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www.rhetorik.ch aktuell: (22. Juni, 2003)

Erfinder des TV Verhörs wird selbst verhört



Der bekannte Talkshow Moderator Michel Friedman geriet im Juni 2003 in den Verdacht, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen zu haben. Bei einer Durchsuchung von Friedmans Privat- und Kanzleiräumen durch die Staatsanwaltschaft wurden drei Beutel mit Kokainresten sichergestellt. Auch soll Friedman Unter dem Decknamen "Paolo Pinkel" bei einem Berliner Zuhälterring Prostituierte angefordert haben.
Friedman zog sich daraufhin von der Moderation der Sendung "Friedman" und "Vorsicht Friedman" vorübergehend zurück. Er soll nach Südeuropa abgereist sein.

Damit steht heute ein berühmter Dialektiker im Zwielicht und muss sich auf der Anklagebank verteidigen.


Das Publikum kennt Friedmann vor allem von seiner beliebten Sendung "Vorsicht! Friedman". Charakteristisch ist die Art, wie er die Hände benutzt, um harte Frage zu stellen. oder wie er die Stimme hebt, wenn er eindringlich nachhakt. Friedmann polarisiert und unterhält medienwirksam. Er rückt näher an die "Opfer" heran als es üblich ist und den Menschen lieb ist. Seine Gäste sind Delinquenten. Bei den Antworten gibt es nur noch ein Ja oder Nein. Ein Aber oder eine Erklärung wird nicht zugelassen. Ausflüchte provozieren höchstens die Wiederholung der harten Frage - lauter - eindringlicher - einschneidender. Wer bei Friedman Platz genommen hat, weiss, was eine "Inquisition" ist. Friedman kann zuhören, ist dabei auf der Lauer und greift unverhofft mit bohrenden Fragen nach. Er verbaut jede Rückzugsmöglichkeit. Ob eine derartiges rhetorisches Feuerwerk nur mit Aufputschmitteln möglich gewesen sein kann? Noch ist es nicht bewiesen, dass die Anschuldigungen zutreffen. Ob das ganze nur eine gezielte Medienkampagne ist, wird sich noch zeigen.


Falls Friedman Kokain konsumiert hat, könnte es sich in die Liste der prominenten Kokain Konsumenten einreihen lassen, die Schlagzeilen machten:
Derrik Assistent Fritz Wepper Starkoch Eckart Witzigmann
Liedermacher Konstatin Wecker Fussballtrainer Christoph Daum
Der Star- Moderator muss sich nun während der nächsten Wochen selbst unangenehmen Fragen stellen. Vorläufig ist er abgetaucht. Auch seine Freundin, die bekannte Fernsehfrau Bärbel Schäfer, schottet sich ab. Michel Friedmann ist weder überführt noch verurteilt. Er steht lediglich unter Verdacht. Für alle Medien dennoch Grund genug, den mutmasslichen Skandal an prominenter Stelle zu thematisieren. Was uns interessiert: Wie verhält sich nun der Medienprofi Friedmann in dieser verzwickten Situation? Friedmans Devise lautete stets:

"Nie schweigen!"


Deshalb kann, darf und wird er gewiss nicht mehr schweigen, wenn er sich zu den Vorkommnissen äussern muss.
Der Moderator Michel Friedman:
  • Am 25. Februar 1956 in Paris geboren.
  • Seit 1965 in Deutschland.
  • 1988 juristische Staatsprüfung 1988, Rechtsanwalt in Frankfurt.
  • 1983 Eintritt in die CDU.
  • 1984 Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
  • 1985 CDU-Stadtverordneter in Frankfurt.
  • 1993 Nebenkarriere als Moderator und Talkmaster.
  • 1994 Promotion an der Universität Mainz zum Dr. jur.
  • 1994 Wahl in den CDU-Parteivorstand.
  • 1995 zusammen mit Luc Joachimsen und Holger Weinert Moderatorenteam der Sendung "3-2-1".
  • Seit 1998 moderiert er die Talk-Sendung "Vorsicht! Friedman" im Hessen Fernsehen.




