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Video in der Ausbildung


von Marcus Knill

mit einem Anhang von O.R. Meseck

Die audiovisuellen Ausbildungshilfen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Vor allem die Ausbildung mit Video fand dank handlichen Kameras in verschiedensten Bereichen Einzug. Im Sport, im zivilen Bereich wie in der Kaderschulung, oder Erwachsenenbildung erkannten Ausbildungsverantwortliche die Stärken des fachgerechten Einsatzes des Hilfsmittels Video. Video ermöglicht lebendiges und praktisches Lernen. Es kann zu Veranschaulichungs- und Demonstrationszwecken eingesetzt werden.

Bei den verschiedenen Aufarbeitungsverfahren mit Video unterscheiden wir:
  • Das Feedbackverfahren mit einer ein- oder mehrmalige Wiedergabe des Videoprozesses.
  • Das produktorientierte Verfahren, wo das Endprodukt Produkt ein Film oder Filmdokument ist.
Technische Vorkenntnisse als Voraussetzung zum Videoeinsatz sind minimal. Trotzdem ergeben sich vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. Die nachfolgenden Ausführungen klammern bewusst die Dokumentation und Überwachungsanwendungsbereiche aus. Der Beitrag beschränkt sich auf den Videoeinsatz in der Ausbildung im Bereich "Kommunikationstraining".


Ziel der Ausbildung mit Video

Ziel der "Ausbildung mit Video" ist es:
  • sich akzeptieren zu lernen; durch mehr Selbstvertrauen noch mehr Selbstsicherheit zu gewinnen;
  • eigene Schwächen selbst zu erkennen (Störfelder)
  • "blinde Flecken" dank fachgerechtem Feedback zu beleuchten (Informationsbarierre finden)
  • eigene Stärken sichtbar zu machen, sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen
  • lernen, sich ganz auf den Partner oder die Partnerin, den Adressaten oder den Informationsinhalt einzustellen.


Was bei der "Ausbildung mit Video" nicht sein darf.

  • Video soll nicht rezeptorientiert eingesetzt werden. Das heisst zum Beispiel, dass Gesten und Sprache nicht unnatürlich, fremdorientiert (gemäss Empfindung einer Person z.B. des Trainers) eingeübt werden sollten.
  • Dass jemand während der Informationsvermittlung oder während eines Kommunikationsvorganges an das "Wie'" denkt (Mache ich es recht?), sich ablenken lässt, statt sich voll auf das Thema und den oder die Informationsempfänger (den Rezipienten) einzustellen.
Die Anfangsphase von Videoexperimenten war zum Teil ein Misserfolg. Es gab Lehrer in der Ausbildung, die sich nach ersten Videoaufnahmen (z.B. bei Probelektionen) weigerten, je wieder vor die Kamera zu treten.
Weshalb? Statt Selbstvertrauen wurde die Angst gefördert. Nur deshalb, weil der Trainer, in diesem Fall war es der Didaktiklehrer, bei der Analyse (Selbstbeurteilung) und bei Feedbackgesprächen gewisse Regeln missachtet hatte.
In den nachfolgenden Ausführungen müssen wir uns deshalb vorab der Analyse und dem fachgerechten Feedback zuwenden.
Das theoretische Grundwissen scheint einfach, und wir müssen uns die Erfahrungen der ersten Lehr- und Wanderjahre bei der "Ausbildung mit Video" zu Nutzen machen.
Ende der achtziger Jahre setzten wir eine Arbeitsgruppe ein, um nach den ersten Experimenten mit Unterrichtseinheiten mit Video auch die Unterrichtshilfe Video einer Institution zu testen.
Schon damals zeigten die ersten Versuche: Der Vorteil der "Ausbildung mit Video" liegt darin, dass dank der beliebigen Wiederholbarkeit der Wiedergabe Fehler selbst erkannt und damit auch aus eigener Überzeugung verbessert werden. Der Kommunikationstrainer kann die Stärken, das Positive bewusst machen. Das Positive wird verstärkt. Ganzheitliches Lernen tritt an Stelle von unpersönlichem Lernen. Video als Ermutigungsschulung und Motivationsförderung. Daraus resultiert noch mehr Sicherheit. Dies führt letztlich zu mehr Freiheit im Auftreten (Unterrichtsgestaltung, Kommunikationsgeschehen). Mehr Lebendigkeit heisst mehr Beteiligung und damit zwangsläufig noch bessere Leistung.


