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www.rhetorik.ch aktuell: (20. Dezember, 2004)

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer unter Druck



Seit mehreren Tagen steht CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wegen Zahlungen vom Energiekonzern RWE in der Kritik. Es ist einsam geworden um CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer. Nachdem er Ende vergangener Woche zugeben musste, auch nach Amtsantritt als CDU-Manager Gehalt beim Stromriesen RWE bezogen zu haben, wurde am Wochenende bekannt, dass er noch mehr Geld erhalten haben soll als bisher eingeräumt!

Meyers Strategie in dieser Krisensituation war "Aufklärung mit Salamitaktik" (Spiegel).


Gestern mochte nicht einmal mehr Parteichefin Angela Merkel ihren wichtigsten Mitarbeiter verteidigen. Über einen Sprecher liess sie nur einsilbig ausrichten: "Herr Meyer ist im Amt ..."

Nach Medieninformationen sind inzwischen selbst hochrangige Parteifreunde vom Generalsekretär abgerückt.


Ein Mitglied der Parteiführung gestern nachmittag:

"Das einzige, was Frau Merkel noch für ihn tun kann ist: Ihm die Chance geben, selbst zurückzutreten."


Merkel und Meyer gemeinsam mit anderen CDU-Spitzenleuten haben versucht, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Ein Teilnehmer:

"Die Chefin war total sauer, dass Meyer nur scheibchenweise mit der Wahrheit rausrückte."
CDU-Chefin Merkel fand letzte Woche:

"Da darf jetzt nichts mehr hochkommen!"


Doch bereits am Samstag kam es zu nuen Enthüllungen. Der "Spiegel" berichtete, Meyer habe zwischen Juni 2000 und April 2001 zusätzlich zu seinem Gehalt "mindestens 130 000 Mark" vom Stromriesen RWE erhalten. Allerdings: Die Zahlungen erfolgten offenbar vor seinem Amtsantritt als CDU-Generalsekretär zum 1. Dezember 2001. Rein rechtlich wäre Meyer damit kein Vorwurf zu machen. Meyer:

"Es gibt keine weiteren Zahlungen von RWE an mich aus meiner Zeit als CDU-Generalsekretär. Meiner Erklärung vom Freitag habe ich nichts hinzuzufügen."


Gestern vormittag versuchte der angeschlagene Parteimanager, auch CDU-Chefin Merkel davon zu überzeugen. In einem langen Telefonat bat er die Vorsitzende, ihm weiter den Rücken zu stärken. Doch am frühen Nachmittag zitierte die Zeitung "Stuttgarter Nachrichten" ein ungenanntes Mitglied des Unions-Fraktionsvorstandes:

"Herrn Meyer sollte daran gelegen sein, den Schaden noch vor Weihnachten zu beheben und gehen."




Jetzt ist Angela Merkel gefordert. Was unternimmt Sie konkret? Wie will sie den Schaden beheben? Aus unserer Sicht muss sie rasch handeln. Schweige- oder Hinhaltetaktiken wären verheerend.




CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer steht wegen umstrittener Gehaltszahlungen seines ehemaligen Arbeitgebers RWE erheblich unter Druck. Eine Chronik der Ereignisse (Quelle: "Financial Time")
1875-1999 Meyer ist beim Dortmunder Versorgungsunternehmen VEW beschäftigt. Zuletzt arbeitete er als Hauptabteilungsleiter in der Bezirksdirektion Arnsberg. VEW wurde im Oktober 2000 vom Essener RWE-Konzern übernommen. Im November 2000 wurde Meyer zum Generalsekretär der CDU gewählt.
8. Dezember 2004 Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Herrman-Josef Arentz, tritt zurück. Er hatte von RWE Gehalt ohne Gegenleistung sowie Gratisstrom erhalten.
11. Dezember 2004 Nach den Enthüllungen über Arentz wird bekannt, dass auch Meyer verbilligten RWE-Strom bezieht. Meyer bestätigte die geldwerten Vorteile und räumte darüber hinaus ein, dass er bis heute ein Darlehen des Unternehmens abbezahle, mit dem er einst sein Haus gebaut habe. Zudem habe er Anfang 2001 von RWE "irgendeine Ausschüttung" erhalten.
13. Dezember 2004 Die CDU-Spitze stärkt Meyer nach einer Präsidiumssitzung den Rücken. Meyer habe in der Sitzung seinen Fall erläutert. Laut Parteichefin Angela Merkel sei dies "gemeinhin akzeptiert worden". In der Unions-Fraktion wird allerdings erste Kritik am Verhalten Meyers laut. Fraktionsvize Wolfgang Bosbach wirft dem CDU-Generalsekretär unsensibles Verhalten vor.
16. Dezember 2004 Die "Berliner Zeitung" berichtet, Meyer habe auch nach seinem Amtsantritt als CDU-Generalsekretär noch mehrere Monate das volle Gehalt seines ehemaligen Arbeitgebers RWE/VEW erhalten. Meyer selbst weist den Vorwurf zurück, die Öffentlichkeit über das tatsächliche Ausmass der materiellen Vorteile getäuscht zu haben. Er sagt der Zeitung: "Es bleibt dabei: Ich habe den Vertrag schnellstmöglich aufgelöst und nach April 2001 keine RWE-Gehaltszahlungen mehr erhalten." Dem Bericht zufolge hat Meyer neben verbilligtem Strom auch Gas zu günstigeren Konditionen erhalten. Der Beschuldigte bestreitet dies.
17. Dezember 2004 Meyer bestätigt noch fünf Monate lang nach seinem Amtsantritt Gehalt von RWE bezogen zu haben. Nach eigenen Angaben habe er in dieser Zeit noch einige Projekte abgewickelt. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, der CDU-Generalsekretär habe erst auf Drängen von RWE sein Vertragsverhältnis mit dem Konzern ruhen lassen. Meyer beziffert die Höhe des Gehalts auf rund 40.400 Euro und die Ansprüche auf anteilige Unternehmens- und individuelle Leistungstantieme sowie auf anteiliges Weihnachtsgeld auf 18.920 Euro.
RWE selbst bestätigt Gehaltszahlungen an Meyer und "begünstigte Energiebezüge". Ob diese auch Gaslieferungen beinhalten, will der Konzern nicht sagen. Führende Unionspolitiker verteidigen Meyer gegen Vorwürfe wegen Gehaltszahlungen und Vergünstigungen. Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust und CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder bescheinigten Meyer übereinstimmend korrektes Verhalten. Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann sagte, Meyers früheres Arbeitsverhältnis mit dem RWE-Konzern sei in keiner Weise anrüchig.
18. Dezember 2004 Meyer verteidigt in der "Bild"-Zeitung sein Verhalten und schliesst einen Rücktritt aus: "Ich habe mir nichts vorwerfen zu lassen. Ich habe für das Unternehmen mit voller Kraft über lange Jahre hinweg ordentlich gearbeitet und mich völlig vertragskonform verhalten." Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU in Hamm sind die umstrittenen Gehaltszahlungen Meyers zwar ein Thema, werden aber zumindest von den Rednern nicht angesprochen. Auch der Betroffene selbst schweigt zu dem Thema. Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm verlangt von Meyer, Klarheit zu schaffen. Das Magazin "Der Spiegel" berichtet, die RWE habe Meyer von Juni 2000 bis April 2001 ausser seinem vollen Gehalt mindestens 66.500 Euro zusätzlich gezahlt.
19. Dezember 2004 Die "Bild am Sonntag" berichtet, dass Parteichefin Merkel von ihrem Generalsekretär abgerückt ist. Unter Berufung auf Informationen aus der CDU-Spitze berichtet das Blatt, Meyer sei "unter Aufsicht" von Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla gestellt worden. Ein Sprecher der Parteivorsitzenden bezeichnete den Bericht der als "Quatsch". Meyer selbst weist die neuen Vorwürfe zurück: "Die mit meiner Zeit als Generalsekretär vom "Spiegel" in Zusammenhang gebrachten Einnahmen aus meiner beruflichen Tätigkeit haben mit dem Amtsantritt als Generalsekretär nichts zu tun". Er kündigt an, die Fakten zu der Zahlung "sobald wie möglich" offen zu legen.
20. Dezember 2004 Mehrere Zeitungen berichten, die CDU-Spitze schliesse einen Rücktritt Meyers nicht mehr aus. Ein Vertrauter von CDU-Chefin Angela Merkel sagte der Zeitung "Die Welt", falls Meyer nicht sehr rasch und lückenlos die Details der Zahlungen von RWE aufklären könne, müsse er das Amt aufgeben. Merkel will nach Zeitungsberichten Anfang dieser Woche über Meyers politische Zukunft entscheiden. Merkel sei sehr verärgert über Meyers Krisenmanagement, berichten mehrere Zeitungen. Als möglicher Nachfolger wird der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder gehandelt.






