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Kampfrhetorik oder Dialogik?


von Marcus Knill

In einem Intensivseminar ereiferten sich unverhofft zwei Führungskräfte bei der Frage: Was führt beim Kommunikationsverhalten schneller zum Erfolg: Der harte rücksichtslose Kampf oder das freundliche menschliche, einfühlsame Verhalten, welches aber die harte Auseinandersetzung auf der Sachebene einschliesst? Die Alternativfrage gipfelte im Seminar in einem harten Rededuell.
Lohnt sich Fairness oder braucht es im Alltag mehr Rücksichtslosigkeit? Die Stellungsnahmen blieben während der langen heftigen Diskussion kontrovers. Die Mehrzahl der Gruppe war erstaunt, dass sich ausgerechnet eine Frau vehement für die kompromisslose Rücksichtslosigkeit im Kommunikationsverhalten stark machte. Die konkrete Anleitung der kämpferischen Managerin basierten auf konkreten Anweisungen die zum Teil aus Büchern, zum Teil von einem ehemaligen Kursleiter übernommen wurden:


"Werde ein Biest!" "Setze alles auf eine Karte!" "Plane die Karriere ohne Rücksicht auf das Gegenüber!" "Mach Dich mit Intrigen vertraut!" "Schlag den Gegner kompromisslos aus dem Felde!"
Dies nur einige der übernommenen Rezepte.
Anstatt den Partner auch bei den härtesten Auseinandersetzungen stets ernst zu nehmen; wurde hartes Ellbogenverhalten und der rücksichtsloser Kampf propagiert. "Ichbezogenheit und Eigennutz" an Stelle von "dialogischem Verhalten". Es zeigte sich: Die kompromisslosen Tipps wurden in den fragwürdigen Schriften von den Autoren nicht zur Veranschaulichung unfairer Taktiken veröffentlicht - beispielsweise, um die fiesen Tricks besser zu erkennen, zu entlarven oder fair parieren zu können. (Dies wäre akzeptabel gewesen). Nein, die Kommunikationslandschaft wurde in den Strategiepapieren bewusst als eigentliches Schlachtfeld genutzt, nur mit dem einen Ziel: Auf Kosten der Gegenseite sich selbst durchzusetzen. Die Rechtfertigung dieses Verhaltens wurde damit begründet: Das Berufsleben sei auch hart und jeder kämpfe letztlich auch rücksichtslos nur um seine Haut. Menschen, die nicht auf der Strecke bleiben wollen, bleibe deshalb gar nichts anderes übrig, als das Gleiche zu tun oder mit noch härteren Methoden zu kämpfen.
Jeder Befürworter menschlicher Kommunikation weiss jedoch: Die umstrittenen Schriften mit den bewussten Aufforderungen zur Unfairness" gehören in die Ecke der "Kommunikationskillerliteratur" und sind alles andere als empfehlenswert. Deshalb verzichten wir auch an dieser Stelle auf einen entsprechenden Literaturhinweis.
Dialogik ist gegenseitiger Gedankenaustausch. Bei der sogenannten Dialogik wird auch bei Konflikten das Gegenüber stets ernst genommen. Und das Zuhören ist kein Fremdwort. ICH und DU sind gleichwertig - gleichsam in einer Balance.
Was hat extreme, rücksichtslose Ichbezogenheit mit Dialogik zu tun? -




Unglaublich aber wahr:

In einem Kampf- Rhetorikkurs, bei dem der besagten Managerin bewusstes Provozieren beigebracht wurde, mussten die Kursteilnehmer in einer Übung zuerst grobe Kraftausdrücke nennen. Der Leiter listete die Schimpfworter am Flip-chart auf. Mit einer Zeitung bewaffnet, hatten nun alle hinter die eigene Stuhllehne zu stehen und im Takt gemeinsam die aufgelisteten Ausdrücke, Fluchwort um Fluchwort, immer wieder zu rufen. Bei jedem Schimpfwort mussten alle gleichzeitig mit der Zeitung heftig auf die Stuhlehne schlagen. Der Seminarleiter heizte die Gruppe dermassen an, dass am Schluss alle im Takt die grobschlächtigen Begriffe im Chor aus sich heraus schrieen. Immer wieder - immer lauter - immer schneller - Schimpfwort um Schimpfwort. Die Begründung dieses Tuns wollte der Leiter den Anwesenden nicht verraten. Weil jemand den Zweck der Übung trotzdem wissen wollte - mit einer freundlichen Frage, hiess es: 'Bitte stellen Sie keine Fragen. Ich führe das Seminar durch. Sie stören.'
Ein Kommentar ist überflüssig. Jeder Fachmann, jede Fachfrau weiss, welche Schäden mit abgeänderten 'Übungen' aus der Psychotherapie ohne fachkundige Begleitung eines Therpeuten angerichtet werden können.


