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Einfluss der Jugendsprache auf die Sprachkompetenz:

von Marcus Knill

Jugendsprache als Ursache von Leseschwäche?

Als 2001 die PISA Studie festgestellt hatte, dass die schweizer Kinder schlechter lesen konnten als Jugendliche anderer Länder, kam es bei uns zu einem Kulturschock. Experten fragten sich, ob das Land Kellers, Gotthelfs und Dürrenmatts den Weg zum Analphabetentum beschreitet. Es wurde Aenderungen im Bildungswesen gefordert, beispielsweise die Förderung der Lesekompetenz schon im Kindergarten. Der Grundtenor: Hört wie die Kinder reden, man hört förmlich, dass sie nicht mehr lesen können. Solche voreilige Schlüsse waren falsch, haben doch Erwachsene seit je Mühe mit der Jugendsprache. Es ist normal, dass sich Jugendliche von der Erwachsenenwelt abgrenzen wollen. Das ist bei der Haartracht, der Kleidung oder beim Verhalten im Alltag deutlich auszumachen. Als die Eltern rauchten, war bei den Jugendlichen Nichtrauchen in. Als später die Eltern zu Nichtrauchern wurden, griffen Jugendliche vermehrt zur Zigarette. Das bewusste Abgrenzen erfolgt auch im Sprachgebrauch. Jugendliche haben ihre internen Signalworte. Bei E Mails, bei ihren SMS Botschaften aber auch bei Blogs und in der Umgangssprache stellen Erwachsene fest: Die Jugendsprache will gleichsam eine Fremdsprachesein. Diese Abgrenzung ist von den Jugendlichen erwünscht.



Heinrich Löffler, Sprachwissenschafter an der Universität Basel, meint dazu: "Keine Jugendsprache beeinflusst die Lesekompetenz. Signalwörter markieren die Gruppenzugehörigkeit, so wie die blauweissen Schals der GC Fussballfans. Diese Abgrenzung und Selbstdefinition (Identitätsfindung) wird in der Regel unter Gleichaltrigen in den sogenannten Peer Groups verwendet. Dabei geht es nicht nur um das sich Abheben von der Erwachenenwelt, sondern auch um Bequemlichkeit, um Coolness. Die Sprache soll wie die Kleidung und das eigene Verhalten eine bestimmte Lebenseinstellung widerspiegeln. Die Signalworte sind von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Originelle Wortkombinationen sind erwünscht. Ein grosser Teil dieser Kreationen sind Wortneuschöpfungen (Neologismen), wie Kolben zwischtern (hemmungslos besaufen) Wumme (Schusswaffe) Cool (schön, angenehme toll, super). Wörter werden verändert: Aus vorgestern wird vordergestern oder aus einsam wird alleinsam. Ein Konzert ist ein Konzi, telefonieren heisst fonen. Es gibt Vereinfachungen, Bedeutungsverschiebungen, Fäkalismen, selbst diskrimierende Begriffe wie Nigger, Mongo. Die meisten Ausdrücke verschwinden nach einer gewissen Zeit wieder."


Übrigens: Wenn Erwachsene die Jugendsprache nachahmen (um sich Jugendlichen anzunähern), wirkt dies anbiedernd.


T9 Sprache

T9 ist eine Hilfe zum Schreiben eines SMS-Textes, die alle modernen Handys, so auch das S45(i) und das ME45, unterstützt. Schreibt man eine SMS-Nachricht ohne T9 muss jede Taste je nach gewünschtem Buchstaben mehrere Male gedrückt werden, was die Eingabegeschwindigkeit natürlich gering hält.

An dieser Stelle setzt T9 an. Bei T9 muss für jedes Wort jede einzelne Taste für den gewünschten Buchstaben nur einmal gedrückt werden. Die T9-Software prüft dann die mit den gedrückten Tasten möglichen Wörter.

