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www.rhetorik.ch aktuell: (9. Juni 2002)

Euro Muenzen


Euro als Teuro?
Medienwahrnehmung oder Realität?

Euro Muenzen

Euro-abzocker

Seit Wochen wird der Preisschub nach der Einführung des Euros in der deutschen Presse gross aufgemacht. Vor allem die Boulevardpresse belegte mit unzähligen Beispielen, wie die Euro-Umstellung zu unverschämten Preisaufschlägen geführt hat: Die üblichen DM Beträge wurden zum Teil einfach in Euro umgeschrieben.
Eine Fahrradausleihe überstrich beispielsweise einfach den Betrag von 10 DM und notierte darüber statt anstelle von DM "Euro". Dass bei den Preiserhöhungen nicht überall so dumm und dreist vorgegangen worden ist, haben die Teuro-Sheriffs bald registriert. Die eingesetzten "Preisüberwacher" verglichen jedoch die unterschiedlichsten Preise genau.
Die BILD Zeitung thematisierte dieses EURO Thema seit Wochen. Euro - Abzocker wurden veröffentlicht und damit gleichsam an den Pranger gestellt. Das Logo der Aktion war eine geballte Faust, die knallend auf den Tisch haut. Es sollten Preiserhöhungen von über 50% festgestellt worden sein. Wir haben im süddeutschen Raum Familien angetroffen, die tatsächlich eine Woche vor Monatsende trotz analogem Kaufverhalten kein Geld mehr hatten. Gastwirte hatten eine Woche vor dem Zahltag keine Gäste mehr. Wurden die Abzocker zur Rede gestellt, folgten billige Ausreden, wie:
  • "Andere erhöhten ja auch!"
  • "Wir haben uns verrechnet."
Leserinnen und Leser schilderten hunderte von Beispielen mit massiven Preiserhöhungen im Dienstleistungsbereich, beim Pneuwechsel oder beim Brillenkauf. Es wurden Vergleichszahlen genannt, die belegten, dass rund 30% mehr verlangt wurde nach der Einführung des Euro.


Alles nur eine Medienwahrnehmung?

Wer sich mit Wahrnehmungsphänomenen auseinandersetzt, weiss
  • dass Wahrnehmungen stets subjektiv sind
  • dass wir uns von veröffentlichten Aussagen beeinflussen lassen.
Es könnte durchaus sein, dass bei der Wahrnehmung der BILD - Zeitungsberichte, die bewusst alle extremen Beispiele veröffentlicht hatten -- nur ein "gefühltes" Inflationsbild vermittelte? Hatten dadurch die Medien unsere Wahrnehmung einseitig beeinflusst?

Zu den Fakten

Die Diskrepanz zwischen dem Empfinden der Konsumenten und den tatsächlichen Zahlen der Statistik hat unlängst eine Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) aufgeklärt. Das Statistische Bundesamt ermittelte die Inflationsrate von 750 Produkten. Es kam auf eine Inflationsrate von nur 1.9% im ersten Quartal 2002. Werden jene Waren herausgefiltert, die mehr als 2.5% teurer wurden, so liegt die Inflation bei lediglich 4,8%. Das Institut wehrte ich deshalb gegen die Behauptung: EURO=TEURO. Es sei vor allem der kalte Winter gewesen, der das Gemüse verteuert habe, wird von dieser Seite argumentiert.
Interessant sind und bleiben für uns die Auswirkungen der subjektiven Wahrnehmung. Die Beeinflussung der eigenen Wahrnehmung und die Beeinflussung durch Medienberichte. Wir haben einige Preise ebenfalls persönlich verglichen und konnten tatsächlich feststellen, dass überall ein bisschen aufgerundet wurde.

Das Institut für angewandte Verbraucherforschung (IFAV) hatt im Juli, November 2001 und Februar 2002 Vergeleiche angestellt: In 20 Restaurants und rund 100 Gerichten und Getränken wurden in 80% der Fälle die Preise angehoben, um bis zu 30 Prozent. Preissenkungen gab es maximal 5 Prozent. Die Tester schauten auch auf die Preise von rund 900 gängigen Konsumartikeln aus verschiedenen Sparten: Lebensmittel, Unterhaltungselektronik, Drogerieartikel, Schreibwaren und Haushaltswaren. Anfang Februar 2002 durchforsteten die Tester mehr als 100 Geschäfte in Bielefeld, Dortmund, Essen und Köln. Bei 45 Prozent der Produkte stellte das Institut Preisveränderungen gegenüber Juli 2001 fest.

Die "Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung".

Wir hatten bei den neuen Preisen nirgends ein Abrunden registrieren können. Wenn wir die Teuerung am eigenen Leib konkret erfahren, so wird damit die Medien - Wahrnehmung bestätigt. Wir kommen zur verallgemeinernden Erkenntnis, dass bestimmt überall massiv aufgerundet worden sein muss. (Phänomen der "sich selbst erfüllenden Prophezeiung": Das, was wir vermuten, geht in Erfüllung. Damit wird bestätigt, dass es so sein muss! Und wir glauben es!)

Die Teuerung ist so oder so spürbar

Angenommen, die Teuerung hätte tatsächlich nur 4-5% zugenommen. Auch dies hätte für normale Lohnbezüger bereits gravierende Folgen. Denn die Löhne wurden kaum der Teuerung adäquat angepasst. Die Wahrnehmung der BILD Zeitung sieht deshalb die Masse im Alltag bestätigt.
Das statistische Amt hatte somit einen schweren Stand, die effektiven Zahlen als Wahrheit zu "verkaufen".
Fakten werden vom Publikum nicht geglaubt, wenn sie der persönlichen "Wahr-nehmung" widersprechen.

Die Boulevardpresse hatte somit nach den Konsumenten die Sympathie auf ihrer Seite. Die Aktion hat sich für die Presse jedenfalls ausgezahlt. Die Thematik stiess auf enorm grosses Interesse. Das Echo war riesig. Es gab Hunderte von Zuschriften.
Auf dem "Anti Euro Gipfel" wurde die Einrichtung eines Internetforums beschlossen. Es gibt ein online Euro-Beschwerdeforum.


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