Im Zusammenhang mit den Medienberichterstattungen rund um die
Auseinandersetzungen "Wirtschaftforum Davos und die Globalisierung" und dem
massiven Polizeieinsatz und den chaotischen Szenen in Zürich könnten
wir zwar an dieser Stelle verschiedenste Tehmenbereiche der Medienrhetorik
beleuchten. Beispiele wie
sind auf rhetorik.ch Webseiten
bereits ausführlich behandelt.
Die Polarisierung der Kontrahenten bei allen Medienberichten über die
Vorkommnisse während und nach dem WEF, machen uns eine neue Erkenntnis
bewusst:
Vor jeder Diskussion müssten zuerst die zentralsten Begriffe geklärt
werden.
Der Hauptreferent - Prof. Dr. Rupert Lay - des
Exklusivseminars vom
26. Januar dieses Jahres machte unter anderem deutlich, dass
es sich bei jeder Auseinandersetzung lohnt, immer zuerst die Begriffe zu
klären. Wer die Streitgespräche und Artikel zum Weltwirtschaftsforum
gelesen, gesehen oder gehört hatte, wird festgestellt haben, dass zum
Beispiel der Gewaltbegriff von keiner Seite klar definiert wurde.
Rupert Lays These:
"Der Unterschied bei Auseinandersetzungen ist nie ein
Störgrösse, denn jede Seite geht immer mit der eigenen
Gewissheit (dass etwas so ist- dass Begriffe so sind) ins Gespräch."
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Zurück zu den Diskussionen rund um das WEF:
Tatsächlich fehlte meist die Differenzierung der unterschiedlichen
Gewissheiten. Auch bei der Arenadiskussion vom 2. Februar im Schweizer
Fernsehen, vermissten wir diese Klärung. Vielleicht ist dies auch ein
Grund, dass es beim Treten an Ort blieb.
Wenn zuerst der Gewaltbegriff definiert werden sollte, so geht es nicht
darum, eine wissenschaftliche Abhandlung und unverständliche
Differenzierung des Gewaltbegriffes über strukturelle Gewalt usw. Es wäre
hilfreich gewesen, wenn beide Seiten ihre Gewissheit über Gewalt kurz
erläutert hätten.
Bei allen Medienbeiträgen über die Polizeieinsätze und die
Demonstrationen wurden die unterschiedlichen Sichten meist zu wenig deutlich
herausgeschält
Erst im Laufe der zahlreichen Streitgespräche an den elektronischen Medien
und den verschiedenen Artikel zeichnet sich ab, dass der Gewaltbegriff
völlig unterschiedlich gewertet wurde. Es fehlte stets an der klaren
Definition: Was versteht jede Seite unter Gewalt?
Im Laufe der Gespräche wurde erst ersichtlich, was die Demonstrierenden
unter Gewalt verstehen:
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Anderseits wird der Gewaltbegriff bei den Politikern und bei den
Polizikräften anders gesehen:
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- Die Gewalt werde in erster Linie von den Mächtigen und Globalisierern
augeübt. Denn diese üben selbst gegen die Menschen Gewalt aus (in
der Form von Entlassung von Mitarbeitern usw).
- Für die Demonstranten und den WEF Gegnern übte die Polizei Gewalt aus.
- Die Polizei provoziere mit der Abriegelung die Gegengewalt.
(Zum Beispiel durch Sperren von Strassen, Stacheldraht und der
unverhältnismässigen Praesenz). Ursache der
Gewaltausbrüche sei die Polizei.
- Zerstörung von Autos, Fällen von Bäumen als Sperren, Blockaden, auch das
Sprengen von Masten, das Unterbrechen von Telefonleitungen zählten nicht
zu den Gewaltakten. Erst wenn es um Angriffe gegen Menschen gehe, handle es
sich eigentlich um Gewalt.
- Die Gewalt in Zürich sei nur eine Konsequenz der sturen Haltung der
Polizeikräfte im Bündnerland gewesen. Die Schuld der Eskalation liege
allein bei denjenen, die Druck ausgeübt haben.
- Gewalt sei etwas Legales, wenn das Grundrecht Demonstration abgewürgt
wird.
- Folge und Ursache gelte es immer zu unterscheiden.
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- Wenn Gewalt angedroht wird, müssten Bevölkerung und
Staatoberhäupter geschützt werden. (Dies sei ein staatsrechtlicher Auftrag)
- Wenn die Erfahrungen in den Vorjahren deutlich gemacht haben, dass
friedliche Demonstrationen missbraucht werden: (zerstören von Geschäften,
Leitungsmasten sprengen, Platzierung von Sprengsätzen, Zerstörung von Hab
und Gut, Feuer legen usw) so wäre es naiv gewesen, wenn der Fleck nicht
abgeriegelt werde.
- Es wäre völlig naiv gewesen, wenn der internationale Aufmarsch der
Chaotensszenen einfach hingenommen worden wäre. Seattle und Prag bewiesen,
was geschieht, wenn keine rigurosen Massnahmen ergriffen werden. Was kann
ein Polizeikorps gegen Tausende von aufgebrachten Menschen machen?
- Wenn in der Anarcho-szene konkrete Anweisungen erteilt worden seien und der
Aufmarsch via Alternativradio und Internet minutiös geplant worden sei, so
müsse dies ernst genommen werden.
Dass Davos brennen soll und das WEF zu zerstoeren sei, sei offen
ausgesprochen worden.
- Auch bei Fussballmatchs müsse heute bei heiklen Auseinandersetzungen
praeventiv vorgegangen werden.
- Zerstörung von "Sachen" (Geschäfte, Autos, Telefonleitungen, Sperren der
Autobahn und des Eisenbahnnetzes) habe nichts mit Gewaltfreiheit zu tun.
- Die Einschränkung des Demonstrationsrechtes an einem Tag sei gerichtlich
abgesegnet gewesen.
- Wenn jemand frustriert sei, so dürfe dies kein Freibrief für Gewalttaten
sein. (Kompensationsrecht)
- Die Demonstration in Zürich, wo Molotovkocktails mitgeführt worden
seien, habe bestätigt, dass das
Demonstrationsverbot ein richtiger Entscheid gewesen sei.
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Dies Gegenüberstellung macht deutlich, dass
die Ansichten über den Gewaltbegriff auseinanderklaffen.
Schade, dass auch vor der Arenasendung vom 2. Februar im Schweizer
Fernsehen der unterschiedlich verstandene Gewaltbegriff nicht geklärt worden war.
Nicht nur bei dieser Sendung zeigte sich, dass jedesmal wenn das Reizwort
Gewalt fiel, dem Gegenüber ins Wort gefallen wurde.
Patrick Rohr als Moderator war nach der Sendung erstaunt, wie hart die
Fronten festgefahren waren.
Vielleicht hätte es geholfen, wenn die bewährte Spielregel
eingehalten worden wäre:
Bei Auseinandersetzungen wichtige
Begriffe immer zuerst definieren!
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