Es war Gerhard Schröder, der immer wieder betont hatte, es sei beim
Wahlkampf letztlich nur entscheidend, wer auf der Zielgerade als Erster
durchs Ziel laufe. Vor dem Schlussspurt prognostizierten die bekanntesten
Meinungsinstitute ein "Kopf an Kopf"- Rennen mit dem Kanzler in etwas
favorisierten Position. Stolpersteine kurz vor dem Ziel könnten
bei einer Patt-Situation über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Im Endspurt Schröder gegen Stoiber lag vor dem Zieleinlauf
plötzlich ein "Stolperwort" auf Schröders Bahn.
Wie kam es dazu?
Die Äusserungen der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin
vor Gewerkschaften über US-Präsident Bush waren der Auslöser.
Die Ministerin die Irak Politik Bushs mit den Methoden Hitlers
verglichen haben.
Das Zitat wurde vorerst von der Ministerin bestritten. Später gab
sie zu den Namen Hitlers erwähnt zu haben. Sie habe jedoch deutlich
gemacht, dass dabei kein Zusammenhang zwischen Bush und Hitler hergestellt
werden könne. Sie lehne deshalb jede Rücktrittsforderungen ab.
Wahlbeobachter rätselten: Kann der Kanzler den Stein ohne zu
Stolpern überspringen? Kann diese Affaire die Wahl entscheiden?
Die Situation war jedenfalls brisant.
Reaktion Schröders:
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Verhalten der Ministerin bei der Medienkonferenz.
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Der Kanzler sandte noch am Freitag abend ein Schreiben an Bush,
in dem er bedauerte, dass "ein Eindruck entstanden sei, die
Gefühle von Bush verletzt zu haben".
An seinem Kabinettstisch habe niemand Platz,
der den amerikanischen Präsidenten mit einem Verbrecher in
Verbindung bringt."
Der Kanzler musste handeln, zumal sein Verhältnis zu den USA durch
die harte Haltung bei der Irak Frage bereits etwas angeschlagen war und sich
Schröder in dieser Situation als Aussenpolitiker bewähren
musste. Die amerikanische Presse akzeptierte die Nennung Hitlers Namen
im gleichen Satz über Bushs Politik nicht.
Das Stolperwort wurde zu einem dankbarer Aufhänger, um sich
bei Schröder nach der Irak Positionierung zu "rächen".
Auch innenpolitisch handelte Schröder geschickt. Er ging auf die
Geschichte gar nicht ein, sondern holte sich - wie bei der
eindeutigen Irak Positionierung - wiederum Punkte, indem er betonte:
"Wir Deutschen lösen unsere Problem selbst". Damit meinte er indirekt:
Wir lassen uns auch nicht von den USA dreinreden. Auch kritisierte er die
Geschwindigkeit und Art, mit der diese Meldung in den Medien verbeitet wurde.
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Als sich die Ministerin den unangenehmen Fragen stellen musste,
interessierte uns, wie sie diese Krisensituation meistern wird.
Vor den Medien redetet sie sich um Kopf und Kragen. Sie musste
sich entscheiden: Soll sie sich rechtfertigen und verteidigen oder
soll sie in die Offensive gehen?
Es ging in dieser Situation nicht nur um ihre eigene Person sondern
auch um die Schadenbegrenzung, denn es gab bis anhin zu viele
Minister, die abgesetzt wurden oder das Feld räumen mussten.
In der Argumentation entschied sich die Ministerin für zwei
Kernbotschaften::
- Bei der Mediengeschichte geht es um eine Verleumdung (Worte werden verdreht)
- Die Sache ist ein Wahlkampfmanöver
Däubler-Gmelin quittierte konkrete Fragen mit wolkigen
Ausflüchten (Siehe Airbagrhetorik).
Sie kanzelte jene Zeitungen ab, die das "falsche " Zitat abgedruckt
hatten. Sie wollte mit keinem Satz einsehen, dass sie sich im Vokabular
vergriffen hatte.
