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www.rhetorik.ch aktuell: (28. Feb. 2003)

Saddams Rhetorik


Dan Rather Dem amerikanischen CBS Fernsehmann Dan Rather hat Saddam Hussein in Bagdad ein langes Interview gegeben. Seit langem ist es das erste, das der irakische Präsident einem amerikanischen Journalisten gewährt hat. Das Interview wurde im amerikanischen TV-Sender CBS über mehrere Tage verteilt ausgestrahlt. In diesem Interview verstand es Hussein einmal mehr, beim Medienauftritt seine Sicht seiner Dinge darzulegen. Uns interessierte beim dreistündigen, historischen Gespräch vor allem die Rhetorik des Diktators. Ist es dank Analyse des Interviews möglich, versteckten Aussagen herauszuhören? Kann man Stellen finden, wo der Diktator nicht die Wahrheit sagt?




Die eindeutige Aussage Husseins, er werde im eigenen Land sterben, erstaunte. Bei früheren Interviews waren die Antworten in der Regel schwammig. Während des ersten Golfkriegs antwortete er meist mit raffinierten Gegenfragen. Mit der eindeutigen Antwort - "Ich werde hier sterben" - wissen alle, dass ein Exil für Hussein nicht in Frage. Die Antwort signalisiert: Hussein wird kämpfen. Im Gegensatz zum ersten Golfkrieg gibt sich Hussein im Interview als verantwortungsvollen Staatsmann:
  • Er wolle die Ölquellen nicht anzünden.
  • Hussein würde nicht ins Exil gehen.
  • Irak habe nie Verbindungen mit Bin Laden und Al Quida gehabt.
  • Irak habe den ersten Golfkrieg nicht verloren.
  • Er offeriert den Dialog mit Bush.
Trotz der rhetorisch geschickten Präsentation bleibt jedoch das Gefühl, dass Hussein nicht berechenbar ist. Dabei spielt natürlich eine Rolle, dass Hussein schon ein paar mal die Welt an der Nase herumgeführt hat.



Zur Raketenfrage Vor allem bei der Raketenfrage bleibt Hussein in seinen Antworten vage. Auf die einfache aber sehr konkrete Frage, ob er die Al-Samoud Raketen zerstören werde, antwortet Hussein ausweichend:

"Wir sind verpflichtet, die Resolution zu erfüllen. Auf dieser Grundlage haben wir gehandelt und werden wir auch künftig handeln. Wie sie wissen, ist es dem Irak gemäss UNO- Resolution erlaubt, Boden-Boden-Raketen herzustellen."


Hussein beantwortete die Frage nicht. Es nutzt dafür die Chance, mit einer "Nicht- Antwort" der Welt mitzuteilen, dass er Boden-Boden-Raketen besitzen darf. Der Journalist hakte nach:

"Haben Sie mich verstanden? Herr Präsident? Haben Sie nicht die Absicht, diese Raketen zu zerstören?"


Hussein:
"Was für Raketen?"
Eine Klärungsfrage ist eine Taktik des Nichtverstehenwollens.
"Wir haben keine Raketen ausserhalb der Spezifikationen der Vereinten Nationen."
Dies ist eine Verwischungstaktik. Es wurde nicht gefragt, ob die Raketen innerhalb der Spezifikationen sind. Hussein tut so als wisse er nicht, dass die Al-Samoud-2-Raketen weiter als 150 km fliegen können und deshalb verboten sind. Tatsächlich ist die Reichweite der Al Samoud Raketen nach Angaben des Internationalen Institutes für Stategische Studien unterhalb der erlaubten 93 Mi=150 km. Hussein verschweigt aber, dass die Raketen für grössere Reichweiten umgerüstet werden könnten.

"Die Inspektionsteams sind hier und suchen."


Anstatt konkret zu antworten, nutzt Hussein die rhetorische Kunst, mit der Antwort zu führen. Er teilt mit, dass er alle Anordnungen befolge und dass sich stets inspizieren lasse.

"Die Welt weiss, dass Irak nichts von dem hat, was auf höherer politischen Ebene behauptet wird. Ich glaube, das die ganze Aufregung dazu benutzt wird, die grosse Lüge zu verbreiten, dass der Irak Massenvernichtungsmittel besitze, wie biologische, chemische oder nukleare Waffen. Also- diese Raketen, von denen Sie sprechen, die Raketen, die gegen die Resolution der Vereinten Nationen verstossen, die existieren nicht, sie wurden zerstört."