Das Zentrale ist die Analyse der Videoaufzeichnung

Wird eine Aufnahme wiedergegeben und aufgearbeitet (ausgewertet), sprechen wir von Analyse. Bei der Aufnahme und beim Wiedergeben spielen die "Editierverfahren" eine wichtige Rolle.
Was heisst editeren? In der Filmsprache heisst editeren "verändern". Es kann editert werden mit der Einstellung, mit dem Zoom, auch gezielt mit der Auswahl d.h. mit Weglassen Schnitt, aber auch mit Detailaufnahmen, Geschwindigkeitsveränderungen wie Schnelllauf oder Zeitlupe.
Bevor wir uns der Analyse zuwernden, müssen einige Begriffe differenziert werden: Wir unterscheiden:
  • Die beobachtungsorientierte Interpretation Die Kamera ist fest eingestellt. Wir versuchen möglichst "objektiv" aufzunehmen und verhindern - so gut es geht - die Subjektivität.
  • Die interaktionsorientierte Interpretation Ergebnis der Aufnahme ist immer verbunden mit der Interaktion zwischen Beobachter und Beobachtetem.
Die beobachtungsorientierte Interpretation wird eher bei der Ausbildung angewendet, während die interaktionsorientierte Interpretation bei der Therapie und Psychoanalyse hilfreich ist.
Wer Videoaufnahmen mit Betroffenen bespricht, ist sich vielfach gar nicht bewusst, dass allein schon die "Konfrontation mit dem eigenen Abbild" Unterrichtseinheiten mit Video auch nachhaltige Gefühle auslöst und der Prozess der Selbstkonfrontation bereits eine Interaktion ist. Das "Sich-selbst-Sehen" erlaubt Zugeständnisse. Der Weg bis zu diesen Zugeständissen geht mit dem Hilfsmittel Video rascher über eine Fremdkontrolle, einem Kritiker. Die Schritte sind trotzdem recht komplex. Wer sich selbst am Video beobachtet, erlebt folgende Phasen:
  • Selbstkonfrontationsphase Der Betroffene beobachtet sich. Die Aufnahme wirkt auf ihn.
  • Bewusstwerdungsphase Der Inhalt der Aufnahme wird verarbeitet, wird dem Betroffenen bewusst.
  • Akzeptierungsphase Der Beobachter akzeptiert sich allmählich. Oft dauert es lange bis zu dieser Phase. (Viele Beobachter stört die eigene Stimme oder das eigene Aussehen.)
  • Zugeständnisphase Die Einsicht, Fehler zu verbessern, zeigt sich. Man will es besser machen. (Motivation ist echt).
Viele Ausbildner, die mit Video arbeiten, sind sich nicht bewusst, was die Selbstkonfrontation in einem Menschen alles auslösen kann, und spielen fahrlässig mit dem Video als Kontrollgerät.
Wer auf persönliche Erfahrung zurückblicken kann, wird bestätigen: Die Selbstkonfrontation macht betroffen. Es dauert oft Stunden, Tage, bis ein Kurstellnehmer sich wenigstens einigermassen akzeptiert. (Im Spiegel sieht man sich seit Kindheit stets seitenverkehrt. Die Stimme bei der Wiedergabe klingt fremd).
Eine zweite Feststellung: Die Zugeständnisphase wird schneller erreicht, wenn der Betroffene die genannten Vorstufen mehrmals durchgangen hat. Das heisst: Videotraining sollte kein einmaliger Prozess sein.
Die wichtigste Erkenntnis aus den erwähnten Vorbemerkungen im Bereich Analyse ist und bleibt:

Nur ausgebildete Fachleute sollten mit Analysen beauftragt werden.


Wer beispielsweise den Grundsatz nicht berücksichtigt, dass jeder Betroffene zuerst zum Wort kommen sollte, macht ebenfalls einen gravierenden Fehler. Weshalb?