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In einer Krisensituation darf keinesfall ausgewichen werden
oder Journalisten beschimpft werden.
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Die Ministerin machte die Sache falsch.
Herta Däubler-Gmelin sagte an der Medienkonferenz:
"Ich habe von Hitler gesprochen, aber...."
Damit signalisiert die erfolgreiche Ministerin einen Verzweiflungskampf.
Viele Journalisten fanden die Antworten der SPD Politikerin unklar und
verwirrend. Ein Fernsehreporter formulierte es so: "Wie kann es sein, dass 100
Journalisten nach einer Stunde nicht wissen, was wirklich gesagt wurde?"
Bei Gerüchten, Wortverdrehungen gilt immer das Prinzip:
Ruhe bewahren - denken - klären - konkret antworten -
wiederholen. Das was tatsächlich gesagt worden ist und wie es
gemeint war. Evt. Sich entschuldigen oder einen Fehler, Patzer
oder Ausrutscher zugeben.
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In der Presse dominiert die Meinung, dass der Fall der Justizministerin
nach der Wahl noch verarbeitet werden müsse. Streit gab es um die
exakte Formulierung. Chefredaktor Christoph Müller und der Reporter Michael
Halm vom Schwäbisches Tagblatt, hatten die Aussage in die Medien
gebracht hatten.
Angeblich hat die Ministerin dem Journalisten vor der Veröffentlichung
angerufen und gesagt, falls er in der Presse schreibe, dass sie Bush
mit Hitler verglichen habe, so müsste sie dies nachher dementieren.
Däbler-Gmelin sagte zuerst, dass sie den Nachnamen Hitlers nicht verwwendet
hatte, sondern das Wort "Adolf Nazi" benutzt habe.
Die Ministerin auch dem Chef des Tagblattes noch angerufen und
ihn um ein Treffen gebeten. Im Beisein von zwei Redakteuren habe sie dort
gesagt, sie bedaure ihre Äusserung und sie wäre froh, wenn
sie von Hitler nichts gesagt hätte.
Die Geschichte erinnert an andere Beispiele, wo einzelne Stichworte
Wirbel auslösten:
- 1996 sprach Bundespräsident Delamuraz in einem Interview
über die Geldforderungen der Naziopfer von "Lösegelderpresung".
Es kam zu weltweiten Reaktionen.
- Studer sprach 1997 als Bankchef in einer Arenasendung vom
"Aktenvernichtungsverhinderer Meili" Der Bankangestellte habe aus
unredlichen Gründen die Akten nicht vernichtet. Diese Aussage hatte
damals ein grosses Nachspiel. In den Staaten wurde der gefeuerte Meili als Held
gefeiert und Studer scheiterte letztlich an seiner Medien - Aussage
- Es lohnt sich in diesem Zusammenhang andere "Unworte" zu
betrachten. 1996 wurde z.B. das Unwort "Rentnerschwemme" bewusst
gemacht. Unworte sind Worte, die zwar nicht sofort einen Protest auslösen.
Sie wirken trotzdem, jedoch langsamer. Einerseits können Unworte unser Denken
beeinflussen. Anderseits machen sie uns bewusst, dass dies Worte unsere
Wertvorstellung wiedergeben.
Links zum Thema:
Fazit:
Wir können leider nicht wissen, ob und wie in diesen Fällen
der Wahlausgang beeinflusst worden ist. Doch eines ist gewiss:
Ein einziges unbedachtes Wort -
wenn auch nur so beiläufig hingeworfen - kann enorme Folgen haben.
K+K hilft Ihnen, in Krisenkommunikationsseminaren trotz Zeitdruck, trotz
Stresssituation bedachtsam zu reden. So wie Piloten im Simulator lernen,
trotz Hektik, Ruhe zu bewahren, so können Sie bei uns im
Mediensimulator schwierige Situationen meistern lernen.
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