Immer wieder die nämliche Geschichte: Jemand ärgert sich bei
einer Kampagne über eine Plakatwerbung oder über ein Bild, das Leute
"negativ" beeinflusst. Das beanstandete Plakat wird dann meist
in einem ausführlichen Wortbeitrag kritisiert und ausführlich
begründet, weshalb das Plakat nicht den Tatsachen entspricht. Im
Beitrag wir meist das fragwürdige Bild nochmals abgebildet.
Der Kritiker glaubt, mit dem Artikel könne das irreführende
Plakat gleichsam neutralisiert werden. Er geht davon aus, dass das
Publikum dank der "Entlarvung" die Manipulation erkennt. In der Praxis
zeigt sich, dass der oberflächliche Leser das "gebrandmarkte"
Inserat trotz Berichtigung nochmals sieht und er damit unbewusst
beeinflusst wird. Das Plakat - wenngleich kritisch beleuchtet -
wirkt mit seiner Kernbotschaft und den unbewussten mentalen Bildern. Es
sind innere Bilder und Emotionen, die ein professioneller Werber beim
Betrachter gezielt wecken will. Die nochmalige Abbildung des schlechten
Beispieles wird somit zu einer Gratispropaganda der Gegenseite. Ein Plakat
das nochmals kostenlos veröffentlicht wird, wird von Tausenden von
Leuten erneut betrachtet (Wiederholungseffekt). Die bildahft Kernaussage
bewirkt bei den Lesern mehr als lange abstrakte Artikel. Die meisten
oberflächlichen Leser lesen erfahrungsgemäss nur das farbige,
aussagekräftige Plakat genau und überfliegen vielleicht noch
den Wortbeitrag. Wir haben dieses Phänomen bereits in verschiedenen
Beiträgen erläutert:
Im Zusammenhang mit der Schengen Abstimmung wurde nun in der
'Sonntags Zeitung' vom 29. Mai 2005 eine neue Plakatserie der
Schengengegner analysiert und kritisiert: Es wurde beanstandet,
dass die Plakate objektiv falsche Behauptungen enthalten.
Zur Veranschaulichung wurde im Beitrag das beanstandete Plakat nochmals
- und für die Gegner gratis - gross abgebildet.
Wir zweifeln daran, dass mit dem ausführlichen Wortbeitrag die
Aussage des Plakates neutralisiert werden konnte. Wir gehen davon aus,
dass Tausende von Lesern vor allem die Kernaussage der raffinierten
Werbeaktion aufgenommen haben, trotz des kritischen Textes. Das Plakat
sagt eindeutig und verständlich
dass EU-Kommissionsmitglieder sich freuen würden,
künftig auf die Schweiz Einfluss nehmen zu können.
Bei diesem Plakat geht es nicht nur um den Vergleich der Wirkung
trockener Wortaussagen einerseits und bunter Bildsprache anderseits. Das
Anti-Schengen Plakat selbst ist im Grunde genommen ebenfalls
wortlastig.
Bei den letzten Anti-Schengenplakaten
dominierten die abschreckenden Bilder. Bei einem Zollübergang nahe
von Schaffhausen wurde auch ein fast wortloses Mittel eingesetzt:
man sieht beim Grenzübergang ein Trojanisches Pferd.
Dennoch beeinflusst das jüngste Plakat. Es löst vor
allem innere Bilder und Emotionen aus und die einfache
grossgeschriebene Behauptung ist gekoppelt mit der Grossaufnahme
einer EU-Politikerin, die offensichtlich schadenfreudig "über die
Schweizer Grenze schaut.
Einmal mehr stellen wir fest: Wer es versteht, Wort und Bild zu koppeln,
beeinflusst am nachhaltigsten.
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Die Psychoanlytikerin Virginia Satir (1916-1988)
stellte einmal treffend fest:
"Worte haben keine Energie, solange sie nicht ein Bild auslösen. Das
Wort an sich bedeutet nicht, rein gar nichts. Etwas, was ich immer im
Auge behalte, ist: Welches sind die Worte bei den Menschen, die Bilder
auslösen? Denn die Menschen folgen dem Gefühl des Bildes."
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Kommentar: Umfragen haben ergeben, dass das Schengenabkommen vom
Schweizervolk angenommen wird. Es ist durchaus denkbar, dass die letzten
Verunsicherungsgefechte dazu beitragen können, die Neinstimmenzahl
zu erhöhen und die Abstimmung zur Zitterpartie werden könnte.
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Nachtrag vom 5. Juni: Mehrheit für Schengen Abkommen
Tatsächlich wurde die Abstimmung wie vermutet noch zu einer
Zitterpartie. Die letzten Umfragen die alle eine deutliche Annahme
prognostiziert hatten, bewahrheiteten sich nicht. Stundenlang blieb das
Resultat offen. Hätte das Ständemehr gezählt, wäre
die Abstimmung abgelehnt worden, Im Laufe des Nachmittags zeigten dann
die Hochrechnungen, dass eine relativ knappe Mehrheit für
das Schengen-Abkommen gestimmt hat. Swissinfo schrieb am abend vom 6. Juni:
"Die Zitterpartie endete mit klarem Resultat. Bei einem Ja-Anteil von 54.6%
kann von einem klaren Sieg der Befürworter von Schengen/Dublin
gesprochen werden. Mit 55,9% Stimmbeteiligung war bei dieser Abstimmung eine
überdurchschnittliche Mobilisierung festzustellen, wie allgemein
bei aussenpolitischen Themen. Knapper dürfte es im September werden,
wenn die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit im Zusammenhang mit
der EU-Osterweiterung an die Urne kommt."
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