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www.rhetorik.ch aktuell: (22. Mai, 2004)

Nichtverbale Attacken auf Politiker



Ohrfeige für Schröder

Am 18. Mai wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder in Mannheim angegriffen. Bei einem Empfang für rund 200 SPD-Neumitglieder, nähert sich dem Regierungschef ein Mann mit rotem Bändchen am Handgelenk. Der Mann drängt sich wortlos an den Kanzler heran, streckt ihm die Hand hin und verpasst ihm eine Ohrfeige. Schröders, dessen Wange sich rötlich verfärbte, blieb unverletzt. Der Angreifer, ein 52 Jahre alter Arbeitsloser Lehrer aus dem Bad Krozingen, wird festgenommen und abgeführt, später aber wieder auf freien Fuss gesetzt. Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder kündigt unmittelbar nach der Attacke an, dass der Kanzler Strafantrag stellen wolle. Völlig unklar auch noch, wie sich der 52-Jährige dem Kanzler auf diese Art habe nähern können.


Puderattacke auf Blair

Am 19. Mai wurde der britische Premierminister Tony Blair während einer Rede von rosafarbenen Puder getroffen. Die Sitzung wurde abgebrochen und der Saal geräumt. Das Puder hätte auch chemische oder biologische Schadstoffe wie Anthrax oder Ricin enthalten können. Obwohl der Hauptteil des Saales für Zuschauer durch eine Glaswand abgetrennt ist, war der Zwischenfall möglich. Zwei Männer wurden festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, das gefärbtes Mehl in ein Condom gefüllt und das auf Blair geworfen zu haben. Der Vorfall war politisch motiviert. Einer der Männer hatte während des Wurfs "Fathers 4 Justice" gerufen.


Frühere Politiker Attacken

Anstatt verbale Angriffe gibt es für Politiker immer wieder Attacken ohne Worte. Eine Auswahl von spektakulären Fällen seit 1990 (Quelle).

  • 25 April, 1990 - Eine geistig verwirrte Frau sticht den saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine bei einer Wahlveranstaltung in Köln mit einem Messer in den Hals. Lafontaine überlebt den Anschlag knapp.
  • 12. Oktober 1990 - Bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau schiesst ein geistig verwirrter Mann auf Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und verletzt ihn schwer. Der CDU-Politiker bleibt querschnittsgelähmt.
  • 2. Dezember 1993 - Bundespräsident Richard von Weizsäcker wird bei einem Theaterbesuch in Hamburg von einem Mann ins Gesicht geschlagen.
  • 1. September 1996 - Ein junger Mann bewirft Bundeskanzler Helmut Kohl in Jülich mit einem rohen Ei.
  • 12. April 1999 - Linksextreme setzen den Dienstwagen von Hamburgs Innensenator Hartmuth Wrocklage in Brand.
  • 13. Mai, 1999 - Farbbeutel-Attacke auf Aussenminister Joschka Fischer auf einem Grünen-Sonderparteitag in Bielefeld zum NATO-Bombardement Jugoslawiens. Fischer erleidet einen Trommelfell-Riss.
  • 6. Juni 2000 - Ein Unbekannter greift Grünen-Bundestagsabgeordnete Angelika Beer in Berlin mit einem Messer an und verletzt sie mit mehreren Stichen am Arm.
  • 27. August 2001 - Stinkbomben-Attacke auf die Wohnung von Hamburgs Innensenator Olaf Scholz.








Nachtrag vom 3. Juni: Attacken machen Schule

Nur wenige Wochen nach der Ohrfeige für Kanzler Gerhard Schröder ist es zu einem weiteren Angriff auf einen deutschen Spitzenpolitiker gekommen. Auf einer FDP-Wahlkampfveranstaltung in Gera versuchte eine Frau, den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle ins Gesicht zu schlagen.




Nachtrag vom 4. Juli, 2004: Auch Beatrice Tschanz, Beraterin von Bundesrat Leuenberger in Flughafenfragen (Sie war früher Swissair - Kommunikationschefin) wurde auf offener Strasse von einem Südanfluggegner geohrfeigt.




Nachtrag vom 23. August, 2004

Kanzler Schröder wurde in Wittenberge mit Eiern und sein Auto mit Steinen beworfen.