Nachtrag vom 2. Juli: Friedman ist immer noch abgetaucht.
Baerbel Schaefer Immer noch ist Friedman auf der Flucht vor der Öffentlichkeit. Auch TV Produzentin Bärbel Schäfer wich bislang allen Reporterfragen aus.
Details über die Geschichte werden scheinbar immer pikanter, denn die Affaire hat sich auch zu zu einem Politikum ausgeweitet. Im Zuge der Friedman-Affäre werden inzwischen auch Angehörige des Bundestags mit der Anschuldigung erpresst, mit einem Prostituierten-Ring Kontakt gehabt zu haben. Nun soll sich der Ältestenrat mit den Ermittlungen der Staatsanwälte befassen. Die Rotlichtverknüpfungen mit höchsten politische Kreise sollen nach der Berliner Zeitung genauer untersucht werden. Details sind nicht zu erfahren.
Nach "Spiegel" wird im Bundestag selbst über diese Vorgäge der Kopf geschüttelt. Telefonnummern allein seien nur von zweifelhaftem Erkenntniswert. Selbst wenn von einem Diensttelefon im Bundestag aus telefoniert wurde, müsste es sich beim Anrufer nicht zwingend um einen Abgeordneten gehandelt haben. Büro-Mitarbeiter, Putzkolonnen oder Boten kämen auch in Frage.
Zu Friedman selbst heisst es aus Kreisen der Staatanwaltschaft, dass es ungewiss sei, ob Friedman überhaupt persönliche Enthüllungen drohen. Man habe jedoch genügend Beweise gegen den Zuhälterring. Einer öffentlichen Vorführung könnte der Medienstar Friedman - nach Auffassung von Juristen - nur mit einem umfangreichen Geständnis entgehen. Um einen Drogenkrimi hingegen muss sich Michel Friedman derzeit weniger fürchten, denn deswegen wird es sehr wahrscheinlich kein strafrechtliches Verfahren geben.


Nachtrag vom 7. Juli: Friedman akzeptiert Strafbefehl.
TV-Moderator Michel Friedman hat im Drogen-Verfahren gegen ihn den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Berlin akzeptiert. Damit ist das Verfahren gegen ihn beendet. Der TV-Moderator kommt mit einer Geldstrafe davon. Die Annahme des Strafbefehls scheint logisch, auch um das Verfahren möglichst schnell zu beenden. Auch für die Staatsanwälte ist das Ende ein Erfolg. Sie sind froh, dass das heiklen Verfahren zu Ende ist.
Nachtrag vom 8. Juli: Friedman entschuldigt sich.
Friedman an Pressekonferenz Mit einer Entschuldigung hat Friedman am 8. Juli an einer Pressekonferenz die Affäre beendet. Er hat den Strafbefehl der Justiz akzeptiert und alle Ämter niedergelegt. Die Presse reagiert mehrheitlich positiv über das "Mea culpa" Friedmanns, den "Kniefall", die Entschuldigung und dass er akzeptieren müsse, dass an ihn dieselben Massstäbe angelegt werden, die er an seine Gesprächspartner in der Talkshow angelegt habe. Friedman Entschuldigung


Mea Culpa.
Michel Friedman hatte sich vor der Pressekonferenz länger zurückgezogen Möglichweise auch deshalb, um den Medienauftritt bis ins kleinste Detail zu planen. Nach fast vierwöchigem Schweigen nutzte der scharfzüngige Talkmaster seine Chance vor den Medien. Die Öffentlichkeit vernahm ein Schuldgeständnis von ganz besonderer Art. Sie erfuhr, dass Friedman von allen öffentlichen Ämtern zurücktrete. Der gefürchtete Interviewer hatte die Grösse, zu seinen Fehlern zu stehen. Er bat die Öffentlichkeit, ihm eine zweite Chance zu geben. Von einem Rücktritt als Talkmaster sprach er jedoch nicht.
"Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, dass dies nicht mein ganzes Leben war, dass dies nicht der ganze Friedman ist. Ich bitte Sie um eine zweite Chance!" Der inszenierte Auftritt war einmalig. Friedman punktete dank seinem eindeutigen Schuldeingeständnis. Nichts wurde beschönigt. Begründungen und Ausreden fehlten. Wer die Schuld auf sich nimmt, reduziert bekanntlich den Druck. In vielen Fällen lohnt sich der "Gang nach Canossa": "Klipp und klar - ohne Wenn und Aber: Ich habe einen Fehler gemacht, ich akzeptiere meine Strafe."