Die Bedeutung der Selbstbeurteilung

Nach der Aufzeichnung einer Ausbildungssequenz mit Video (Referat, Instruktion, Gespräch usw.) erfolgt in der Regel die Analyse mit einem Trainer (Instruktor, Experten). Oft wird unmüttelbar nach dem Visionieren durch den Experten beurteilt und kritisiert. Empfehlungen werden abgegeben. Die Betroffenen kommen höchstens im Nachhinein zum Wort. Bei diesem Vorgehen rechtfertigen sich die Kritisierten meist und begründen ihr Verhalten.
Stellt hingegen ein Experte die Selbstbeurteilung an den Anfang der Analyse, macht er eine frappante Feststellung:
Erwachsene sind in der Regel sich selbst gegenüber sehr kritisch. Der Betroffene erkennt dank dem "Spiegel Video" die meisten Fehler von sich aus. Die sogenannten "blinden Flecken" werden erkannt. Rechtfertigungen bleiben aus.
Wer sich selbst beurteilen kann, bevor ihm andere Fehler an den Kopf werfen, stellt fest, dass ihm die Beteiligten rascher die positiven Feststellungen und die Stärken mitteilen. Das Erstaunliche ist: Man sieht sich meist schlechter, als es in Wirklichkeit ist.
Konkretes Beispiel: Jemand hat Angst. Er glaubt, er sei beim Referieren steckengeblieben, habe gezittert oder sich versprochen. Die Aufnahme bestätigt nun aber, dass die angeblichen Mängel am Bildschirm nicht sichtbar sind. Die Pause wirkte sogar wohltuend. "Die Zuhörer" und Mitbeobachter werten die innere Spannung als Engagement. Erkenntnis: Wer mit Video aufgenommen wird, muss unbedingt als erster zum Wort kommen. Folgender Ablauf hat sich bei der Analyse bewährt:
  1. Aufzeichnung der Sequenz mit Video
  2. Analyse der Aufnahme:
    • Sequenz visionieren
    • Selbstbeurteilung des Beteiligten
    • Feedback. Der Betroffene erkundigt sich über allfällige Mängel
    • Stärken festhalten
Wichtig: Es wird nur auf jene Störquellen eingetreten, die bei einer Vielzahl von Beobachtern beanstandet worden sind!

Ausbildungsanalysen dürfen nicht zu Pseudopsychoanalysen werden!


Weshalb ist es so wichtig, dass man beim Videotraining die Selbstbeurteilung und das Hervorheben der Stärken so stark unterstreicht?
Nur, derjenige, der weiss, welche kommunikativen Stärken er besitzt, macht raschere Fortschritte, wird noch mehr Erfolg haben. Um erfolgreich zu sein, muss man seine Stärken kennen.
Dank der Videotechnik erkennt der Beobachter allmählich seine positiven Seiten. Die Schwächen erlebt er mittelbar, ohne dass sie verstärkt werden müssen. Der Coacher weist höchstens noch auf allfällige blinde Flecken hin.
Diese Methode hat weder mit Schönfärberei zu tun, noch mit Überheblichkeit. Wir müssen unsere Stärken im Gespräch, bei Verhandlungen, beim Argumentieren oder bei einem Votum entdecken lernen. Damit entlasten wir uns von unnötigen Bedenken und Ängsten.
Will der Betroffene auf seine Schwächen eintreten, so weichen wir nicht aus. Wir gehen offen und ehrlich darauf ein und lügen nicht.
Eine Abstimmung bei den Mitbeobachtern kann mitunter zeigen, ob ein Diskussionspunkt als Störung aufgenommen worden ist oder nicht. Der Kommunikationstrainer erkundigt sich beispielsweise: "Für wen war die Sprache zu hektisch, zu schnell?" Falls mehr als die Hälfte die Sprechgeschwindigkeit als störend empfunden hat, müsste der Trainer darauf eingehen. Störte es hingegen nur einen kleinen Teil der Anwesenden, so lohnt es sich nicht, über diesen angeblichen Fehler lange zu reden. Im Gegenteil - der Betroffene erkennt: Ich sehe mich ja schlechter, als es in Wirklickeit ist.
Wie das Ablaufmüster einer Analyse zeigt, hat die Analyse mit der Selbstbeurteilung noch nicht sein Bewenden.
Es bedarf des Partners oder der Mitbeobachter. Erst am andern Menschen kann sich der Betroffene ganz entdecken. Das "Ich" ist stets auf das "Du" bezogen. Die Fremdbeobachtung gehört auch zur Analyse. Dank fachgerechten Feedbackübungen kann bei der Analyse zum Teil auch asoziales und deformiertes Kommunikationsverhalten langfristig überwunden werden. Oft sind die kommunikativen Kräfte lediglich durch Hemmungen blockiert, oder wurden noch nie entdeckt.
Fachgerechte Analyse heisst deshalb nicht zuletzt auch: Eigene kommunikative Stärken kennenlernen. Auch dies führt zu mehr Selbstvertrauen. Man wird für kommunikative Prozesse zusätzlich motiviert.


