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www.rhetorik.ch aktuell: (17. Januar, 2002)


Mann des Jahres?


Mann des Jahres im Time Magazin Im Facts (Nr. 51) vom 20. Dezember 2001 wurde auf der Titelseite der Prophet des Terrors Osama bin Laden abgebildet mit den grossen Lettern "Mann des Jahres". Dieser Titel führte zu einer Welle der Empörung.
Ein Massenmörder der 3000 Tote auf dem Gewissen hat wird als "Mann des Jahres" gewählt! Dies spotte jeglichen Respekt vor den vielen Opfern, schrieb ein Leser.
Facts veröffentlichte immerhin einige der kritischen Briefe. "Wo bleibt da die menschliche, journalistische Ethik?" meinte ein anderer Leser, vor allem deshalb, weil "Mann des Jahres" gleichsam ein geschützter Begriff ist für eine aussergewöhnliche Leistung und nicht für ein aussergewöhnliches Verbrechen.
Ein Redaktor nahm die tiefe Bestürzung der Leserschaft zur Kenntnis, verbunden mit der Rechtfertigung: Bin Laden habe die Menschheit im Jahre 2001 immerhin wesentlich geprägt. Wenn das Kriterium "Mann des Jahres" sich darauf reduzieren würde, dass damit eine Person gemeint ist, von der am meisten geredet wurde, so hätten Redaktoren 1945 Hitler mit der nämlichen Begründung zum "Mann des Jahres" küren können. Damals wurde von ihm auch überall geredet und Hitler hatte 1945 ebenfalls die Menschheit geprägt.
Mit der jüngsten Pressemeldung vom 13. Januar 2001 erhält nun der "Faux pas" der Facts-Redaktoren eine zusätzliche Dimension.
Bin Laden wurde nämlich im Irak ebenfalls als "Mann des Jahres 2001" ernannt. 93% der Bürger von Irak sollen den mutmasslichen Terroristenführer gewählt haben. Die regierungstreue Zeitung "Al-Thawra" habe die Umfrage- zusammen mit dem staatlichen Radio durchgeführt, hiess es in der Pressemeldung.
Müsste dies nicht jenen Journalisten zu denken geben, die das Titelbild mit dem "Mann des Jahres" zu verantworten haben?
Das amerikanischen Time Magazin, das schon seit 1927 jedes Jahr einen Mann des Jahres kürt ging etwas intelligenter vor: Im Dezember wurden gerüchteweise die engere Auswahl von "Mann des Jahres" Kandidaten bekannt und auch offenbart, dass Osama Bin Laden in die engere Wahl kam. Es regte sich aber starke Kritik. Wie die "Washington Times" schreibt, hat etwa Daniel Pipes, Direktor des Nahost-Forums in Philadelphia, seine Bedenken für den Fall angemeldet, sollte tatsächlich der Initiator der Terroranschläge vom 11. September die Person des Jahres werden: "Es ist etwas unglücklich, dass diese Wahl für viele Menschen wie eine Auszeichnung oder Würdigung klingt." Tatsächlich hat Time seit jeher ohne Rücksicht auf "Gut" oder "Böse" jene Menschen gewählt, die während des abgelaufenen Jahres "den größten Einfluss auf die Geschichte" ausgeübt haben. Der Nahost-Experte räumt ein: "So gesehen, ist Bin Laden natürlich der mit Abstand geeignetste Mann für das heurige Cover." von politicalhumor.about.com Der bärtige Terroristenführer wäre nicht der erste "Bösewicht", dem diese Ehre zuteil würde: Adolf Hitler war 1938 "Mann des Jahres", Josef Stalin sogar zweimal (1939 und 1942) und Ayatollah Khomeini wurde 1979 von Time aufs Titelblatt gerückt. Time-Herausgeber James Kelly war sich bewusst, dass ein Bin Laden Cover zur Vorlage für Plakate und Poster werden könnte, die bei Demonstrationen radikaler Islamisten geschwenkt würden. Kelly sagte aber "Wir machen unsere Wahl nicht davon abhängig, welche Reaktionen sie hervorrufen könnte." Die entgültige Entscheidung zugunsten Guglianis wurde vielleicht aber doch von den heftigen Vorreaktionen beeinflusst.
Im politischen Humoresken (Beispiel ) politicalhumor.about.com wurde Bin Laden in den USA doch noch Ehre zuteil, jedoch als "Toter Mann des Jahres".
Erkenntnis: Nicht nur beim Reden lohnt es sich, Begriffe zuerst zu bedenken und zu klären. Auch vor dem Schreiben gilt es vorauszudenken, Reaktionen vorherzusehen und eventuell auszutesten.
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