Scheidungen waren schon immer ein Erfolg. Ein
Vierteljahrhundert, bevor das Privatfernsehen Doku-Drama und
Reality-Show erfand, zeigte das ZDF "Ehen vor Gericht". Beginnend mit der
Erstausstrahlung vom 10. Juni 1970 schlich sich dreimal jährlich
Beklemmung in deutsche Wohnstuben. Und 1978 herzschmerzelte die
10-jährige Andrea Jürgens über alle Radiosender
von den Leiden eines Scheidungskindes: " ... und dabei liebe ich
euch beide" hielt sich 28 Wochen lang in der Hitparade. Ehekrisen,
Affären, Scheidung - im dritten Jahrtausend ist das tägliche
Gefühlskino angesagter denn je. Doch vorgespielt wird das grosse
Trennungstheater nicht mehr von Durchschnittspaaren _ daraus ist eine
Promi-Inszenierung geworden. Der aktuelle Schlagzeilenknüller ist:
Fussballtorwart Oliver Kahn, seine Münchner Disco-Bekanntschaft
Verena, und Ehefrau Simone hochschwanger allein zu Haus. Das einzig Gute
für Kahn: Vor Wochen noch kursierende Gerüchte um eine Liaison
mit Schlagersängerin Michelle sind somit widerlegt - damit hatte er
seine erste Nennung in "Bild", dem Fachorgan für Rosenkriege. Kahn
spielt nun in einer Liga mit:
Thomas Borer, Sabine Christiansen, Dieter Bohlen, Hera Lind,
Uschi Glas, Klausjürgen Wussow, Heiner Lauterbach,
Franz Beckenbauer, Ottmar Hitzfeld, Stefan Effenberg, Boris Becker,
Michael Stich, Thomas Hässler
- Personen, deren Beziehungen sich öffentlich abspielen.
Ehen auf Seite 1. "Bei Kahn ist es ideal",
sieht Marcus Knill eine
Serienverwertung auf den Fussballer
zukommen. Der Schweizer
Knill ist Berater für Medienkommunikation,
er betreibt Mediencoaching für Schweizer Spitzensportler und
gibt die Internet-Postille "www.rhetorik.ch"
heraus, in der er auch über "Die Droge Klatsch"
schreibt. Knill sagt:
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"Klatsch ist nichts Neues, den gab es schon bei den
Höhlenmenschen, wo man über Geschehnisse in der Nebenhöhle
sprach." Wenn einem nun Klatsch als vermehrt auftretendes Phänomen
erscheine, liege das an der netzwerkartigen Verbreitung über die
neuen Medien. Oliver Kahn war leicht "zu skandalieren", so der Fachbegriff.
Knill: "Er ist ein Alpha-Tier, der ist schon in der Stube drin, mit dem ist
man vertraut. Für einen Medienmenschen ist es schön, wenn man
zeigen kann: So eine Galionsfigur ist auch mit Fehlern behaftet."
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Einer Spontan-Entdeckung entspringen die prominenten Krisen und Neu-Liebeleien
so gut wie nie.
Knill zitiert den ehemaligen Bild-Chefredakteur Gustav
Jandek:
"Wer mir seine Hochzeit teuer verkaufen will, bei dem hole ich
mir die Scheidung umsonst."
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Dem Schweizer Kommunikationsexperten Knill ist
klar:
"Redaktionen hüten sorgsam ihre Giftschränke mit
Geschichten und Fotos. Irgendwann ist die Zeit immer reif, und der
Klatsch kann dann gut verkauft werden."
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Oder die Prominenz lanciert die Neuigkeiten über sich selbst.
Michael Meier, einst bei "Bild" der Lieblingsjournalist von Verona
Feldbusch, bezifferte den Anteil abgesprochener Enthüllungsgeschichten
"auf 80 Prozent". Auch "Der Spiegel" nahm sich des Publikumserfolgs der
Scheidungsgeschichten an und kam zum Schluss:
"Die Prominenten spielen in ihren Rosenkriegen das vor, was Millionen
ihrer Verehrer in ihren kleinen Ehen erleben, und darum lieben die Leser
diese schönen Geschichten und treiben die Auflage der Rosenkriegspresse
in die Höhe, wenn man wieder ein zerstrittenes Traumpaar durchs
Dorf getrieben wird. Jeder öffentliche Rosenkrieg ist eine
Inszenierung vor einem Millionenpublikum, das gleichermassen
angeekelt wie dankbar ist."
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Paul Sahner, nahezu schon kultiger
Gesellschaftsreporter der "Bunte", hält die deutsche Prominenz
für die zeigefreudigste - gut für sein Gewerbe:
"In den USA geht sie zum Psychiater - in Deutschland zu den Medien."
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Als Folge der Entblössungswut konstatierte der "Spiegel":
"Die meisten Deutschen wissen von den Wussows mehr als vom Liebesleben
ihrer Kinder." Die neuen Hauptdarsteller auf der Bühne der
Fremd-Liebelei sind Sportgrössen.
Sie sind berühmt, reich, körperbetont - und es ergeben sich
reichlich Gelegenheiten für sie. Über Franz Beckenbauer hat,
so schreibt dessen früherer Mitspieler Sepp Maier in seiner
Anekdotensammlung "... und wer küsst mich?", ein Trainer mal
gesagt: "Einer wie der Franz schiesst doch wie ein Korken an die
Oberfläche, wenn er mal eine Stunde Zeit für sich hat."
Mit dem "Kaiser" an der Spitze besetzte die Sportfraktion die
gesellschaftliche Position, die früher der Hochadel inne hatte.
"Ein Michael Schumacher", sagt Marcus Knill,
"hat den Status eines Halbgottes". Noch ist Schumi nicht skandaliert
- doch wehe wenn ... Die Geschichte wäre ein Renner.
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Die TV-Serie "Ehen vor Gericht" wurde vor drei Jahren eingestellt, im
Fernsehen wurde das Thema Scheidungen dem Zeitgeist entsprechend auf
die Unterhaltungsschiene geschoben. "Wie oft haben der Kanzler und der
Aussenminister zusammen genommen geheiratet?", fragte jüngst
Günther Jauch in seinem Millionärsquiz. Die richtige Antwort
lautete "acht Mal". Es war nur die 2000-Euro-Frage.
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