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www.rhetorik.ch aktuell: (31. März 2003)

Auf der Suche nach der Wahrheit im Medienkrieg




Quelle: zdf.de
Zum Thema:


Medien in den letzten Kriegen

Im Krieg ist Propaganda der Kriegsparteien Alltäglichkeit. Trotz dieser Binsenwahrheit hat sich die Rolle der Medien während den letzten Kriege laufend verändert.

Vietnamkrieg 1964-75 Es tobte der erste Fernsehkrieg. Die Berichte waren unzensuriert, Journalisten konnten sich frei bewegen. Gräuelbilder förderten die Kriegsmüdigkeit.
Golfkrieg 1991 Die US- Miltärs schlossen die Medien aus der Kampfzone aus. Der erste Golfkrieg war die Stunde von CNN. Luftbilder vermittelten Aufnahmen der angeblich präzisen Einschläge. Ein klinisch sauberer Krieg ohne Tote oder Verletzte blieb im Gedächtnis.
Kosovokrieg 1999 Da 92-95 die Gräuelbilder mit dem ganzen Schrecken des Bosnienkrieges wieder gezeigt wurden, sperrte Diktator Milosevic 1999 die Medien aus dem Kosovo aus. Die NATO bombardierte ihrerseits das Staatsfernsehen und betrieb selbst Desinformation.
Afghanistankrieg 2001 Der Afghanistankrieg sah einen Informationskrieg moderner Art. So gab es zum Beispiel Selbstzensur der grössten US-Nachrichtensender ABC, CBS, NBC, MSNBC, CNN und Fox im Oktober 2001 bei dem Videos von Osama Bin Laden nicht mehr in voller Länge verbreitet wurden. Als Reaktion auf unpatriotische Reden eines ABC TV-Moderators zogen werbetreibende Firmen ihre Werbung zurück. Kommentatoren sprachen vom "patriotische Journalismus". Als der Afghanistan-Krieg mit der Einnahme von Kabul am 13. November 2001 offiziell endetet, setzten US Fernsehstationen vor allem auf Bilder von jubelnden Jugendlichen und Männern, die sich ihre von den Taliban aufgezwungenen langen Bärte rasieren. Die Berichterstattung der Journalisten war gefährlich: Innerhalb einer Woche kamen einmal 7 Journalisten ums Leben, ein Wall Street Reporter wurde später in Pakistan ermordet.
Irakkrieg 2003 Nachdem die Amerikaner mit ihrer restriktiven Informationspolitik im ersten Golfkrieg grossen Ärger mit den Medien bekommen hatten, kam nun Prinzip der "eingebetteten" Journalisten zum Zug. Es zeigte sich jedoch schnell, dass auch die Wahrheit "eingebettet" wurde. Journalisten durften nicht immer sagen, wo sie sich befinden. Opfer durften nicht gezeigt werden. Die Journalisten begannen sich mit den Kämpfenden zu identifizieren. Die arabischen Sender und Internetbilder zerstörten das Bild des sauberen Krieges. Sie übernahmen nicht nur die Live Bilder von CNN. Sie übertrugen laufend per Satellit abstossende und hässliche Aufnahmen und wiederholten diese Aufnahmen immer wieder. In der arabischen Welt kam Wut und Begeisterung auf. In Amerika hingegen lösen diese Bilder Abscheu aus.

Neue Mittel der Berichterstattung

Der zweite Irakkrieg zeigt eine weitere Entwicklung der Kriegsberichterstattung. Video Telefone, die seit dem Afghanistan-Krieg weiter an Einsatzreife gewonnen haben, und eine unabhängigere Berichterstattung journalistischer Einzelkämpfer erlauben würden kommen vor allem bei Journalistenteams zum Tragen, die in die Truppen der Koalition "integriert" sind und wenig Spielraum für unzensiertes Arbeiten haben.

Printmedien

Auf der Suche nach der Wahrheit erhalten im Irakkrieg erstaunlicherweise die Printmedien wieder Hochkonjunktur. Ferner wird auch das Internet als neues Medium vermehrt genutzt. Die globale Natur dieses Mediums macht die Information besser zugänglich. Wem die Informationen von CNN etc. zu restriktiv ist, zappt auf news.google.com, Reuters, BBC, Europäische, wenn nicht gar Arabische Medien, oder schaltet zu einem der vielen Weblogs über den Krig. Ein Beispiel: Cyberjournalist.net.

Internet

Die Online-Dienste verzeichnen deutlich mehr Zugriffe. Für Milllionen von Menschen ist das Internet zur vorrangigen Informationsquelle zum Irak-Krieg geworden. Im Gegensatz zu den Einschaltquoten bei Radio und Fernsehen. (Zu Kriegbeginn stiegen die Zahlen bei SF DRS auf 70'000 bis 133'000 Zuschauer. Ende März fielen die Zahlen jedoch auf 32'000 bis 59'000 zurück.) Die Online-Nachrichtendienste registrieren hingegen seit Kriegsbeginn mehr als doppelt so viele Besucher wie üblich.

