Rhetorik.ch


Knill+Knill Kommunikationsberatung

Knill.com

www.rhetorik.ch aktuell: (3. Juli, 2004)

"Inkompetenzkompensationskompetenz"



Odo Marquard Falls Ihnen dieser Begriff "spanisch" vorkommt, so sind Sie nicht allein. Fragen Sie Ihren Lebenspartner, ob er vielleicht diesen Begriff kennt. Wohl kaum! Dieser Tage haben wir den Begriff anlässlich einer Einschätzung der deutschen TV-Frau Sabine Christiansen gelesen. Darin wird ihr ein zu dürftiger eigener Standpunkt zugebilligt, aber dafür wird der Moderatorin immerhin "Inkompetenzkompensationskompetenz" zugesprochen. Als Erstbenutzer dieses grandiosen Wortes wird Odo Marquard genannt. Marquard ist ein emeritierter deutscher Hochschulphilosoph und ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.


Der Begriff ist nicht nur unverständlich, er erscheint auch im Internet in einer Sammlung von "unfreiwilligem Humor": aus der "Zeitschrift für Notarpraxis":

"Die Inkompetenzkompensationskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung, also die ihr von der Rechtsprechung und der Literatur eingeräumte und von ihr in Anspruch genommene Kompetenz, die eigene Inkompetenz durch Beschlussfassung zu kompensieren, ist Wohnungseigentumsgeschichte geworden."




Fazit: Sich einfach und verständlich auszudrücken ist eine Kunst, die auch Intellektuelle trainieren müssen. Verständliches Reden oder Schreiben zeugt von sprachlicher Kompetenz.




Über Odo Marquard: ( Quelle). Der Giessener Kulturwissenschaftler Prof. Odo Marquard ist heute 76 Jahre alt. Er gilt als humorvoller Philosoph, der sein Publikum mit pointierten Formulierungen und gewitzten Vergleichen unterhält. Das Zitat

"Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt"


hatte Marquard einmal als Devise ausgegeben. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte Marquard vor allem mit der von seinem Lehrer Joachim Ritter angeregten "Kompensationstheorie" der Geisteswissenschaften. Der Siegeszug der Naturwissenschaften mache die Geisteswissenschaften keineswegs überflüssig, sondern stärke ihre Bedeutung als notwendiges Gegengewicht. Sie sollten die "lebensweltlichen Verluste", die mit dem Fortschritt unweigerlich einhergingen, ausgleichen. Als Marquard seine These 1985 auf der Westdeutschen Rektorenkonferenz in Bamberg vorstellte, ging eine Welle der Entrüstung durch die Wissenschaftswelt. Kritiker sahen darin eine konservative Verklärung einer heilen Vergangenheit und warfen ihm Verrat an der aufklärerischen Vernunft vor. Geschichtsphilosophie, Ästhetik, Anthropologie, Hermeneutik oder Psychoanalyse: Mit seiner Forschung deckt der Wissenschaftler ein breites Themenspektrum ab. "Es ging eigentlich immer um eine philosophische Theorie der modernen Welt - und um den Versuch, die Bürgerlichkeit der modernen Welt positiv zu sehen", fasst Marquard die unterschiedlichen Facetten seines Werks zusammen. Marquard ist 1928 in Stolp (Pommern) geboren, besuchte bis zum 17. Lebensjahr eine NS-Kaderschule. Kurz vor Kriegsende wurde er zum Volkssturm eingezogen und geriet in Kriegsgefangenschaft. Auf Grund seines "frühen Irrtums" und der Erfahrung mit dem totalitären Regime wurde er nach eigener Darstellung zum Skeptiker - "gegen Dogmatismus und Absolutheitsillusionen". 1954 promovierte Marquard in Freiburg, 1963 habilitierte er sich in Münster. Von 1965 bis zu seiner Emeritierung 1993 lehrte er an der Universität Giessen. Als Hauptwerke gelten die beiden Bände "Abschied vom Prinzipiellen" (1981) und "Apologie des Zufälligen" (1986).


Rhetorik.ch 1998-2012 © K-K Kommunikationsberatung Knill.com