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www.rhetorik.ch aktuell: (3. Feb. 2001)


Diskussionen zum Wirtschaftsforum Davos: Zuerst Begriffe definieren


Anhand von Diskussionen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsforum Davos lernen wir, dass bei Meinungsverschiedenheiten das Klären von Begriffe etwas vom wichtigsten ist.
Auseinandersetzung in Davos Im Zusammenhang mit den Medienberichterstattungen rund um die Auseinandersetzungen "Wirtschaftforum Davos und die Globalisierung" und dem massiven Polizeieinsatz und den chaotischen Szenen in Zürich könnten wir zwar an dieser Stelle verschiedenste Tehmenbereiche der Medienrhetorik beleuchten. Beispiele wie
sind auf rhetorik.ch Webseiten bereits ausführlich behandelt.
Die Polarisierung der Kontrahenten bei allen Medienberichten über die Vorkommnisse während und nach dem WEF, machen uns eine neue Erkenntnis bewusst:
Vor jeder Diskussion müssten zuerst die zentralsten Begriffe geklärt werden.
Der Hauptreferent - Prof. Dr. Rupert Lay - des Exklusivseminars vom 26. Januar dieses Jahres machte unter anderem deutlich, dass es sich bei jeder Auseinandersetzung lohnt, immer zuerst die Begriffe zu klären. Wer die Streitgespräche und Artikel zum Weltwirtschaftsforum gelesen, gesehen oder gehört hatte, wird festgestellt haben, dass zum Beispiel der Gewaltbegriff von keiner Seite klar definiert wurde.
Rupert Lays These:
"Der Unterschied bei Auseinandersetzungen ist nie ein Störgrösse, denn jede Seite geht immer mit der eigenen Gewissheit (dass etwas so ist- dass Begriffe so sind) ins Gespräch."

Zurück zu den Diskussionen rund um das WEF:
Tatsächlich fehlte meist die Differenzierung der unterschiedlichen Gewissheiten. Auch bei der Arenadiskussion vom 2. Februar im Schweizer Fernsehen, vermissten wir diese Klärung. Vielleicht ist dies auch ein Grund, dass es beim Treten an Ort blieb.
Wenn zuerst der Gewaltbegriff definiert werden sollte, so geht es nicht darum, eine wissenschaftliche Abhandlung und unverständliche Differenzierung des Gewaltbegriffes über strukturelle Gewalt usw. Es wäre hilfreich gewesen, wenn beide Seiten ihre Gewissheit über Gewalt kurz erläutert hätten.
Bei allen Medienbeiträgen über die Polizeieinsätze und die Demonstrationen wurden die unterschiedlichen Sichten meist zu wenig deutlich herausgeschält
Erst im Laufe der zahlreichen Streitgespräche an den elektronischen Medien und den verschiedenen Artikel zeichnet sich ab, dass der Gewaltbegriff völlig unterschiedlich gewertet wurde. Es fehlte stets an der klaren Definition: Was versteht jede Seite unter Gewalt?
Polizeigewalt Im Laufe der Gespräche wurde erst ersichtlich, was die Demonstrierenden unter Gewalt verstehen: Demonstrationsgewalt Anderseits wird der Gewaltbegriff bei den Politikern und bei den Polizikräften anders gesehen:
  • Die Gewalt werde in erster Linie von den Mächtigen und Globalisierern augeübt. Denn diese üben selbst gegen die Menschen Gewalt aus (in der Form von Entlassung von Mitarbeitern usw).
  • Für die Demonstranten und den WEF Gegnern übte die Polizei Gewalt aus.
  • Die Polizei provoziere mit der Abriegelung die Gegengewalt. (Zum Beispiel durch Sperren von Strassen, Stacheldraht und der unverhältnismässigen Praesenz). Ursache der Gewaltausbrüche sei die Polizei.
  • Zerstörung von Autos, Fällen von Bäumen als Sperren, Blockaden, auch das Sprengen von Masten, das Unterbrechen von Telefonleitungen zählten nicht zu den Gewaltakten. Erst wenn es um Angriffe gegen Menschen gehe, handle es sich eigentlich um Gewalt.
  • Die Gewalt in Zürich sei nur eine Konsequenz der sturen Haltung der Polizeikräfte im Bündnerland gewesen. Die Schuld der Eskalation liege allein bei denjenen, die Druck ausgeübt haben.
  • Gewalt sei etwas Legales, wenn das Grundrecht Demonstration abgewürgt wird.
  • Folge und Ursache gelte es immer zu unterscheiden.
  • Wenn Gewalt angedroht wird, müssten Bevölkerung und Staatoberhäupter geschützt werden. (Dies sei ein staatsrechtlicher Auftrag)
  • Wenn die Erfahrungen in den Vorjahren deutlich gemacht haben, dass friedliche Demonstrationen missbraucht werden: (zerstören von Geschäften, Leitungsmasten sprengen, Platzierung von Sprengsätzen, Zerstörung von Hab und Gut, Feuer legen usw) so wäre es naiv gewesen, wenn der Fleck nicht abgeriegelt werde.
  • Es wäre völlig naiv gewesen, wenn der internationale Aufmarsch der Chaotensszenen einfach hingenommen worden wäre. Seattle und Prag bewiesen, was geschieht, wenn keine rigurosen Massnahmen ergriffen werden. Was kann ein Polizeikorps gegen Tausende von aufgebrachten Menschen machen?
  • Wenn in der Anarcho-szene konkrete Anweisungen erteilt worden seien und der Aufmarsch via Alternativradio und Internet minutiös geplant worden sei, so müsse dies ernst genommen werden. Dass Davos brennen soll und das WEF zu zerstoeren sei, sei offen ausgesprochen worden.
  • Auch bei Fussballmatchs müsse heute bei heiklen Auseinandersetzungen praeventiv vorgegangen werden.
  • Zerstörung von "Sachen" (Geschäfte, Autos, Telefonleitungen, Sperren der Autobahn und des Eisenbahnnetzes) habe nichts mit Gewaltfreiheit zu tun.
  • Die Einschränkung des Demonstrationsrechtes an einem Tag sei gerichtlich abgesegnet gewesen.
  • Wenn jemand frustriert sei, so dürfe dies kein Freibrief für Gewalttaten sein. (Kompensationsrecht)
  • Die Demonstration in Zürich, wo Molotovkocktails mitgeführt worden seien, habe bestätigt, dass das Demonstrationsverbot ein richtiger Entscheid gewesen sei.
Dies Gegenüberstellung macht deutlich, dass die Ansichten über den Gewaltbegriff auseinanderklaffen.
Schade, dass auch vor der Arenasendung vom 2. Februar im Schweizer Fernsehen der unterschiedlich verstandene Gewaltbegriff nicht geklärt worden war. Nicht nur bei dieser Sendung zeigte sich, dass jedesmal wenn das Reizwort Gewalt fiel, dem Gegenüber ins Wort gefallen wurde. Patrick Rohr als Moderator war nach der Sendung erstaunt, wie hart die Fronten festgefahren waren. Vielleicht hätte es geholfen, wenn die bewährte Spielregel eingehalten worden wäre:
Bei Auseinandersetzungen wichtige Begriffe immer zuerst definieren!

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