Mit diesen Worten gestand der Profi-Rhetoriker seine Schuld ein. "Drogen in einer Lebenskrise, auch in meiner Lebenskrise, sind keine Hilfe." Er müsse sich denselben Massstab gefallen lassen, den er in seinen TV- Sendungen an seine Gäste angelegt habe. Friedman entschuldigte sich auch bei seiner Lebenspartnerin Bärbel Schäfer, "die Frau, die ich von ganzem Herzen liebe und mit der ich die ganze Zukunft gestalten will." Der wortgewaltige Rechtsanwalt machte sich am Schluss ganz klein: "Menschen machen Fehler. Menschen irren sich. Auch ich habe Fehler gemacht, auch ich habe mich geirrt. Das soll nicht mein Verhalten relativieren oder gar verharmlosen. Ich sage es nur, weil ich erklären möchte, dass auch ich nur ein Mensch bin." Dieses Beispiel veranschaulicht, dass es sich lohnt zu schweigen und innezuhalten, bevor man spricht. Wir sind überzeugt, dass sich Friedmans Entschuldigung für ihn günstig auswirkt.


Nachtrag vom 13. Juli: Reaktionen
Nach den Worten der Reue sind die Meinungen in der Öffentlichkeit gespalten.

TV Star Ernst Hannawald findet:

"Der Auftritt war gespielt und unglaubwürdig."


Ingrid van Bergen hingegen meint:

"So ein Kniefall, wie Friedman ihn gemacht hat, kostet jeden Menschen Ueberwindung. Da kann man nur sagen: Hut ab! Ich weiss: Nach so einem Bruch im Leben ist es wichtig, nach vorn zu blicken. Dazu braucht man viel Kraft."
Bärbel Schäfer, die am Donnerstag in der WDR Talkschow "Müller-live" ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte, sagte ganz in schwarz gekleidet:

"Ich stehe hinterprozentig hinter ihm."


Das "Bild am Sonntag" vom 13. Juli mutmasst auf der Frontseite in grossen Lettern:

Friedman Hochzeit mit Bärbel Schäfer?




Nachtrag vom 15. Juli, 2003: grosszügiges Verzeihen lohnt sich, Parallele zu Clinton?
Clinton bei Christiansen Frauen, die selbst nach einem gravierenden Fehltritt zu ihrem Mann stehen, können von ihrem grosszügigen Verhalten profitieren. Nachsichtige tapfere Frauen holen sich mitunter einen Bonus, wie das Beispiel Hillary Clinton zeigt, deren Weg zum Erfolg nach einer Scheidung in der heutigen Form wohl kaum denkbar gewesen wäre. Dank ihres Durchhaltens konnte Clinton als Politikerin ihr Buch über die Geschehnisse während der Affaire "Monika" als Bestseller vermarkten und hat möglicherweise sogar Chancen auf eine 2008 Kandidatur als Präsidentin der Vereinigten Staaten, sogar eine 2004 Kandidatur ist noch nicht 100% ausgeschlossen. Ob Bärbel Schäfer ähnlich wie Clinton von ihrem Verhalten profitieren wird, ist unklar. Sie hat die Gunst der Stunde genutzt und könnte gleichsam eine zweite Hillary Clinton werden. Denn: Wer grosszügig verzeiht, punktet meistens bei der Bevölkerung. Was wir jedoch wie bei Clinton kaum erfahren werden, ist, ob das Vorgehen ehrlich, lediglich clever oder gar berechnend ist. Wie böse Zungen werweissen, könnte der reuige Geliebte nach einer Hochzeit in einem Abhängikeitsverhältnis stehen, die Schäfer später ausnützen könnte.

