Ein seltenes Interview
Am Sonntagabend, den 2. Februar führte der britischen Labour-Veteran Tony
Benn - als entschiedener Kriegsgegner - mit dem Saddam Hussein eine seltenes
Interview, das von vielen Fernsehanstalten einen Tag vor der Sitzung des
UN-Sicherheitsrates ausgestrahlt wurde. Das
40-minütige Gespräch erinnerte
an das legendäre Interview vor dem Golfkrieg. Damals musste Hussein drei
Mal gefragt werden, ob der Irak Atomwaffen besitze. Der Diktator antwortet
in jenem Interview nur mit Gegenfragen und verstand es
damals, dank zivilem Auftritt und melodiöser freundlicher Stimme bei der
amerikanischen Bevölkerung viele Pluspunkte zu gewinnen.
Das neue Interview war noch geschickter inszeniert.
- Diesmal waren keine Generäle im Hintergrund.
- Hussein trug ein dunkles Kleid.
- Das Gespräch fand im Palast statt.
- Der kunstvolle Hintergrund wirkte "privat" und machte
einen würdigen Eindruck.
- Husseins Stimme klang freundlich, fast familiär.
Phasenweise tönte sie sehr tief und sonor.
- Der Sprechfluss war ruhig, eher langsam, überlegt
und präzise. Auffallend war der konstante Blickkontakt.
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Der Diktator gab in letzten Interview eindeutige, unmissverständliche
Antworten:
- Wir haben keine Massenvernichtungswaffen,
- Es bestehen keine Verbindungen zu Terrororganisationen.
- Wir haben alle Auflagen erfüllt, die von uns verlangt wurden.
Die Aussagen war eine grosse Anklage gegen die westliche Welt.
- Wenn wir die Beziehung zu Al Qaida hätten und an diese Beziehung glaubten,
wären wir nicht beschämt, dieses zuzugeben.
- Die Zerstörung Iraks ist eine Bedingung für die
Kontrolle über das Oel.
Wir sind überzeugt, dass der Zeitpunkt dieses Interviews mit der
wohldurchdachten Regie verbunden mit der wirkungsvollen Rhetorik den
beabsichtigten Zweck nicht verfehlen wird.
Der Auftritt Powells
Alle Medien warteten gespannt auf die angekündigten Beweise, die der
US-Aussenminister mit Hussein am Mittwoch dem 5. Februar präsentierte.
Nach dem Auftritt folgten postwendend die Beurteilungen.
- Die Rede sei eindrucksvoll gewesen.
- Powell habe ausser den erwarteten
Tonbandaufzeichnungen und Satellitenbildern nichts Neues gesagt.
- Die angeblichen Verbindungen mit den Terrororganisationen sollen Jahre
zurück liegen.
- Einige Journalisten fanden die Indizien glaubwürdig.
- Es wurde bedauert, dass die Belege nicht überprüfbar seien.
Zur Rhetorik des Aussenministers:
- Die Präsentation war ruhig.
- Die Stimme klang nicht nach "Kriegsrhetorik"
- Powells Erfahrung bei Präsentationen (Golfkrieg) kamen ihm zu gut
- Powell musste zwangsläufig viel ablesen
- Powell konnte als Person Pluspunkte sammeln.
- Die Präsentation wirkte natürlich und der Situation angemessen.
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Nachträge zum Thema:
- Am 7. Februar wurde bekannt, dass Teile des Irak Dossiers der Britischen
Regierung, die von Powell zitiert hatte, von drei verschiedenen Artikeln,
unter anderem von einem Doktoranden Ibrahim al-Marashi abgefassten
Artikel
in der Zeitschrift MERIA ("Middle East Review of International Affairs")
abgeschrieben worden seien.
(Der Vorwurf eines
Plagiats wurde laut). Der Student sagte, er sei zwar
"geschmeichelt", hätte aber gerne eine Quellenangabe gesehen.
Die Englander gaben zu, die Quellen nicht zitiert zu haben:
Blair: "Wir alle lernen von Fehlern".
- Powell hatte behauptet, dass eine eine 500 köpfige Gruppe von
Ansar Kämpfer im Norden Iraks Verbindungen mit Al Qaeda hätten.
Die Asnsar hatten unterdessen Journalisten zu sich eingeladen und die
Behauptungen zurückgewiesen.
- Auf der Münchner Sicherheitskonferenz war auch
Donald Rumsfeld anwesened. Tausende demonstrierten in
München für eine friedliche Lösung.
Rumsfeld kritisierte Deutschland und Frankreich
und sagte "die Uno mache sich lächerlich".
Senator John McCain, Mitglied der US-Delegation bei der
Münchner Sicherheitskonferenz, warf Deutschen und
Franzosen "desinformierte, primitive Amerikafeindlichkeit" vor.
- Weltweit vermindert sich die Hoffnung auf eine friedliche Lösung im Irak
Konflikt. Annan sagte am Samstag dem 8. Februar, dass die USA Einigung mit dem
Sicherheitsrat anstreben solle. Frankreich und Deutschland unternehmen unterdessen
Anstrengunen für eine Blauhelmlösung im Irak. Rumsfeld erfuhr pikanterweise
in München von diesem Vorstoss erst durch die Nachrichten. Das Geheimprojekt
"Mirage" sieht vor, den Irak komplett zu entwaffnen. Tausende von Blauhelm-Soldaten
der Vereinten Nationen sollen in den Irak einmarschieren, um die Arbeit der
Inspektoren zu ermöglichen. Unter ihrem Schutz könnten die Inspektoren
zu einer gewaltigen "Hausdurchsuchung" des Iraks ansetzen.
Nachträge vom 10. Februar
Washington-Post-ABC Umfragen scheinen zu zeigen, dass die Mehrheit der
US Bevölkerung einen Krieg im Irak befürworten. Die Umfragen zeigen
eine starke Stimmungsänderung Anfangs Februrar 2003.
(Eine Folge von Powells Vortrag?).
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