Die Bedeutung des Feedbacks in der Ausbildung mit Video

Erkundigt sich der Aufgenommene bei der Analyse nach den Eindrücken der Mitbeobachter, erhält er wertvolle Rückmeldungen.
Jeder ist auf Hinweise von aussen angewiesen. Als Auszubildender beteiligen wir Mitbeobachter. Informationsbarierren und Störfelder können nur durch eine Vielzahl von Informationsempfängern ermittelt werden. Ehrlichen Rückmeldungen zeigen, wenn jemand "angekommen" ist.
Feedback informiert eine Person darüber, wie ihre Verhaltensweise wargenommen, verstanden und erlebt worden ist.
Rückmeldungen sind eine wichtige Grundlage für unser weiteres Verhalten und sind insofern von grosser Bedeutung bei Kommunikationsvorgängen. Rückmeldungen fördern letztlich das positive Beziehungsklima.
Die Kunst der Rückmeldung besteht darin:
  • dass die Rückmeldung angenommen wird;
  • dass der Empfänger auch aus der Rückmeldung etwas über sich (sein Verhalten) erfährt.
Es geht nicht darum, zu sagen, was falsch ist, d.h. um Kritik im Sinne von negativen Rückmeldungen. Es je vielmehr Linie Kontrollfragen, Rückfragen, um persönliche Eindrücke. Erst die Summe der Eindrücke macht deutlich, was verbessert werden sollte. Es ist nicht einfach, Rückmeldungen angemessen und konstruktiv zu formulieren. Das muss gelernt werden. Dazu gibt es hilfreiche Grundregeln. Wer sie befolgt, merkt: Feedback hat nichts mit unehrlichem Beschönigen zu tun:


Regeln für den Feedbackgeber

  • Regel 1 Erwähnen Sie zuerst etwas, das Ihnen gefallen hat. Schildern Sie zuerst angenehme Empfindungen. Damit schaffen Sie eine gute Grundstimmung. Der Empfänger nimmt Unangenehmes williger auf. (Prinzip der "reziproken Affekte")
  • Regel 2 Eindrücke beschreiben, nicht interpretieren. In bezug auf Beobachtungen (objektives Feedback) oder hinsichtlich eigener Empfindungen beim Beobachten (subjektives Feedback). Nur wer genau beobachten und zuhören kann und sich genau an das hält, was wirklich geschieht, erfüllt die Voraussetzungen zu dieser Regel.
  • Regel 3 Klären Sie die Motive Ihres Feedbacks. Es lohnt sich die Frage: Warum sage ich dies? Was will ich erreichen? Oft stehen persönliche Wünsche und Bedürfnisse hinter der eigenen Aussage.
  • Regel 4 Prüfen Sie, ob das Feedback richtig ankommt und so verstanden wird, wie Sie es gemeint haben. Wie gerne beinflussen Missverständnisse und Emotionen die Interpretation von Rückmeldungen. Falls Sie das Gefühl haben, falsch verstanden worden zu sein, lassen Sie Ihre Aussage wiederholen.


Regeln für den Feedbackempfänger.

  • Regel 1 Bitten Sie die Mitbeobachter (Zuhörer) möglichst oft um ein Feedback. Nur durch Aussenstehende wird man sich der "blinden Flecken" bewusst. Aussenstehende können mit dazu beitragen, sich "objektiver" zu sehen.
  • Regel 2 Verteidigen Sie sich nicht sofort mit Rechtfertigungen, Begründungen und Argumenten. Fragen Sie vielmehr, wie der Feedbackgeber die Aussage gemeint hat. Versuchen Sie ihn zu verstehen.
    Dank der Nachfrage offenbart der Feedbackgeber unter Umständen die Motive, welche hinter seiner Aussage stecken. Zudem vermeiden Sie, dass die Lernmöglichkeit nicht sofort blockiert wird.
  • Regel 3 Wiederholen Sie die Rückmeldung! Die Überprüfung der Information zeigt, ob Sie richtig verstanden haben. Bei allfälliger Unklarheit bitten Sie um Konkretisierung.
  • Regel 4 Geben Sie Ihre Reaktion auf das Feedback bekannt. Damit klären Sie selbst Ihre Reaktion auf das Feedback und schaffen ein offenes Klima. Sagen Sie, wenn Sie das Feedback gefreut hat.


  • Stärke der Ausbildung mit Video

    • Aktives Training (Learning by doing)
    • Motivationssteigerung
    • Stärkung das Selbstbewusstseins
    • Beseitigung der Störfelder beim Kommunikationsvorgang
    • Förderung der Selbstkritikfähigkeit.