Die Frage wird auf jene Waffen verlagert, die nicht nachgewiesen werden konnten. Wiederum fehlt eine unmissverständliche Antwort.



Zu Bin Laden Auf die Frage, ob Irak Verbindungen zu Al Quaida habe oder auf Verbindungen mit Al Quada gefragt antwortet Hussein ausweichend, dann aber klar:


"Ich werde Ihnen ganz klar sagen: Wir hatten nie Verbindungen mit Mr. Osama bin Laden und Irak hat nie Verbindungen mit Al Quaeda gehabt".


Dies ist im Wiederspruch zu einer Behauptung der USA. Siehe Powell's Rede vor dem Sicherheitsrat.


"Falls Amerika Osama bin Laden als ein Champion sieht, dann sind wir nicht neidisch auf ihn. ... Neid ist keine Eigenschaft eines Mannes. Es mag eine Eigenschaft von Frauen sein ... Männer kennen keinen Neid, vor allem wenn es um das Interesse der Nation geht."





Angebot zu Streitgespräch. Das Interview gipfelt am Schluss im Angebot zu einem TV Streitgespräch per Satellit mit Bush. Hussein meinte:

"Der Dialog könnte den Frieden bringen!" "Warum sollten wir nicht ein Streitgespräch führen?"



Dieser Vorschlag trägt dazu bei jenen Kräften Auftrieb zu geben, die für ein Zuwarten eintreten. Hussein setzt auf Zeitgewinn.
Rather sichtlich überrascht und fragte:
"Ist das ein Scherz?"
Hussein:
"Nein, Nein. Ich sage das, weil Krieg auch kein Scherz ist".




Zum ersten Golfkrieg Hussein wiederholte im Gespräch mehrfach, er habe den Golfkrieg von 1990/91 nicht verloren:


"1991 wurde Irak nicht besiegt. Unsere Armee hat sich von selbst von Kuwait zurückgezogen. Es ist wahr: die Armee hat Kuweit unter Bombardement verlassen, aber wenn die Truppen wieder im Irak waren, wurden sie nicht besiegt, noch wurden die Irakische Bevökerung besiegt".



Rather antwortet darauf, dass die US Bevökerung mit einer solche Interpretation gar nichts anfangen könnten: Hussein antwortet mit bemerkenswerer Logik:

"Warum werden wir denn wieder attakiert, wenn wir besiegt worden sind?".



Schwieriger zu glauben ist Hussein's Behauptung:

"Wir haben damals nicht mehr als 10 Prozent unseres Materials verloren. Wir haben zwar eine Schlacht verloren, wir wurden aber nicht besiegt".





Wie geht es weiter? Hussein ist es bisher gut gelungen, Zeit zu gewinnen. Für die USA wird weiteres Zuwarten unangenehm, zumal die Truppen bei hohen Temperaturen benachteiligt wären. Die Hinhaltetaktik bei der Zerstörung der Raketen ist Zeitgewinn. Hussein kann sie im letzten Augenblick noch zerstören. Zerstört er sie tatsächlich, bekommt Bush ein Problem. Ihm wird eines der zugkräftigsten Argumente zum Eingreifen entzogen. Mit der Dialogbereitschaft kann der iraktische Diktator zudem all jene Regierungen beeindrucken, die sich noch nicht positioniert haben. Auch dies bringt Zeitgewinn. Hussein hat mit diesem historischen Interview Weichen gestellt.


Nachtrag vom 1. März.
Hussein hat mit der Zerstörung der Al Samoud Raketen begonnen und die US Administration gezwungen die Messlatte noch etwas höher zu legen: Hussein müsse abtreten, um einen Krieg zu vermeiden, eine Entwaffnung sei nicht genug.
Zum Interview gab es noch ein Nachspiel: Nach dem Rather Interview '60 Minutes I' vom Montag hatte die Bush Administration verlangt, in der Sendung '60 Minutes II' vom Mittwoch eine Gegendarstellung zu geben.
Es kam dann aber zu keiner Einigung. Dan Rather hinterfragte in einem "Larry King Live" Interview, dass das Weisse Haus einer News Organisation zu sagen habe, wie sie ihr Programm machen müssten.
Die Sendung '60 Minutes II' wurde von fast 18 Millionen Leuten gesehen.




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