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www.rhetorik.ch aktuell: (16. November, 2003)

Bundestagsverbot für Gottschalk



Muskelwette bei
 Gottschalk Mehr als 14 Millionen "Wetten, dass" - Zuschauer wurden am 8. November Zeuge, wie der Deutsche Showmaster Thomas Gottschalk eine Bundestagsrede zum Einsatz seiner Stadtwette in Graz machte und auch verlor. Bei der Wette gings um die Frage ob die Landeshauptstadt der Schwarzenegger-Heimat Steiermark auch heute noch einen Muskelmann mit mehr als 50 Zentimeter Bizeps-Umfang aufbieten kann - so viel wie damals auch "Arnie". Weil die Grazer ihre Stadtwette gewannen, muss Gottschalk eine Rede im Bundestag halten. Doch der Bundestag liess Gottschalk abblitzen. Bundespräsident Thierse sieht kaum eine Möglichkeit, dass Gottschalk eine Rede im Deutschen Bundestag halten kann.


Wette am 8. November: Vincenzo Manna und Kollegen wollten in vier Minuten 50 Stühle so aufeinander stapeln, dass am Ende einer von ihnen oben Platz nehmen kann. Wette am 8. November: Philipp Lutz wettete, dass er auf zwei Gramm genau ein paar Hundert Gram Joghurt aus dem Becher löffeln kann.


Politiker verschiedener Parteien hatten sich gegen einen Auftritt Gottschalks im Bundestag ausgesprochen:
  • der Grüne Volker Beck, der im Ältestenrat sizt: "Ich halte davon gar nichts. Wir haben so schwere Probleme zu lösen, keine Zeit für solche Ansinnen. Da muss er sich eine andere Plattform suchen."
  • CDU-Abgeordneter Norbert Lammert: "Der Deutsche Bundestag ist keine Showbühne."
  • Wolfgang Wiemer, Sprecher von Thierse: "Dafür müsste sich Gottschalk erst mal wählen lassen. Sonst hat er kein Rederecht".
  • Parlamentssprecher Hans Hotter: "Dagegen steht die Geschäftsordnung des Bundestags".
  • CDU Ex Arbeitsminister Norbert Blüm: "Ich mag Gottschalk ja, aber im Bundestag geht es um existenzielle Fragen. Wenn da erst das Schicksal von Arbeitslosen erörtert wird und danach Gottschalk Trallala macht, dann kann ja gleich Dieter Bohlen kommen und im Parlament seine Superstars wählen lassen."
Fotomontage ("Bild").
Andere Meinungen auch quer duch die Lager.
  • CDU-Abgeordnete Uwe Schummer: Ich kann nicht verstehen, dass Thierse eine Rede von Thomas Gottschalk im Bundestag abblockt. Es wäre auch für Abgeordnete eine gute Sache, wenn er im Bundestag reden könnte.
  • SPD-Medienexperte Jörg Tauss: Herr Gottschalk sollte die Möglichkeit bekommen im Bundestag zu reden.


Gottschalk schrieb im "Bild", was er von der Absage hält:

"So ändern sich die Zeiten: Als ich vor Jahresfrist in Ausübung meines Berufes eine Wette verlor und als Nikolaus ins Bordell musste, war die Begeisterung bei den Betroffen noch groß. Mehrere Freudenhäuser rissen sich geradezu um mich, und als ich als Weihnachtsmann meine Pflicht getan hatte, wollte man mich auch noch zur Kür überreden."


Und auch etwas verärgert:

"Das ist wieder typisch. Daran scheitert Deutschland momentan, dass Dinge, die eigentlich möglich sein sollten, nicht möglich sind. Für alles gibt es einen Verhinderungsparagraphen".


Thomas Gottschalk will seine verlorene Wette auf jeden Fall einlösen. Wie er es tut, verrät er noch nicht. Nach "Bild" überlegt jedoch Gottschalk, seine Rede eventuell im österreichischen Parlament zu halten: "Die sind lockerer".