    Verhaltensänderung

    Jeder, der bei der Ausbildung mi Video mitmacht, erkennt:
    • Gesagt ist nicht gleich gehört
    • gehört ist nicht gleich wie verstanden
    • verstanden heisst noch nicht einverstanden
    • einverstanden bedeutet noch nicht behalten (gelernt)
    • behalten entspricht nicht dem "Etwas-anwenden- Können"
    • anwenden können will noch nicht heissen, das Verhalten zu ändern
    Wer jedoch die wichtigsten Grundregeln der "Ausbildung mit Video" d.h. die skizzierte Antworten auf die Frage "Videoausbildung - aber wie?" beachtet, der erlebt, dass das Hilfsmittel Video eine hilfreiche Einrichtung ist und rasch zu erwünschten Verhaltensänderungen führt, die von innen und aus Überzeugung kommen.
    Der Aufwand Video wird damit lohnender Zeitgewinn.



    Literatur: P. Knill: Medien in Therapie und Ausbildung Ohlsen-Verlag, Suderburg, 83

    Die Gefahr der quasi-psychotherapeutischen Anstösse. Das nur "An-Therapieren" verunsichert.

    von Diplompsychologe Oscar R. Meseck
    Die Schulung von Führungskräften ist ein Teilbereich der Betriebspsychologie, die vomehmlich die sozialen Aspekte des Zusammenlebens und gemeinsamen Wirkens in zweckgebundenen Organisationen untersucht. Positionen, Aufgaben und Ordnungen, Art und Weise der Zusammenarbeit, sowie die jeweiligen Verhältnisse zwischen Leitung und "Mannschaft", die im wesentlichen-das "Betriebsklima" bestimmen, sind Gegenstand der Untersuchungen und des etwaigen Eingreifens.
    Zur Erhellung, der nicht immer evidenten Emotionen und Motivationen, der psychischen Verfassune überhaupt, sind dabei auch tiefenpsychologische Gesichtspunkte von erheblicher Bedeutung.
    Niemand, der seinen-wie auch immer gearteten-Dienst antritt, hängt seine besondere Individualität an den Gerderobenhaken und wird schlagartig eine völlig andere Persönlichkeit, wird zu einem nur fremdbestimmten Funktionsträger und blossen Ausführungsorgan.
    Quasi-psychotherapeutische Anstösse und Korrekturen erscheinen dem Psychologen oftmals notwendig, drängen sich nahezu auf, um am Ende verbesserte Gruppenleistungen und/oder Ausbildungsformen zu erzielen.
    Genau hier kann sich ein Gefahrenmoment ergeben:
    Das Einzelgespräch mit einer Führungsperson wird unter Umständen tiefenpsychologisch intensiviert und zu einer Art Kurztherapie ausgebaut.
    Dem emotionellen wie aber vor allem zeitlichen Einsatz des "Behandlers" sind jedoch Grenzen gesetzt, so dass im gegebenen Rahmen die gewünschten Verhaltensänderungen nicht bewirkt werden können - es bedarf ja der aufgeschlossenen Mitarbeit des Betroffenen, zu der dieser zwar verbal bereit sein mag, die aber nur in Fällen hohen subjektiven Leidensdrucks gleich von Anfang an wirklich vorhanden ist und eine tragfähige Therapiebasis abgeben kann. Bezeugte Einsicht ist noch lange kein erzeugtes Einsehen. Die ursprüngliche wie auch ganz normale Primärdistanz in einer psychotherapeutischen Zweierbeziehung, muss erst nach und nach abgebaut werden. Selbst der geschulteste Psychologe darf kaum auf ein "Minutenphänomen" hoffen.
    Es bleibt also nur zu oft beim "An-Therapieren", beim An- und Aufrühren möglicher psychischer Störfelder, was letztlich bei dem mit solchen Bemühungen bedachten Menschen mehr an Verunsicherung, erzeugt als ihm etwa hilft.
    So nötig, richtig und wichtig der kommunikative Austausch, das Gewinnen und Geben von Informationen, sowie deren Verarbeitung auch sind -, die verfügbare Zeit und die Umstände unter betrieblichen Rahmenbedingungen werden es nur äusserst selten erlauben, die rein kognitive Ebene zu unterschreiten und in tiefenpsychologische Exkursionen hinabzusteigen.
    Falls eine Therapie tatsächlich unumgänglich sein sollte, dann muss sie von dem darauf spezialisierten Psychologen eingeleitet und durchgeführt werden, dem ausser seiner Fachkenntnis auch der nötige räumlich-zeitliche Wirkungsbereich zur Verfügung steht.
    0.R.Meseck


    Wir beraten auf Wunsch Trainer, Coacher oder Führungskräfte hinsichtlich fachgerechtem Microteaching oder sinnvollem Einsatz von "Video in der Ausbildung".


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