Nachtrag vom 27. August, 2004:

Wegen seiner Ohrfeige für Kanzler Schröder hat der arbeitslose Lehrer Jens Ammoser eine viermonatige Bewährungsstrafe bekommen. Das Mannheimer Amtsgericht befand den 52-Jährigen der vorsätzlichen Körperverletzung und Beleidigung für schuldig und brummte ihm zudem 100 Stunden gemeinnützige Arbeit auf. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Winkler sagte zur Urteilsbegründung:

"Der Bundeskanzler sollte durch die Ohrfeige verächtlich gemacht werden."


Die Tat sei hinterhältig und geplant gewesen.

"Es kann nicht angehen, politische Unzufriedenheit durch tätliche Angriffe auszuleben."


Eine "normale" Ohrfeige wäre mit einer Geldstrafe bestraft worden, Ammoser habe jedoch einen der höchsten Repräsentanten Deutschlands attackiert. Der 52-Jährige schlug auf den Tisch und griff Richter und Kanzler an. Er begründete seine Tat mit dem Frust über seine jahrelange Arbeitslosigkeit und die Politik der Bundesregierung.

"Ich bin ohne Arbeit, ohne Einkommen und ohne Lebensinhalt."


In seinem Plädoyer berief er sich auf sein Widerstandsrecht in Artikel 20 des Grundgesetzes. Er habe sich bei seiner Tat als Vertreter für die Arbeitslosen in Deutschland gehandelt. Der Angeklagte war mit einem T-Shirt mit Willy-Brandt-Aufdruck auf der Vorder- und seiner Kontonummer auf der Rückseite erschienen. Ammoser war der SPD erst im Februar beigetreten und als Kandidat für die Kreistagswahl aufgestellt worden, allerdings auf einem nicht aussichtsreichen Listenplatz. Nach der Tat wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Trotzdem erreichte er bei der Wahl in seiner Heimatgemeinde Bollschweil im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald das mit Abstand beste Ergebnis der SPD.




Nachtrag vom 31. August, 2004: Der Eierwerfer verfehlte Lafontaine knapp: Die Leipziger Montagsdemonstranten haben Oskar Lafontaine einen sehr gemischten Empfang bereitet. Bevor sich der frühere SPD-Vorsitzende dem Demonstrationszug anschloss, erntete er neben Applaus Pfiffe und Buhrufe. Dann flog ein Ei. Das Geschoss verfehlte den Politiker nur knapp. Als Eierwerfer wurde etwa 45 bis 50 Jahre alten Mann ausgemacht.


Nachtrag vom 1. Januar 2005: Maurer bewirft Berlusconi mit Stativ
Silvio Berlusconi ist Opfer einer Attacke geworden. Der italienische Ministerpräsident wurde am Silvesterabend mit einem Kamerastativ beworfen. Berlusconi trug zwar nur eine Schürfwunde davon, sei aber "traurig" über den Vorfall Wie die Nachrichtenagnetur Ansa meldete, warf ein 28-jähriger Maurer aus Norditalien das Stativ, als Berlusconi kurz nach Sonnenuntergang auf dem Piazza Navona spazieren ging. Es traf den Ministerpräsidenten hinter dem Ohr. Der Angreifer wurde von Leibwächtern und Polizisten schnell abgedrängt. Berlusconi liss sich vorsichtshalber von einem Arzt untersuchen. "Ich habe es getan, weil ich ihn hasse", zitierte Ansa den Maurer, der sich zu den Neujahrsfeiern in Rom aufhielt. "Ich hatte es bestimmt nicht geplant, aber als ich sah, wie er die Menschenmenge grüsste, konnte ich mich nicht mehr beherrschen."


Nachtrag vom 1. Mai 2005: Eierwürfe gegen SPD-Vorsitzenden Müntefering

Der deutsche SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat sich bei einer Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftbundes (DFG) zum "Tag der Arbeit" in Duisburg starkem Protest erwehren müssen. Müntefering wurden mit Buhrufen und einem schrillen Pfeifkonzert von rund 1.000 aufgebrachten Arbeitern, Arbeitslosen und Gewerkschaftern empfangen. Mehrere Eier, die aus dem hinteren Teil der Menge auf Müntefering geworfen wurden, zerplatzten daran. Vereinzelte Beifallbekundungen und "Münte, Münte"-Rufe wurden immer wieder von Trillerpfeifen und "Lügner, hau ab"-Sprechchören erstickt.
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