"Wo schöne Frauen mich damals nicht gehen lassen wollten, winkt jetzt ein bärtiger Mann schon ab, bevor ich überhaupt reinkomme. Dabei hätte ich mich diesmal, dem Ernst der Veranstaltung entsprechend, weder verkleidet, noch Heino mitgebracht, und trotzdem muss ich draußen bleiben...
Ich bitte das Hohe Haus untertänigst um Vergebung, aber man wird ja wohl noch fragen dürfen. Dabei hab ich nicht einmal selbst damit angefangen, sondern meinem Freund DJ Oötzi sind die Sicherungen durchgebrannt.
Hey Baby, muss der sich gedacht haben, wenn die sechstgrößte Wirtschaftsmacht der Welt es überlebt, dass der Terminator dort die Staatsgeschäfte übernimmt, dann wird der Deutsche Bundestag wohl kaum bleibenden Schaden nehmen, wenn der Gottschalk mal sein dünnes Stimmchen dort erhebt."


Um die Wogen zu glätten, lud Thierses Stellvertreterin Susanne Kastner Gottschalk zu einem Besuch des Reichstagsgebäudes ein. Dabei könne Gottschalk mit vielen Abgeordneten sprechen, allerdings nicht vor den Abgeordneten, schrieb sie in einem Brief an den Entertainer. Gottschalk:

"Aber ich bin nicht so ein Draufgänger wie Gerhard Schröder, der seinerzeit am Zaun des Kanzleramtes gerüttelt hat und dabei gerufen haben soll: "Ich will hier rein!" Das ist nicht die besonnene Art eines ZDF-Mitarbeiters. Irgendwie krieg ich euch schon! Wenn es sein muss, komm ich durch die Hintertür. Und habe die gleiche Erkenntnis gewonnen wie viele andere Bürger auch. Wenn die Politiker sagen "Das geht nicht" darf man trotzdem auf keinen Fall aufgeben. Denn so kommen wir nicht weiter. In meinem Fall handelt es sich nur um ein Spiel. Leider ist es für viele andere Ernst!"


Scheint, dass auch Gottschalk die Sache auch nicht nur von der heiteren Seite sieht.


Nachtrag vom 21. November, 2003. Gottschalk darf im Foyer reden.
Thomas Gottschalk darf nun doch seine Meinung sagen - allerdings nicht ganz dort, wo er es sich vorgestellt hatte. Nach langem hin und her darf "Wetten, dass...?"-Moderator Thomas Gottschalk seine Rede im Deutschen Bundestag doch noch halten. Allerdings nicht vor den Politikern, sondern nur im Foyer.
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen hat Thomas Gottschalk eingeladen, seine Rede während ihrer traditionellen Weihnachtsfeier am Montag in der Eingangshalle des Reichtagsgebäudes zu halten. Der deutsche Parlamentspräsident Wolfgang Thierse - der bisher nichts von einer Gottschalk-Rede hielt - ist laut einem Sprecher mit dem Vorschlag einverstanden.
Allerdings hat Gottschalk das Angebot noch nicht angenommen. Sein Büro erklärte, dass man bisher noch keine Einladung erhalten habe. Ausserdem sei der Entertainer momentan in Malibu und habe nicht vor, am Montag nach Deutschland zu reisen.


Nachtrag vom 16. Dezember, 2003. Gottschalks Bundestagsrede.
Am Abend des St. Nikolaustages löste Gottschalk seine verlorene Stadtwette ein und sprach vor dem deutschen Bundestag. Das heisst, er simulierte eine Rede vor dem Bundestag vor. Hier ein paar Ausschnitte:

"Herr Kollege Eichel, ich kenne den Blick, mit dem sie ihre Unterlagen studieren. Genau so ahnungslos wie sie habe ich seinerzeit auf mein Mathematikabitur geschaut, das zu recht mit "ungenügend" benotet worden ist."


Bei Angela Merkel mutmasste er, dass sie sich ihr Kostüm aus den Stoffresten des Bundestagsbestuhlung hat schneidern lassen. Zu den Grünen:

"Mit ihrer Quote sässe ich nicht in der Bundesregierung, sondern bestenfalls im Vormittagsprogramm."


Der Auftritt wirkte erstaunlich authentisch. Was jedoch jüngere Zuschauern rasch merkten: Die Rede war eine Inszenierung mit echten Einspielungen aus dem Bundestag - mit Nachbildung des Rednerpultes und Stimmenimitatoren. Gottschalk verstand es, den gestikulierenden Schröder, den müden Fischer und den telefonierenden Müntefering witzig zu kommentieren. Computerspezialisten, eingespielte Hintergrundgeräusche hatten es möglich gemacht, dass der Auftritt täuschend echt rüberkam. Es war für die Medienkonsumenten eine Veranschaulichung der Manipulationsmöglichkeiten.


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