Mit ein wenig Übung kann man so sehr schnell eine lange SMS-Nachricht verfassen Wörter, die in SMS oft gebraucht werden, aber nicht als erste Wahl auf dem Display erscheinen, werden so belassen. Diese Variante von Jugendsprache wird nicht gesprochen, man findet sie nur in Chaträumen. (ok wird zu öl)

Die irische Jugend weist nach einer Pressemitteilung immer grössere sprachliche Defizite auf. Dafür soll unter anderem das exzessive Schreiben von SMS-Nachrichten verantwortlich sein, behauptet das irische Bildungsministerium in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Als Grundlage dienten den Studienautoren rund 37'000 Abschlussarbeiten 15- bis 16-jähriger Schüler. Beklagt wurde unter anderem die von Jahr zu Jahr schlechter werdende Ausdrucksfähigkeit sowie der hölzerne, abgehackte Sprachstil vieler Jugendlicher. "Das Schreiben von SMS und E-Mails, bei dem auf Rechtschreibung und Satzzeichen wenig Wert gelegt wird, scheint eine Gefahr für die traditionellen Sprachkonventionen zu sein", heisst es in diesem Report. Jugendliche würden meist nur noch in kurzen Präsenssätzen und mit begrenztem Vokabular auf schriftliche Fragen antworten. Anstatt im Test ausführlich und mit Tiefgang ihr bisher Gelerntes auszudrücken, würden sich die meisten Jugendliche darauf beschränken, ein Thema möglichst knapp und minimalistisch abzuhandeln. Die Kritik der Pädagogen stützt sich unter anderem auch darauf, dass Irland zu den Nationen mit der höchsten Handy-Rate in der Bevölkerung zählt.

"Der Gebrauch von E-Mails und SMS hat sicherlich zu einer gewissen sprachlichen Seitwärtsentwicklung geführt. In gewissen Kommunikationsbereichen hat sich dadurch die Sprachkompetenz aber sogar erhöht"


meinte Frohmut Menze vom Handy-Bildungssoftware-Anbieter Studymobile gegenüber pressetext. Die ebenfalls konstatierte sprachliche Verarmung von Jugendlichen führt Menze aber nicht auf den Gebrauch von SMS, Blogs und E-Mails zurück. Vielmehr spiegle sich in der Sprache der Jugendlichen die veränderte Ausdrucksfähigkeit der gesamten Gesellschaft wider.

Mobiltelefone aus den Schulen zu verbannen hält Menze nicht für zwingend notwendig. "Die Handyfaszination Jugendlicher könnte sogar für neue Lernmethoden genutzt werden", ist Menze überzeugt. Zusammen mit Lehrervertretern will Studymobile daher Konzepte erarbeiten, wie Lernprogramme verstärkt auf dem Handy genutzt werden können. Der Plan des Start-up-Unternehmens sieht zudem vor, dass Schüler eigene Programme erstellen die ihren Lernanforderungen entsprechen.


SMS Sprache

Der heutige Netzjargon mit Abkürzungen wurden in den USA schon lange benutzt:

4 für "for", u für "You") 4 ever: forever mfg: Mit freundlichen Grüssen mb: Mail back H.D.L./H.D.GD.L.: hab dich lieb / hab dich ganz doll lieb T.M.H.A. : Treff mich heute Abend I Love u: I Love you 4E: forever- für immer 4U: for you- für dich 8UNG: Achtung BIDUNOWA?: bist du noch wach? COLA: come later - komme später CU: see you- wir sehen uns DN: du nervst DUBIDO: du bist doof FF: Fortsetzung folgt GN: geht nicht GN8: gute Nacht HAND: have a nice day- schönen Tag ILY: I love you- ich liebe dich MU: miss you- vermisse dich N8: Nacht O4U: only for you- nur für dich PLZ: please- Bitte PTMM: please tell me more SMS:schreib mir schnell TS: träum süss T+: think positive- denk positiv ZL: zieh Leine