Das US Publikum geht fremd

Bemerkenswert ist der Umstand, dass das britische BBC online seit Kriegsbeginn deutlich mehr Zugriffe aus den USA meldet. Es erstaunt, dass ausgerechnet in den USA mit einer sonsst liberalen Haltung bezüglich Redefreiheit darüber diskutiert wird, ganze Länder vom Internet zu trennen. Im Prinzip hätten die USA es in der Hand, bestimmte Websites abzuschalten. Dazu wären keine Bomben nötig. Der Netzrechner, der für ein einwandfreies Funktionieren des Internets verantwortlich ist, steht nur wenige Kilometer vom Weissen Haus entfernt. Mit den Eingriffen im Internet ist die internationale Internet-Aufsichtbehörde Icann nicht einverstanden. Wer für die Ausschaltung der Al Jazeera Webseiten verantwortlich ist, ist noch nicht bekannt.

Patriotischer Journalismus

Dass der "patriotische Journalismus" noch immer aktuell ist, zeigt die Tatsache, dass der NBC Korrespondent und Pulitzerpreisträger Peter Arnett, der im ersten Golfkrieg berühmt geworden war, am 31. März sowohl von NBC als auch von National Geographic gefeuert worden war. Arnett hatte ein Interview im Irakischen Fernsehen gegeben in dem er sagte:

"Es ist klar, dass die Amerikanische Kriegsplaner die Entschlossenheit der Irakischen Kräfte unterschätzt hatten".


Arnett hatte den Pulitzer Preis für AP-Berichterstattung in Vietnam gekriegt bevor er sich einen Namen mit CNN in Baghdad machte. Er wurde schon früher kritisiert. Im Jahre 1991 berichtete er von einer Allierten Bombardierung einer Baby-Milchfabrik und wurde vom US Miltär gerügt, die behauptet hatte, die Fabrik sei eine Fabrik für biologische Waffen. Arnett blieb aber bei seinem Bericht.


Ältere Erkenntnisse

Philipp knightley Philipp Knightley, der von 1965 bis 1982 Sonderkorrespondent für die Sunday Times in London war, hat 1975 in einem preisgekrönten Buch über Kriegsberichterstattung zur Entromantisierung von Kriegsberichterstattungen beigetragen. Seine Thesen können zum Teil auch im jüngsten Irakkrieg getestet werden:
Im Krieg will jede Seiten die Medien kontrollieren, um die öffentliche Unterstützung sicherzustellen. Irakisches TV wird zerstört, Journalisten werden GPS Telefone verboten, Information von der Front wird gefiltert, Reporter mit regierungsuntreuen Berichten (Peter Arnett) oder zuviel Details (Geraldo Riviera von FOX) werden gefeuert.
Wenn nötig, werden die Medien auch belügt, um diese Kontrolle zu erzielen. Umm Qasr eingenommen, Aufstände in Basra, Chemische Fabrik ist Waffenfabrik, gefangene irakische Generäle. Auf Irakischer Seite Berichte eines Bauern, die einen Helikopter abgeschossen haben sollen.
Kriegsberichterstatter schliessen sich diesen Aussagen aus patriotischer, persönlicher oder opportunistischen Gründen an. Eingebettet in eine Militäreinheit gehört der Journalist dazu. Berichterstatter sprechen schon von "wir", wenn es um die eigenen Truppen geht. Arnett ist ein Beispiel, was passieren kann, wenn nicht liniengetreu berichtet wird.
Die Medien ziehen mit, weil den kommerziellen Interessen am Besten gedient ist, wenn die amtierende Regierung unterstützt wird. Beispiel CNN, FOX. Andere Medien wie Reuters oder BBC berichten kritischer.
Wenn nötig wendet sich die Regierungen über die Köpfe der Kriegsberichterstatter hinweg direkt ans Volk, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Hussein schickt Videos, auch nach seinem Verschwinden. Bush spricht vor Miltärs.

Auswahl der Schlagzeilen

Zwei Schnappschüsse von Internetseiten vom 31. März zum gleichen Zeitpunkt. Die CNN berichtet über die Dezimierung von Irakischen Elite Einheiten, Reuters berichtet zur gleichen Zeit über die Tötung von 7 Zivilisten, den Einfluss des Kriegs auf Radikale Palistinänser sowie den schlechten Einfluss des Krieges auf die Börse.

Experten, Medien über Medien

In einer Zeit der Ungewissheit sind Experteninterviews gefragt und in Mode. In diesem Krieg überbieten sich die Medien über Berichte über die Medien. Agenturen mit weniger Korrespondenten kommentieren über Korrespondenten oder allgemein über die Rolle der Medien in diesem Krieg.
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