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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Oktober, 2003)

Tod als Medienspektakel



Seit Jahren lauern die Medien auf das Ableben des todkranken katholischen Oberhirten, Papst Johannes Paul II.
Ohne das bevorstehende Ableben hätten sicherlich nicht 800 Journalisten die 25-Jahr-Feierlichkeiten mitverfolgt. Das grossen Interesse an allen Vorkommnissen im Vatikan ist sicher auch dem Umstand zuzuschreiben, dass sich der Papst seit Jahren vor den Medien als schwach, gebrechlich und oft redeunfähig zeigt.
Seit längerer Zeit sind in Rom TV-Studios eingerichtet und startbereit. Die amerikanische TV-Station Net-work hat auf einer Hotelterrasse gemietet und für Übertragungen ausgebaut. Alle warten auf den Tag X. Es wurden sogar Generalproben auf der Terrasse - für diesen Tag X - eingeübt. Der Tod wird damit zum Spektakel.
Dass es dem Papst gesundheitlich sehr schlecht geht, konnten alle am Bildschirm immer wieder live mitverfolgen (Die Illustration links ist eines der Beispiele, in denen der Papst in den Medien müde abgebildet wurde). Der Vatikan und der Papst selbst lässt dabei die Medien gewähren. Bereits vor seiner Parkinsonkrankheit hatte er viele gesundheitliche Tiefs überstanden. Er überlebte ein Attentat (Verzieh hernach dem Schützen, der ihn getroffen hatte), litt später unter einer Schulterverletzung. Dann folgte ein Oberschenkelhalsbruch und seit Jahren leidet er an grossen Gehproblemen.
Es ist sicherlich bewundernswert, wie der Papst immer wieder neue Kräfte wecken konnte und trotz grossen Sprechproblemen, - er hat regelmässiges Sprechtraining - , die Journalisten immer wieder mit seinen klaren, kurzen Antworten verblüfft. Trotz der Beschwerden bringt er die Sachverhalte stets auf den Punkt. Geistig ist er noch fit.
Dass jedoch die zum Teil unwürdigen Aufnahmen dem Fernsehpublikum zur Schau gestellt werden können, haben der Vatikan und der Papst mit zu verantworten. In diesem Fall kann man nicht mehr den Medien allein die Schuld zuschieben. (Siehe Recht auf Privatsphäre).
Die fragwürdigen Bilder (Zusammenbruch, Wortfindungsstörungen, Verlusts des Sprechvermögens) wurden alle zugelassen, gleichsam zelebriert. Der Papst begründet sogar dieses Offenlegen mit Sätzen, wie: "Jesus hat auch ausgeharrt." (Ich trete nicht zurück) "Leiden, Schmerzen, Krankheiten gehören auch zu menschlichen Natur und müssen nicht versteckt werden."
Der Vatikan müsste sich trotz dieser geschickten Argumentation bewusst sein, dass bei den Medien bei aussergewöhnlichen Aufnahmen eigene Interessen im Vordergrund stehen.
Es geht wie bei den Home-storys um Einschaltquoten und Sensationen. Aussergewöhnliches ist gefragt und macht sich bezahlt.


Fazit: Das Offenlegen von persönlichem Leiden am Bildschirm ist immer ein Gratwanderung. Wir finden es in diesem Fall fragwürdig. Es besteht die Gefahr, dass der Tod zum Medienspektakel wird. Das Zelebrieren des Leidens vor der Kamera ist auch dann menschenunwürdig, wenn der Betroffene damit einverstanden ist.


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