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Provokationen - was tun?

von Marcus Knill


Was soll man gegen rhetorische Provokationsmethoden wie Destabilisierungstricks auf nonverbaler Ebene, Unterbrechungen, Kompetenzangriffen tun?

Destabilisierungs Spielchen auf nonverbaler Ebene.

Dieser Artikel war Basis fuer eine Praesentation auf von Katarina Helmstetter von der hoehren Fachschule Uster: Slideplayer.
Es ist ein Leichtes, einen Redner zu verwirren und aus der Fassung zu bringen mit all den zahlreichen plumpen Gags aus der Trickkiste der Körpersprache. Beispielsweise, während des Redens mit einem:

  • mürrischen Murmeln
  • Kopfschütteln
  • ironischen Lächeln
  • Grinsen
  • Wegschauen
  • Reden mit Anwesenden
  • desinterssierten "Blättern in den Unterlagen"

Beispiel einer Reaktionen, die das Spiel stoppen können:

"Schütteln Sie nur den Kopf. Auch ich wollte eigentlich diese Zahlen kaum glauben ... "



Das Spiel mit dem "Thema wechseln".

Wenn sich ein Redner auf dem "dicken Eis" bewegt, so ist es ein beliebtes Spiel, den Sprechenden auf das "dünnere Eisfeld" zu bewegen. Denn der "Gegner möchte sich als Experte darstellen und dies ist führ ihn nur möglich, wenn er sein Feld wählen kann. Der Trick:

"Wenn Sie dies gerade erwähnen, fällt mir ein, dass ... (neues Thema)"



"Bei Ihren Ausführungen kommt mir XY in den Sinn... (neues Thema)"

Bevor wir es merken, ist das Thema schon gewechselt. Uns wurde blitzschnell das Heft aus der Hand genommen. Deshalb: Sofort mitspielen: z.B.

"Ein guter Einwand, der aber nicht zum Thema gehört."



" Genau darum geht es hier nicht, deshalb ... (altes Thema)."



Das "Unterbrechungsspiel"



"Entschuldigen Sie, darf ich Sie schnell unterbrechen?",

tönt gleichsam höflich. Die Unterbrechung ist jedoch eine Störung und schneidet den Gedankenfluss ab. Das Unterbrechungsspiel irritiert und bringt uns meist aus dem Konzept. Mit der Gegenreaktion:

"Gern. Aber lassen Sie mich vorher noch kurz den Gedanken fertig machen."

lassen wir mit diesem Verhalten das Unterbrechen gleichsam zu. Deshalb müssen wir trotz des Irritationsspieles den roten Faden raschmöglichst wieder aufnehmen. Wenn jemand Spiele spielt, haben wir gewiss auch ein Recht, mitzuspielen. Möglich wäre beim Unterbrechungsspiel unter Umständen auch die harte Variante, ein klipp und klares

"Nein".



Das "Ungläubigenspiel"

Es kann sein, dass jemand einen Vorschlag torpedieren möchte. Dieses Spiel wird möglicherweise mitten in den Ausführungen gespielt, mit der unverhofften Zwischenbemerkung:

"Das kann ich gar nicht verstehen. Wie sind Sie überhaupt zu dieser unverständlichen Theorie gekommen"?

oder

"So ein Blödsinn. Diese Angaben stimmen überhaupt nicht."

Je nach Situation hilft vielleicht auch ein überraschendes Gegenspiel:

"Schade"

Hierauf wird weitergeredet, als ob nichts gewesen wäre.


Sie werden provoziert - was tun?

Wenn Ihr Partner versucht, sie rhetorisch auszubremsen, gibt es konkrete Möglichkeiten, sich durchzusetzen.
Bei den zahlreichen Strategien, den Partner bewusst zu irritieren und mit einem unverhofften "Spielchen" auszutricksen, müssen wir in erster Linie dieses Spiel erkennen und dieses Tun so rasch wie möglich stoppen. Schlagfertikeitstraining will in erster Linie heissen:


Die Wahrnehmung schulen, aber auch Freude entwickeln am dialektischen Spiel.


Bekanntlich heisst es

Schlagfertigkeit ist weniger eine Sache des Kehlkopfes als eine Sache des Kopfes. Hören und Denken ist wichtiger als das Reden.


In der Regel kontern die meisten Menschen Irritationen mit Rechtfertigungen und werten das inszenierte Spiel als persönlichen Angriff. Wer irritiert wird, reagiert normalerweise verunsichert, verlegen oder braust auf.


Wenn beispielsweise die Kompetenz Ihrer Person in Frage gestellt wird (übrigens ein beliebtes Spiel, um einen Partner in die Ecke zu stellen), ist das erwähnte Rechtfertigen grundfalsch. Die eigene Kompetenz müssen wir nicht beweisen. Es gilt auch bei diesem Irritationsversuch, die Absicht des Spieles - nämlich die Verunsicherung des Gegenübers - sofort zu erkennen und schnell zu kontern. Eine denkbare Antwort wäre:

"Gerne erzähle ich Ihnen, warum ich in meinem Fachbereich kompetent bin und Erfolg habe. Was genau wollen Sie wissen?

