeführt.
- Eine limitierte Anzahl von Buchmappen wurden hergestellt."
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Fazit
Nach diesen unterschiedlichen Sichten erahnen wir, wie schwer es auch
für Journalisten ist, sich der Wahrheit anzunähern.
Im Umgang mit Medien lohnt es sich, wichtige Vereinbarungen
schriftlich festzulegen. Besonders gefährlich ist es, im
Vorgespräch aussagekräftige oder neue Informationen zu
liefern. Fragen dürfen in Vorgesprächen noch nicht beantwortete
werden, es sei denn man habe ein "off the record" vereinbart.
Obwohl dies nur eine kleine Mediengeschichte aus der Provinz ist,
lässt sich einiges daraus lernen. Die Geschichte macht
bewusst, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig mit den Phänomenen
"Kommunikation und Medien" auseinanderzusetzen.
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