Verstehen heisst nicht unbedingt einverstanden sein

Wer das Gegenüber ernst nimmt und Verständnis zeigt für eine gegenteilige Meinung, muss nicht zwangsläufig einverstanden sein mit der Partnermeinung. Die Praxis bestätigt es mehrfach: Wer das"DU" als Mensch achtet, und anderseits auf der Sachebene deutlich macht, dass er nicht einverstanden ist mit dem gehörten Gedanken; der hat letztlich mehr Erfolg, als jene Person, die sich mit den angepriesenen hinterhältigen 'Waffen' wie List, Lüge oder Intrige durchzusetzen trachtet.
In fachgerechten Kommunikationsseminarien wird gelernt, wie bei Konflikten bewusst getrennt werden kann zwischen Beziehungs- und Sachebene. Das sogenannte 'Harvard- Prinzip' beschreibt, wie Meinungsunterschiede erfolgreich angegangen werden können indem das 'DU' durch einfühlendes Verstehen ernst genommen wird. In der Sache hingegen wird hart argumentiert.
Vereinfacht gesagt: Auf der Beziehungsebene: Weich - aber auf der Sachebene: Hart. Ein professioneller Ausbildner wird auch darauf hinweisen, dass Emotionen selbstverständlich nicht ausgeklammert werden dürfen. Dass Gefühle stets mit dem Inhalt der Aussage und der Person übereinstimmen müssen, ist etwas vom Wichtigsten. Ziel jeder Kommunikationsschulung sollte das situationsgerechte, natürliche Verhalten sein. Wer künstlich, unehrlich, gespielt kommuniziert, der wird letztlich auch von Laien rasch entlarvt. Langfristig sind Kampfrhetorikkurse im beschriebenen Sinn kontraproduktiv. Es gibt konkrete Kriterien, die zeigen, wann Seminare fragwürdig sind.




Punkte die bei der Wahl von Kommunikationsseminarien beachtet werden sollten.

Fachgerecht Fragwürdig
  • In der Regel nicht mehr als 12 Teilnehmer.
  • Ziele und Inhalte sind bekannt und werden eingehalten.
  • Hintergrund und Erfahrung der Leitung ist bekannt.
  • Kosten sind transparent.
  • Tun und Theorie wird verbunden.
  • Niemand wird manipuliert.
  • Es dürfen Fragen gestellt werden.
  • Kritik wird toleriert.
  • Erfolg ist später im Alltag mess- und erkennbar.
  • Ziele sind nicht messbar, Inhalte entsprechen nicht der Ausschreibung.
  • Leitung wird nicht bekanntgegeben.
  • Individuelles Arbeiten fehlt.
  • Das Seminar besteht nur aus Theorie.
  • Personen werden blossgestellt.
  • Fragwürdige Spiele und Elemente der Psychotherapie werden verwendet.
  • Kritik und Fragen werden nicht zugelassen.
  • Gebrauch von Gruppendruck und Abhängigkeit.
  • Fremde Sichtweise wird aufgezwungen.


Dieser Beitrag ist im Spital-Management und "Aktuell 8/94" erschienen.



Bei allen K+K Weiterbildungsmodulen gibt es keine fragwürdigen Vorgehensweisen. Niemand wird blossgestellt. Alle Seminare und Weiterbildungsangebote basieren auf den Erkenntnissen der angewandten Psychologie. Die Video-Analysen basieren auf langjähriger Erfahrung in fachgerechtem Microteaching.





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