Die positive Seite der Jugendsprache

Das Spiel mit der Sprache, das Basteln am sprachlichen Material ("Bricolage"), ist ein typisches Merkmal jugendlichen Sprechens. Dazu zählen in der Deutschschweiz Äusserungen wie: Tue mi nid produziere! oder Du kasch mir nid schamponiere. Worte werden bewusst durch ein anderes ersetzt. Häufig werden in diesen Sprachspielereien Zitate, Titel, Medientexte, Werbesprüche usw. eingefügt, oder es werden Äusserungen verfremdet. Eine solche Verfremdung ist das Sprechen in gebrochenem Deutsch (Gömmer Migros? Hesch mer Zigarett?). Derartige Formulierungen werden in der Schweiz als "Balkandeutsch" und in Deutschland als "Türkenslang" bezeichnet. Es ist jedoch nicht so, dass die Sprecher nicht besser formulieren und in ihren Schularbeiten die Artikel und Präpositionen nicht korrekt anwenden können. Häufig wollen die Jugendliche auf diese Weise mit der Sprache spielen oder ihr Medienwissen unter Beweis stellen, indem sie beispielsweise aus Comedy-Sendungen, in denen dieses Deutsch inszeniert wird, kopieren: Was guckst du? Es kann auch sein, dass sie sich dem Sprechstil einer Gruppe anpassen. Zum Spiel mit der Sprache gehört auch das Spiel mit der Schreibweise. Interessant sind Non-standard-Schreibweisen wie chillä oder kul, also die phonetische Verschriftlichung von Anglizismen. Überhaupt spielt das Englische in der Jugendsprache, wie auch in der Gegenwartssprache eine bedeutende Rolle. Aussenstehenden fällt die Kombination von Mundart und Englisch auf (Gömmer go foode), was in der Deutschschweiz aber nicht ein spezifisch jugendsprachliches Merkmal ist. Für den jugendlichen Sprachgebrauch ist hingegen der häufige Wechsel zwischen Deutsch und Englisch typisch (Nicht schlecht, but not good enough; Tschuessli, see you!), das Verwenden ganzer Satzteile in englischer Sprache (Why not; Check it out; No joke; Lets go; No problem) und das Einfügen englischer Wörter in deutsche Sätze (eine bigge Party). Wer die Texte der Blogs überfliegt, stellt rasch fest: Diese Art und Weise sich auszudrücken, schimmert auch hier durch.


Das Rad können wir nicht mehr zurückdrehen

Vor 19 Jahren konnten nur Computerversierte mit Begriffen wie Modem oder Internet etwas anfangen. Blog war ein hässliches Mehrfamilienhaus, Handy bestenfalls ein Geschirrspülmittel. Email ordnete man in den Bereich Küche, Töpfe und Wannen ein - und wer SMS sagte, meinte vermutlich, er gehe an der Messe essen. Schule und Elternhaus haben sich allmählich damit abgefunden, dass sich die Jugendlichen dank Handy und Internet eigene Sprachplattformen schaffen konnten.


Was können wir nun konkret tun?

Wer die Sprachkompetenz und damit auch die Lesekompetenz fördern will, kann das Rad nicht mehr zurückdrehen. Die neuen Medien sind da, die Jugendsprache ist ebenfalls eine Tatsache. Heute sind Schule und Elternhaus gefordert, folgende Bereiche weiterhin ja sogar noch vermehrt - zu pflegen, zu trainieren und anzuwenden! Konsequent und permanent!
  • Das Zuhören
  • Das regelmässige Lesen
  • Das laute Lesen und Vorlesen
  • Das Schreiben allgemeinverständlicher Texte
  • Das freie Formulieren in Standardsprache
  • Das Einfordern von Pflichtlektüren.
Die Förderung der Lese- und Sprachkompetenz wird, so glaube ich, durch die Jugendsprache kaum beeinträchtigt, wenn die erwähnten Bereiche nicht vernachlässigt werden. Lehrerinnen und Lehrer haben in der Regel erkannt, dass die Jugendsprache eine Welt für sich ist und sich die Sprach oder Lesekompetenz nach wie vor fördern lässt. Jedoch nur dann, wenn Schule und Elternhaus am gleichen Ende des Strickes ziehen. So wie wir die Schwimmkompetenz nur im Wasser erwerben können, wird das Lesen und Schreiben nur durch konstantes aktives Tun und Training gefördert. Das heisst: Mit lesen und schreiben. Ein Sprachlehrer hatte schon vor Jahren, als damals Pädagogen im Zeitalter der elektronischen Medien Bedenken äusserten, gesagt die Jugendlichen würden das Lesen verlernen: Es ist doch egal was meine Kinder lesen, das kann Trivial - oder Unterhaltungsliteratur sein. Wichtig ist nur, dass meine Kinder lesen!


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