Rhetorik.ch


Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com

www.rhetorik.ch aktuell: (30. September, 2004)

Die erste Bush-Kerry Debatte





Äusserlichkeiten und nichtverbales



  • Kerry trägt die rote Kravatte, Bush eine blaue. Kerry könnte die Farbe bewusst gewählt haben, denn rote Kravattenträger waren früher meist Sieger.
  • Bush ist kleiner und hat eine leicht gebückte Haltung. Kerry dagegen wirkte etwas steif. Mit den Händen taktierte er oft synchron. Die rechte und linke Hand macht oft die gleiche Gestik.
  • Jedesmal, wenn Kerry beim Zuhören gezeigt wurde, sah man ihn Notizen nehmen. Bush dagegen machte Grimassen und blinzelte oft, wenn er zuhörte. (Nachtrag vom 2. Oktober: In einer Analyse von Jodi Wilgoren und Richard Stevenson in der 'New York Times' vom 2. Dezember wurde dazu bemerkt, dass Kerry sich dies als Wettkampfsprecher in Mittelschule und Universität angewöhnt hatte.

    Der Notitzblock Trick verhindert das Grimassenschneiden und das nervöse Herumfummeln. Es zeigt den Zuhörenden auf dem Fernsehbild konzentrierter.


  • Keiner machte gravierende nichtverbale Fehler wie George Bush, der Vater des jetzigen Präsidenten, der während der Debatte mit Clinton im Jahre 1992 auf die Uhr schaute, oder Gore, der mit Säufzen die Aussagen von Bush kommentierte.
  • Das Nichtverbale während der Debatte wurde in einem Wahlkampfspott verwendet.




Der Moderator

Die Debatte wurde von Jim Lehrer moderiert. Er gilt als der erfahrendste Moderator in Präsidentschaftsdebatten. Im Jahre 2000 hatte er alle drei Debatten zwischen Gore und Bush moderiert. Lehrer will bewusst im Hintergrund bleiben. Er hatte es abgelehnt, sich in Interviews über die Debatte zu äussern. Die Sicht, das der Moderator im Hintergrund bleiben soll, wird von vielen Experten geteilt. Die folgenden Aussagen stammen von einem Artikel von Mark Memmott in 'USA TODAY'.
Bill Moyers ehemaliger Pressesprecher des Weissen Hauses, der 1980 die Debatte zwischen John Anderson and Ronald Reagan moderiert hatte, meinte:

"Der Moderator soll so sein wie der Tote bei einer Bestattung. Er muss dort sein, aber nicht viel tun."


Judy Woodroff die in CNN die "Inside Politics" moderiert:

"Der Moderator, der seine Rolle richtig spielt, ist der Moderator, der dafür sorgt, dass die Kandidaten im Mittelpunkt stehen.


Bernard Shaw, der die Debatte zwischen Michael Dukakis und Vice President George Bush im Jahre 1988 moderierte:

"Als Reporter will ich nicht Teil des Erzählten werden und so halte ich es auch als Moderator".


Shaw selbst hielt sich bei der 1988 Debatte nicht ganz an diesen Rat: Er frage Dukakis: "Wenn ihre Frau Kitty Dukakis vergewaltigt und ermordet würde, würden sie dann nicht die Todesstrafe befürworten?"




Kerry: Parade für einen alten Angriff

Kerry, dem im Wahlkampf oft Wankelmütigkeit vorgeworfen wurde, hatte plözlich eine Medizin gegen diesen Vorwurf:
Als Bush dem Senator wieder einmal seinen berühmten Ausspruch "Ich habe dagegen gestimmt, bevor ich dafür gestimmt habe" anspielte, meinte Kerry, dass er wohl einen Fehler gemacht habe, sich richtig auszudrücken, habe der Präsdident den Fehler gemacht, Irak anzugreifen. Was sei den schlimmer.

Bush: Kraft der Wiederholung

Bush ist bekannt dafür, eine Aussage oft zu wiederholen. Das passierte auch in dieser Debatte, als er wieder und wieder betonte, dass das "Kerry nicht wie ein Truppenkommandant spricht".

  • "Not a message a commander in chief gives, or this is a 'great diversion.'"
  • "Not what a commander in chief does when you're trying to lead troops."
  • "And that's not how a commander in chief acts."
  • "I think that by speaking clearly and doing what we say and not sending mixed messages, it is less likely we'll ever have to use troops."


Er betonte auch immer wieder, dass die Welt ohne Saddam Hussein sicherer geworden ist.




