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www.rhetorik.ch aktuell: (25. November, 2001)


Miss - sprache?


Miss Schweiz 2001 Tagelang dominierte einmal mehr die Miss- Schweiz - Wahl in zahlreichen Sendegefässen. Der Sonntagszeitung Kolumnist Fibo Deutsch beschrieb das "spärliche Wissen" der schönsten Frau der Schweiz in einer Glosse unter dem mehrdeutigen Titel: "Miss- Bildung". Der Autor nimmt darin Bezug auf den spärlichen Schulsack der neuen Schönheitskönigin und schulmeisterte, dass die Siegerin, die Aargauerin Jennifer Ann Gerber nicht wusste, wer unser Aussenminister ist. Sie habe zudem keine Ahnung, wie der Hauptort des Kantons Baselland heisst und kenne auch die Hauptstadt von Südafrika nicht, obschon ihre Mutter von dort stammt. Ob dies ein Anzeichen von "Miss-Bildung" ist, möchten wir mal offen lassen. Das Leben lässt sich auch ohne Kreuzworträtselkenntnisse erfolgreich bestreiten.
Was die Medien neben "magerer Miss - Bildung" oder "Miss -gunst" der unterlegenen Anwärterinnen auch beschäftigt hat, waren die unpräzisen Formulierungen der Schönheitsköniginnen bei Medienauftritten, beziehungsweise der unpräziser Wortschatz: Der Aufhänger war, dass Mahara McKay, die Miss Schweiz 2000 auf die Frage, wie denn das Leben als Königin war, mit
"Arschgeil"
geantwortet hatte. In einem "Blick"-Interview mit der Missschweiz 2001 wurde diese dann auch gefragt, ob es etwas gäbe, dass sie "arschgeil" finde. Der Ausdruck ist zu einem geflügelten Wort geworden und zu einem gefundenen Fressen für die Medien.
Über eine Million Fernsehzuschauer verfolgen jeweils die Misswahlen. Möglicherweise finden viele Konsumenten diese Sendung ebenfalls "affengeil", sonst hätten sie vermutlich abgeschaltet.
Trotzdem dürften wir nach derartigen Misslichen Antworten nicht zur Tagesordnung übergehen und uns nicht einfach damit abfinden, dass sich die "Miss - Sprache" auf einem Tief eingepegelt hat. (Siehe dazu Gesprächsunkultur). Sicherlich gibt es auch Zuhörer, die gegen diese fragwürdige "Miss- sprache" wenig einzuwenden haben:
"So redet eben heute die Jugend", "In erster Linie muss Spass sein. Wir dürfen diese unbedachten Aussagen nicht so ernst nehmen." "Die Begriffe sind ja gar nicht so gemeint, wie sie formuliert wurden!" Aber:
Begriffe und Worte sollten ernst genommen werden. Wir müssen uns stets bemühen, treffende, bedachte Formulierungen zu suchen, denn es gibt eine Interaktion zwischen Wort und Gesinnung: Worte beeinflussen unser Denken, so wie unser Denken anderseits unsere Sprache beeinflusst.

Wer beispielsweise Achtung vor Menschen hat, der verzichtet beim Sprechen in der Regel auf menschenverachtende Begriffe. Denn diese Person überlegt schon vor dem Sprechen, was sie sagen will. Sie respektiert die Bedeutung der Wortinhalte. Siehe den Beitrag bedachtsam Reden .
Dass die Umkehrung nicht unbedingt stimmt, hat man in der Geschichte jedoch auch gesehen, z.B. bei Euphemismen für Greueltaten im dritten Reich. Die Propagandaverantwortlichen im dritten Reich kannten die Kraft der Worte. Deshalb waren gewisse Begriffe verboten. Auch heute wird die Propaganda durch Wortwahl genutzt. Auch die Frauenbewegung erkannte, dass die Begriffe Einfluss auf die Gesinnung haben. Siehe dazu den Beitrag über Feministische Sprache).
Es geht in diesem Beitrag nicht darum, dass die Missen auf einer möglichst hohen Sprachebene kommunizieren sollten. Das Interview der neuen Miss Schweiz im unteren Kasten enthält sogar recht gute, natürliche Antworten auf zum Teil glitschige Fragen.
Nein, viele müssten sogar lernen, "strassengängiger" zu reden und sollten bei allen Medienauftritten von "Otto Normalverbraucher" gut verstanden werden. Verschiedenste Beiträge auf diesen rhetorik.ch Webseiten verdeutlichen dies.
Wichtig beim Auftreten ist eine situationsgerechte, unmissverständliche und präzise Sprache . Es lohnt sich, Sprache und Formulierungen stets ernst zu nehmen!


Ein Beispiel dazu: Verhaltensgestört oder Verhaltensoriginell.
Wir wollen mit diesem Beitrag nicht die Miss-sprache nicht vermiesen. Doch werden wir miese Miss-spache (auch von Journalisten benutzt) nicht vermissen, falls sie aussterben sollte.


Miss Schweiz im Interview
"Blick"- Interview vom November 2001 mit Jennifer Ann Gerber, der Miss Schweiz 2001. Die Fragen der Journalistin sind zum Teil recht provokativ, werden jedoch natürlich pariert. Das Interview wurde so angeboten:
"Was bringt Jennifer Ann Gerber dazu, ihren Freund vor die Tür zu setzen?".
Nach dem goldigen "arschgeil" der alten Miss Schweiz, war der "Blick" offensichtlich etwas enttäuscht von der neuen Miss Schweiz: unter einem Foto gestand der "Blick":
" (... ) und vielleicht folgen dann doch einmal noch Worte wie 'arschgeil'".
Frage: Gibt es Situationen, wo Du Wörter brauchst wie "arschgeil"? Antwort: Also, Das ist vielleicht gerade etwas extrem. Aber es gibt schon Dinge, an denen ich mich freuen kann.
Frage: Der Nadim hat in der Sonntagszeitung gesagt, dass er für Dich Geld sammeln würde für Dich. Was machst Du dann mit dem Geld? Antwort: Ich habe keine Ahnung, was in diesem Bericht gestanden ist, ich kam noch nicht zum Zeitung lesen. Ich kann mich also dazu im Moment nicht äussern.
Frage: Dein Freund sitzt im Trainer neben Dir vor dem Fernsehen und Du neben ihm. Dann sagt er zu Dir, ob Du ihm ein bitte Bier holen sollst. Was machst Du? Antwort: Also, da würde ich lachen und ihn vielleicht vor die Tür stellen.
Frage: Du bekommst von Deinem Freund eine Rheumadecke zum Geschenk. Was machst Du damit? Antwort: Also ich glaube nicht, dass er mir so etwas schenken würde.
Frage: Du bist jetzt Miss Schweiz. Wie lange bleibt der Nadim noch an Deiner Seite? Antwort: Das kann ich nicht sagen. Aber sicher so lange, wie er an meiner Seite bleiben würde, wenn ich nicht Miss Schweiz wäre.


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