Rhetorik.ch


Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com

www.rhetorik.ch aktuell: (1. Juni, 2005)

Wort und Bildwirkung bei Schengenplakaten



Immer wieder die nämliche Geschichte: Jemand ärgert sich bei einer Kampagne über eine Plakatwerbung oder über ein Bild, das Leute "negativ" beeinflusst. Das beanstandete Plakat wird dann meist in einem ausführlichen Wortbeitrag kritisiert und ausführlich begründet, weshalb das Plakat nicht den Tatsachen entspricht. Im Beitrag wir meist das fragwürdige Bild nochmals abgebildet. Der Kritiker glaubt, mit dem Artikel könne das irreführende Plakat gleichsam neutralisiert werden. Er geht davon aus, dass das Publikum dank der "Entlarvung" die Manipulation erkennt. In der Praxis zeigt sich, dass der oberflächliche Leser das "gebrandmarkte" Inserat trotz Berichtigung nochmals sieht und er damit unbewusst beeinflusst wird. Das Plakat - wenngleich kritisch beleuchtet - wirkt mit seiner Kernbotschaft und den unbewussten mentalen Bildern. Es sind innere Bilder und Emotionen, die ein professioneller Werber beim Betrachter gezielt wecken will. Die nochmalige Abbildung des schlechten Beispieles wird somit zu einer Gratispropaganda der Gegenseite. Ein Plakat das nochmals kostenlos veröffentlicht wird, wird von Tausenden von Leuten erneut betrachtet (Wiederholungseffekt). Die bildahft Kernaussage bewirkt bei den Lesern mehr als lange abstrakte Artikel. Die meisten oberflächlichen Leser lesen erfahrungsgemäss nur das farbige, aussagekräftige Plakat genau und überfliegen vielleicht noch den Wortbeitrag. Wir haben dieses Phänomen bereits in verschiedenen Beiträgen erläutert:



Im Zusammenhang mit der Schengen Abstimmung wurde nun in der 'Sonntags Zeitung' vom 29. Mai 2005 eine neue Plakatserie der Schengengegner analysiert und kritisiert: Es wurde beanstandet, dass die Plakate objektiv falsche Behauptungen enthalten.

Zur Veranschaulichung wurde im Beitrag das beanstandete Plakat nochmals - und für die Gegner gratis - gross abgebildet. Wir zweifeln daran, dass mit dem ausführlichen Wortbeitrag die Aussage des Plakates neutralisiert werden konnte. Wir gehen davon aus, dass Tausende von Lesern vor allem die Kernaussage der raffinierten Werbeaktion aufgenommen haben, trotz des kritischen Textes. Das Plakat sagt eindeutig und verständlich dass EU-Kommissionsmitglieder sich freuen würden, künftig auf die Schweiz Einfluss nehmen zu können. Bei diesem Plakat geht es nicht nur um den Vergleich der Wirkung trockener Wortaussagen einerseits und bunter Bildsprache anderseits. Das Anti-Schengen Plakat selbst ist im Grunde genommen ebenfalls wortlastig. Bei den letzten Anti-Schengenplakaten dominierten die abschreckenden Bilder. Bei einem Zollübergang nahe von Schaffhausen wurde auch ein fast wortloses Mittel eingesetzt: man sieht beim Grenzübergang ein Trojanisches Pferd. Dennoch beeinflusst das jüngste Plakat. Es löst vor allem innere Bilder und Emotionen aus und die einfache grossgeschriebene Behauptung ist gekoppelt mit der Grossaufnahme einer EU-Politikerin, die offensichtlich schadenfreudig "über die Schweizer Grenze schaut.

Einmal mehr stellen wir fest: Wer es versteht, Wort und Bild zu koppeln, beeinflusst am nachhaltigsten.


Die Psychoanlytikerin Virginia Satir (1916-1988) stellte einmal treffend fest:

"Worte haben keine Energie, solange sie nicht ein Bild auslösen. Das Wort an sich bedeutet nicht, rein gar nichts. Etwas, was ich immer im Auge behalte, ist: Welches sind die Worte bei den Menschen, die Bilder auslösen? Denn die Menschen folgen dem Gefühl des Bildes."


Kommentar: Umfragen haben ergeben, dass das Schengenabkommen vom Schweizervolk angenommen wird. Es ist durchaus denkbar, dass die letzten Verunsicherungsgefechte dazu beitragen können, die Neinstimmenzahl zu erhöhen und die Abstimmung zur Zitterpartie werden könnte.


Nachtrag vom 5. Juni: Mehrheit für Schengen Abkommen

Tatsächlich wurde die Abstimmung wie vermutet noch zu einer Zitterpartie. Die letzten Umfragen die alle eine deutliche Annahme prognostiziert hatten, bewahrheiteten sich nicht. Stundenlang blieb das Resultat offen. Hätte das Ständemehr gezählt, wäre die Abstimmung abgelehnt worden, Im Laufe des Nachmittags zeigten dann die Hochrechnungen, dass eine relativ knappe Mehrheit für das Schengen-Abkommen gestimmt hat. Swissinfo schrieb am abend vom 6. Juni: "Die Zitterpartie endete mit klarem Resultat. Bei einem Ja-Anteil von 54.6% kann von einem klaren Sieg der Befürworter von Schengen/Dublin gesprochen werden. Mit 55,9% Stimmbeteiligung war bei dieser Abstimmung eine überdurchschnittliche Mobilisierung festzustellen, wie allgemein bei aussenpolitischen Themen. Knapper dürfte es im September werden, wenn die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung an die Urne kommt."




Rhetorik.ch
1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com