Hillary Clinton hatte auch in Deutschland Werbeauftritte für ihr Buch. So trat sie auch mit Merkel bei Christiansen auf. Die Sendung wurde von 6 Millionen Zuschauern gesehen. Clinton spielt die PR Trommel geschickt. Der Moderator Tucker Carlson (der gar kein Clinton Fan ist) von der CNN Sendung "Crossfire" hatte vor einem Monat gesagt, er esse seinen Schuh, falls Clinton in einem Monat mehr als eine Million Bücher von "Living History" verkauft habe. Als die Million Bücher verkauft waren, brachte Clinton überraschend einen riesen Schlokoladenschuh in die Sendung, um dem das Einlöen der Wette zu erleichtern. Der Überraschungsauftritt war natürlich erneute Werbung für ihr Buch.
Nachtrag vom 7. September Ex Talkmaster Michel Friedman zeigt sich wieder in der Öffentlichkeit. Am Montag dem 29. September, um 20 Uhr veranstaltet die Berliner Filmproduzentin Regina Ziegler im privaten Kreis einen "Welcom-back-Abend" mit Friedman.
Nachtrag vom 3. November, 2003: Friedmans Comeback
6 Millionen Menschen sahen Friedmans Comeback. Nach der Christiansen Show schrieb er ins Gästebuch:

"Nie schweigen!!! Auch, wenn es schmerzt..."


Vier Monate nach seiner Kokain-Beichte ist Michel Friedman auf dem Bildschirm zurück. Mehr als sechs Millionen Zuschauer sahen ihn am Sonntag als Talkgast bei Sabine Christiansen. Sein "Mea culpa" zahlte sich aus. Der neue Friedman ist schon optisch ein anderer. Tief gebräunt und elegant wie immer aber mit offenen Haare und mittlerweile grauen Schläfen. Vor der Sendung wirkte er angespannt. Auch im Ton war Frieddman milder als gewohnt. Friedman zur Drogen-Affäre
"Ich bin insgesamt nachdenklicher geworden. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe ihn eingeordnet, bin ohne Wenn und Aber von meinen Ämtern zurückgetreten. Wenn man Konsequenzen zieht, erwirbt man auch wieder Vertrauen."


Über Bärbel Schäfer erfuhren die Zuschauer nichts:
"Das bleibt intern. Aber sie ist meine wichtigste Kritikerin und der wichtigste Mensch in meinem Leben."


Im "grünen Salon" setzte sich Friedman ebenfalls harten Fragen aus. Dort wurde ihm vorgeworfen, dass er die Frage der Prostituierten stets übergangen habe. Friedman sagte auch bei dieser Sedung zu diesem Schwachpunkt nicht mehr, als:
"Ich habe einen Fehler gemacht. Genügt das nicht?"


Ungehalten wiederholte er immer wieder diesen Satz. Nach wenigen Minuten war es Friedman, der die Themen besetzte und letztlich die Sendung rhetorisch brillant bestritt.


Nachtrag vom 29. November, 2003: Friedmans Devise
Friedman schreibt neu als Kolumnist in der Zeitschrift "Max". Er beleuchtet in der ersten Kolumne seine persönliche Krise. und schreibt:

"Krise ist Fehler bekennen! Ursachen erforschen! Krise ist überwindbar, dann, wenn Angst bewältigt wird. Mir hat sie geholfen!"


Friedmans Devise lautet:

"Wenn die Luft wirklich dünn wird, muss man - ob man will oder nicht - auftauchen, sonst ertrinkt man. Krisen sind emotionale und rationale Herausforderungen. sie sind Chancen zu Veränderungen."


Obwohl wir diesen Vergleich verstanden haben, erstaunt, dass der brillante Rhetoriker die Anlaogie mit der dünnen Luft verkehrt formuliert. Die dünne Luft ist oben und man müsste eigentlich abtauchen nicht auftauchen. Es ist bekanntlich so eine Sache mit Analogien und Bildern. Wenn eine Regierungsrätin bildhaft reden will und sagt: "Unser Wald muss Federn lassen." So hinkt auch dieser Vergleich. Der Wald ist kein Huhn.
Zurück zu Friedmans Krise. Vor seinem Absturz mit Drogen und Prostituiertengeschichte schien bei ihm die Erfolgslaufbahn stabil. Auf einen Schlag war der Medienmann in einem tiefen Loch. Doch will er heute seine Krise nicht entsorgen, wie es andere tun. Die meisten Betroffenen versuchen bei einer persönlichen Krise, die Schuld auf andere abzuschieben. Das Suchen von Sündenböcken wird in der Psychologie als Projektion bezeichnet.
Friedman will nicht aufgeben und weiterhin den Finger auf wunde Stellen halten. Ob sein Mea culpa tatsächlich genügt, auch die unrühmlichen Geschichten mit Frauen aus dem Osten zu entschuldigen?


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