Nachtrag vom 21. Dezember: Unterschiedliche Resonanz auf Meyers Entscheidung

Meyer hat nun den Versuch unternommen, den Stein des Anstosses durch eine Spende aus der Welt zu räumen. Er will, wie er am Montag nachmittag mitteilte, die 230.000 Mark, die er Ende der neunziger Jahre von seinem ehemaligen Arbeitgeber VEW erhalten (und versteuert) hatte, als er das Unternehmen verliess, um Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag zu werden, für einen gemeinnützigen Zweck spenden. Das soll, so hoffen er und die CDU-Vorsitzende, die Wogen der Empörung glätten helfen, die die Entdeckung hervorgerufen hatte, wie grosszügig Meyer damals dotiert worden war. Das ist eine politische Geste, aber mehr kann Meyer nicht tun, denn rechtlich hat er sich nichts vorzuwerfen und gegen keine Vorschrift verstossen. "Völlig frei und unabhängig von materiellen Interessen" Ob das Kalkül aufgeht ist ungewiss. Die ersten Echos sind unterschiedlich. Es gibt Lob und Tadel. Die Geschichte geht weiter. Müsste sich Merkel nicht von Meyer lösen?




Nachtrag vom 21. Dezember: Meyer räumt Fehler beim Krisenmanagement ein

Der wegen Zahlungen des RWE-Konzerns in Bedrängnis geratene CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hat Fehler beim Krisenmanagement eingeräumt. Das würde er heute nicht mehr so machen, sagte Meyer dem ZDF auf die Frage, warum er in der Affäre die Karten erst so spät auf den Tisch gelegt habe. Zugleich warb der CDU- Generalsekretär aber auch um Verständnis für seine umstrittenen Mehrfachbezüge. Er habe sich für eine Rückkehr in die Wirtschaft abgesichert.

Meyer muss trotz seiner gestrigen Erklärung weiter um sein Amt fürchten. Das berichtet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf Kreise der Unionsführung. Ein Sturz des wegen Zahlungen von RWE in Bedrängnis geratenen Meyer wird weiter möglich gehalten, trotz Rückendeckung von Angela Merkel. Die Angelegenheit könne "bis Mittwoch oder Donnerstag über die Bühne gehen".

Nach der CDU in Nordrhein-Westfalen kritisierte auch Sachsen- Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer Meyers Verbleib auf seinem Posten indirekt. Die Grünen forderten erneut Meyers Rückzug. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verwies darauf, dass die CDU jüngst eine Wertedebatte eröffnen wollte. Die Aufregung über die RWE-Affäre von Meyer ist in der Parteibasis so gross, dass sein Sturz immer noch möglich sei. RWE dementiert indes, es habe noch mehr Politiker auf der Gehaltsliste.


Nachtrag vom 22. Dezember: Wirbel um Meyer geht weiter.

CDU-Politiker fürchten, dass die Gehalts-Affäre um ihren Generalsekretär die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen belastet. "Bild" titelte heute:

Aufstand gegen Laurenz Meyer


Meyer versuchte gestern, in seinem Berliner Büro wieder zur Alltagsarbeit zurückzukehren. Doch der Druck von der Parteibasis stieg:
  • Europa-Abgeordnete Armin Laschet:

    "Meyer sollte als Generalsekretär zurücktreten. Vor fünf Jahren haben wir wegen der Spendenaffäre die Landtagswahl verloren. Jetzt werden schon wieder Parteimitglieder auf der Strasse als 'Abzocker' beschimpft."


  • CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers am Montag:

    "Es ist schwer, mit solchen Vorgängen Wahlkampf zu machen."


  • Sein Vize Oliver Wittke:

    "Meyer ist eine grosse Belastung für unseren Wahlkampf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er bei uns im Wahlkampf auftritt."






Nachtrag vom 22. Dezember: Meyer geht, Kauder soll kommen

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hat die Konsequenzen aus der Gehaltsaffäre gezogen und ist zurückgetreten. Wir fragen uns: Hat der Druck aus der Basis eine Rolle gespielt? Die Partei zollt dem Scheidenden Respekt und entschied sich dem Vernehmen nach bereits für einen Nachfolger: Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, soll Merkels dritter General werden. Meyer:

"Ich bin in die Politik gegangen, weil ich etwas verändern wollte. Ich bin in die CDU gegangen, weil diese Partei mir dazu den Kompass gegeben hat. Kommunal-, Landes- und Bundespolitik waren dabei die Stationen - stets am Anfang nicht ahnend, dass noch eine weitere Station folgen würde. Mir wurden unglaubliche Möglichkeiten gegeben, mich einzubringen. Stets hat mir die Arbeit für und mit der Partei grosse Freude und Spass bereitet. 'Arbeit muss Spass machen' war deswegen nicht nur ein Credo, das ich meinen Mitarbeitern immer gesagt habe.

Nun bin ich in einer Situation, in der ich nüchtern feststelle, dass meine Arbeit meiner Partei derzeit mehr schadet als nützt. Zudem sehe ich, dass die Schmerzgrenze bei denen, für die ich als Vater und Freund Verantwortung trage, überschritten ist. Deswegen habe ich heute Morgen zunächst Frau Dr. Merkel gegenüber meinen Rücktritt erklärt und dies dann auch den verantwortlichen Mitarbeitern in der Bundesgeschäftsstelle mitgeteilt.

Den heutigen Schritt gehe ich ohne Zorn. Vielmehr habe ich eine nüchterne Abwägung in drei Dingen getroffen: 1. Was nützt der Partei? 2. Was nützt Frau Merkel? 3. Was bin ich bereit zu tragen?

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Frau Dr. Merkel aufrichtig zu danken. Und ganz selbstbewusst sage ich: wir haben einiges zusammen geschafft. Ich wünsche Ihr alles Gute und habe ihr gesagt, dass sie auch künftig auf mich bauen kann. Gleichzeitig danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mich begleitet haben. Meinem Nachfolger wünsche ich alles Gute und kann guten Gewissens sagen: das Feld ist bestellt, das Haus sehr professionell und die Menschen, die hier arbeiten, freuen sich auf die anstehenden Wahlkämpfe!"




Nachtrag vom 23. November 2004:

Politexperten vertreten die Meinung, dass Merkel trotz Meyers Rücktitt noch bluten muss. Sie finden, dass die Meyer-Affäre die Wahlchancen für die CDU schwächt. Parteienforscher sehen auch einen Gesichtsverlust für Merkel. Severin Weiland schrieb im Spiegel unter dem Titel "Merkels Beinahe-Katastrophe":

Gut gestartet, schlecht abgeschnitten. CDU-Chefin Angela Merkel hat ein wechselhaftes Jahr hinter sich - und mit ihr die Partei, die nach Umfragehochs im Frühjahr immer mehr an Zuspruch verliert. Der Rücktritt ihres Generalsekretärs bewahrt Merkel vor dem Autoritätsverlust - und öffnet immerhin Perspektiven für den personellen Aufbruch.


Mit Blick auf den Fall Meyer sagte der designierte CDU-Generalsekretär Volker Kauder im ZDF:

"Das waren natürlich keine guten Tage."


Jetzt müsse man jedoch den Blick nach vorne richten. Er werde schon in den nächsten Tagen mit dem nordrhein-westfälischen CDU-Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers reden, kündigte Kauder an.


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