Umfragewerte

Die grossen amerikanischen Fernsehstationen den Auftritt von Herausforderer Kerry in der ersten TV-Debatte eher positiver. Blitzumfragen saehen Kerry als Sieger des Rededuells wie uach die Fernsehkommentatoren. Einer Gallup-Umfrage für CNN nach fanden 46 Prozent der Befragten, dass Kerry sich bei der mit Spannung erwarteten Debatte in der Nacht auf Freitag besser geschlagen habe als Bush. 37 Prozent gefiel der Präsident besser. CBS und ABC mit ähnlichem Ergebnis.

CBS fragte 200 noch unentschlossene Wähler. Von denen erklärten 44 Prozent Kerry zum Sieger, und 26 Prozent Bush. Nach einer Befragung für den Sender ABC hatte Kerry für 45 Prozent die Oberhand, für 36 Prozent war es der Präsident.

Quelle: Spiegel Online.




Nachträge vom 3. Oktober, 2004: Newsweek Umfrage

Es gibt keine falsche Körpersprache. Im Gegenteil: Der Körper sagt in der Regel die Wahrheit. Nonverbales Lügen ist kaum möglich. Es sei denn, man trainiert das "Falschspielen" mit enormem Aufwand. Unsere Körpersprache hat immer eine grosse Wirkung. Nach unseren Erkenntnissen ist es dennoch falsch, diese Wirkung künstlich verbessern zu wollen. Die im abgebildeten 'Blick" Beitrag empfohlenen Tipps teilen wir nicht, wie
  • Du musst mehr Wärme ausstrahlen
  • Du musst vermehrt in die Kamera schauen
  • Du musst natürlicher lächeln
  • Du darfst nicht so kindisch verhalten.
Kerry und Bush müssten vielmehr lernen:
  • Echt zuzuhören
  • Sich auf die Aussage zu konzentrieren
  • Nur das zu sagen, an das sie glauben
Wenn die innere Einstellung stimmt, stimmt auch die Stimme, die Gestik und Mimik mit der echten inneren Stimmung überein. Der Körper spricht dann automatisch richtig. Dieses Training ist viel weniger aufwändig als das Training zum "Falschspielen". Medienrhetorik hat wenig mit Theaterspielen zu tun. Wer sich auf Nebensächlichkeiten konzentriert und sich ständig darauf konzentrieren muss, was er alles nicht machen darf, wird nie überzeugen. Unter professionellem Mediencoaching verstehen wir ein intensives Training im Mediensimulator. Und zwar so lange, bis wir unter Stessbedingungen natürlich reden gelernt haben. Dieses Training ist deshalb notwendig, weil wir uns unter extremen Verhältnissen meist unnatürlich verhalten.




Das amerikanische Nachrichtenmagazin 'Newsweek' meldete, dass die erste Debatte die Führung Bushs ausradiert habe. Nach dem Parteitag der Republikaner stand es 54 zu 43 Prozent für Bush. Nach der Debatte sind 47 Prozent für Kerry und 45 für Bush. Die Newsweek Umfrage hatte 1000 registrierte Wähler befragt und hat einen Fehler von plus minus 4 Prozent. 64 Prozent der Befragten meinten, Kerry habe die Debatte gewonnen, 19 Prozent Bush und 16 Prozent waren unentschieden. In einer anderen Umfrage der Los Angeles Times, in der 725 befragt wurden, meinten 56 Prozent, Kerry habe besser abgeschnitten, während 15 Prozent Bush besser fanden.




Nachtrag vom 4. Oktober, 2004: NewYork times Umfrage

Eine New York Times/CBS Umfrage bestätigt das Aufholen von Kerry. Im Letzten Monat war der Stand 50 zu 42, jetzt liegen die zwei gleich mit 47 zu 47. In dieser landesweiten Umfrage wurden 851 registrierte Wähler befragt. 60 Prozent fanden Kerry habe besser abgeschnitten, im Gegensatz zu 23 Prozent, die Bush besser fanden.

CNN meldet, dass 62.5 Millionen Zuschauer die erste Debatte gesehen haben, viele jedoch nachher zu den Comedianten gewechselt haben:

Letterman: (eher liberal): "In der Debatte wirkte Bush selbstbewusst, und entspannt. Er wirkte ruhig. Ja, es es ist richtig, er trinkt wieder." Reno: (eher konservativ): "Kerrys Leute haben Mühe, ihn für die Debatte vorzubereiten. Sie sagten ihm, er rede nicht wie der Mann von der Strasse. Worauf Kerry antwortete: 'Au contraire!' :




Rhetorik.ch 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com