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www.rhetorik.ch aktuell: (18. Januar, 2004)

"Ja -aber" Rhetorik



Moritz Leuenberger: Quelle: www.meltingpot.unizh.ch Als Frontkämpfer in Abstimmungskampagnen müssen Bundesräte oft die Meinung des Bundesratskollegiums vertreten. Sie müssen immer wieder hinter Entscheidungen stehen, die sie persönlich nicht vertreten können. Bundesrat Leuenberger musste schon einmal bei der Energiepolitik seine Botschaften geschickt verschlüsseln, damit er das Gesicht wahren konnte. Damals war es ihm gut gelungen.

Bei der Abstimmung vom 8. Februar kommt der Verkehrsminister erneut in Bedrängnis. Persönlich kritisierte er die Aufweichung des Alpenschutzes mit dem demokratisch fragwürdigen erzwungenen Bau einer zweiten Gotthardröhre. Bundesrat Leuenberger musste wieder geschickte "differenzieren". Obschon er die Meinung des Bundesrates teilen muss, möchte er nicht zur Galionsfigur des Gegenentwurfes werden.


Leuenberger versuchte es bei dieser Sachfrage gleichsam mit "Ungehorsam". Er kritisiert die Personalisierung von Vorlagen via Bundesrat. Diese Kritik vor den Bundeshausmedien formulierte er bemerkenswert scharf.

Moritz Leuenberger am Rheinfall, Quelle: www.admin.ch Bisher mussten sich die Departementsvorsteher stets für oder gegen eine Abstimmungsvorlage engagieren. Leuenberger störte sich bereits bei der ehemaligen Bundesrätin Dreifuss, welche nach der Ablehnung der aufgestockten Mutterschaftsversicherung im Regen stehen gelassen worden sei. Leuenberger will nun mit der bisherigen staatspolitischen Gepflogenheit brechen und findet, die Parlamentarier sollten die Kastanien für ihre selbstgestrickten Vorlagen allein aus dem Feuer holen. In der Arena möchte er sich deshalb weder als Befürworter noch als Gegner festlegen. Leuenberger will sich bewusst in der Mitte positionieren. Der Verkehrsminister verurteilt nämlich persönlich die umstrittene Lockerung des Alpenschutzartikels durch das Parlament.


Dieses Verhalten kann Folgen haben für die Auftritte der neu gewählten Bundesräte. Die Öffentlichkeit fragte sich beispielsweise bei der Wahl von Christoph Blocher, ob er hinter Entscheiden stehen könne die er persönlich nicht unterstützt. Künftighin könnten sich Bundesräte auch das Recht nehmen, ihre persönliche Meinung mehr zu gewichten.

Beide Bundesräte, Leuenberger und Blocher lehnen das binäre Prinzip der Sendung Arena ab. Die Bundesräte werden gemäss Bundesratsentscheid für oder gegen eine Vorlage - links oder rechts placiert. Da Bundesrat Leuenberger dem Gegenvorschlag des Parlamentes bei der Avanti Initiative mit innerer Reserve begegnet forderte er, man möge ihn in der Mitte positionieren. Die Verantwortlichen akzeptierten dies nicht. Der Bundesrat musste den Spagat wagen und vertrat in der Sendung eine differenzierte Meinung, obschon er hinter dem Bundesratpult links stehen musste. Es sagte trotzdem unumwunden, die Vorlage habe gewisse Mängel. Seine Vorbehalte, sein Missfallen versteckte er bei seinen Aussagen nicht. Verständlicherweise möchte der neue Bundesrat Blocher dieses Recht des neutralen Sprechers auch für sich beanspruchen. Die "NZZ-am Sonntag" vom 18. Januar nimmt die Thematik "Positionierung des Bundesrates" ebenfalls ernst und fragt sich, ob ein Mitglied der Landesregierung zur Wahllokomotive werden muss. Der Beitrag schliesst mit der These:

'Kein Bundesrat muss in die "Arena". Er muss dort auch weder links noch rechts stehen - sondern im besten Fall darüber.'


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