Diese Frage zeigt auch eine Technik, die wir verlernt haben: die Fragetechnik. Das "Fragen statt sagen" muss neu erworben werden, weil uns bereits in der Schule oder im Elternhaus die Fragekultur gründlich ausgebrieben worden ist. "Passe besser auf, statt zu fragen!" oder "Frage nicht so blöd!" sind einige der Sätze, die uns jahrelang beeinflusst und damit auch geprägt haben.


Alpha interview mit Rupert Lay

Rupert Lay war ordentlicher Professor an der Jesuitenhochschule St. Georgen und lehrte Naturphilosophie, Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie. Seit 1970 trainiert er Manager und Politiker. Am 26. Januar 2001 kam Rupert Lay nach Zürich und widmet sich in einem Exklusivseminar dem Thema "Wie lenke ich beim Fragen und Antworten?" und insbesondere dem Themenschwerpunkt "Lenken bei Provokationen".

Alpha: "Herr Lay, Sie werden am 26. Januar in Zürich einiges zu den Lenkungsmöglichkeiten vortragen, die es uns ermöglichen, bei Provokationen den roten Faden nicht zu verlieren."
Rupert Lay: "Zuerst muss ich etwas zu den Typen der Provokationen sagen. Es wird unterschieden zwischen strategischer Provokation (als Sonderfall der politischen und sozialen Provokation) einerseits und der aggressiven Provokation anderseits. Die aktiv strategische Provokation will einen Menschen oder ein soziales System zu Reaktionen veranlassen, die ungewollt sind. Die Provozierten machen unbedachte Äusserungen oder sie verhalten sich nicht so, wie sie es wünschen.
Dazu gehören Grenzverletzungen, taktlose Berührungen, Beleidigungen. Die sozialen Provokationen inszenieren bewusst abweichende Verhaltensmuster. Dies erlebten wir beispielsweise bei den Jugendunruhen. Die sogenannt reaktiv-aggressiven Provokation lösen durch Behauptungen oder durch Verletzung politischer, religiöser, kultureller, sozialer, ökonomischer Überzeugungen und Gewissheiten (Macht oder Ansehen) etwas aus. Bei einer erhöhten Aggressionsappetenz kann bereits eine Kleinigkeit zu einem aggressiven Ausbruch führen."
Alpha: "Nun werden Sie auch über die lenkenden Reaktionen sprechen. Dabei geht es um das Lenken bei Provokationen in Gesprächen oder Interviews. Was können Sie dazu schon heute verraten?"
Rupert Lay: "Vorerst noch ein Wort zu den lenkenden Reaktionen. Um sinnvoll auf Provokationen reagieren zu können, muss derjenige, der provoziert wird, über eine begründete Erkenntnistheorie verfügen. Diese Erkenntnistheorie darf nicht rekonstruvistisch sein, nach der wir uns selbst oder andere Menschen so erkennen, wie sie "an sich" sind. (Abbildtheorie). Alle Abbildtheorien sind widerlegt worden.
Was wir im eigenen und fremden "Sosein" erkennen, ist immer ein Konstrukt unserer Grosshirnrinde. (Konstruktivismus). Dieses Konstrukt wird erzeugt durch unsere Lebenserfahrung oder durch konkrete Auslöser. Deshalb wird bei der Thematik "Lenken bei Provokationen" unsere eigene Lebenserfahrung, wie auch die konkreten Auslöser von besonderer Bedeutung sein.
Wir müssen wissen, dass sich bei Provokationsprozessen die hirnphysiologischen Vorgaben unserem Lenken entziehen. Der Provokateur provoziert demnach stets sein Konstrukt, das er von einem Menschen gemacht hat."
Alpha: "Die einzig sinnvolle Frage beim Lenken muss demnach lauten: Was sind die Signale, die den Provokateur dazu brachten oder bringen, sich provozierend zu verhalten?"
Rupert Lay: "Wichtig ist vor allem, dass wir den Provozierenden immer ernst nehmen."




Dieses Interview ist im Alpha im Dezember 2000 zusammen mit dem diesem Beitrag erschienen.



Dialektiker, die mit der Waffe Provokation arbeiten, wollen andere nicht mundtot machen; sondern sie wollen vielmehr ihre Opfer in die Rechtfertigung drängen. Sie wollen sehen, wie gleichsam "der Fisch an der Angel zappelt". Weil wir uns nach den bewussten Provokationen meist rechtfertigen, müssen wir uns ein anderes Verhalten aneignen. Denn: Ränkespiele gilt es nicht nur zu erkennen. Wir müssen sie so rasch als möglich durchkreuzen und wie erwähnt sofort stoppen.








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