Nachtrag vom 14. Dezember: Nachwehen Bundesratswahl
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Nachdem Ruth Metzler über die Klinge springen musste und bei
der Ersatzwahl des FDP Bundesrates ebenfalls eine Frau das Nachsehen
hatte ("Beerli sei ausge"merzt" worden"), kam es zu verschiedenen
Demonstrationen gegen den Ausgang der Bundesratswahlen.
Dass die Zauberformel entzaubert wurde, schien zwar von allen akzeptiert
zu werden. Doch wollten die Gewerkschaften, vor allem linke Gruppen
und Frauenorganisationen den "schwarzen Tag für die Frauen" nicht
einfach so sang- und klanglos hinnehmen. Tatsächlich ist der
neue Bundesrat, älter, konservativer und männlicher geworden.
Dass Bundesrat Blocher die Ems Chemie der Tochter sofort übergibt,
wurde begrüsst. Dass er jedoch vorläufig noch die Aktienmehrheit
behalten möchte, stösst auf Kritik.
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- Metzler
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Wir bewunderten die medienrhetorisch gute Verabschiedung der
weggewählten Bundesrätin Ruth Metzler. Sie überzeugte
verbal und nonverbal. Inhalt und Stimme/Ton stimmten überrein. Die
Aussagen waren eindeutig.
- Ich stehe nicht mehr zur Verfügung.
- Ich war immer zu früh:
Kam zu früh in den Bundesrat und scheide zu früh aus..."
Die Verabschiedung - kurz und bündig, ohne Groll oder Gram - war
vorbildlich. Die jüngste "Altbundesrätin" verabschiedete sich
mit Grösse.
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- Merz
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Der neue Bundesrat Hans-Rudolf Merz bewies ebenfalls, dass er auch bei harten
Befragungen die Nerven nicht verliert.
So liess er sich durch plumpe Provokationen, beispielsweise er sei ein
Erzliberaler, ein "Bonsei-Blocher", ein Sparapostel, nicht aus der Ruhe
bringen. Er meisterte die ersten Medienauftritte - aus unserer Sicht -
sehr gut.
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- Stähelin
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CVP-Präsident Stähelin trat nach den verschiedenen Niederlagen
zurück. Wer weiss, vielleicht wackeln noch andere Stühle.
Philipp Stähelin wollte konsequent für seine Partei der Mitte
einstehen. Er meinte es sicher gut. Die beiden Bundesratsitze wollte er
nicht so leichtfertig preisgeben. Wahrscheinlich rechnete er nie damit,
dass der SVP Coup gelingen könnte. Obwohl er bei seinen Auftritten
meist etwas holprig, hölzern wirkte, war er stets ehrlich. Als
beispielsweise sein Wahlplakat korrigiert wurde, gab er unumwunden zu,
dass man seine Zahnreihe optisch verschönert hatte.
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- Calmy-Rey
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Die Westschweizer Genossen möchten nach diesem Wahlausgang in
die Opposition. Die SP entscheidet im März. Keinen Medienwirbel
löste das Verhalten der gut gewählten, einzigen Bundesrätin
Calmy-Rey bei der Schwur-Zeremonie aus. Sie zögerte, die Hand zu
erheben und streckte dann doch noch halbherzig zwei Finger (sah aus,
wie ein Siegeszeichen), jedoch nur auf Kopfhöhe. Uns hat immer
wieder erstaunt, dass Micheline Calmy-Rey als Querdenkerin von vielen
geschätzt wird. Das zeigte sich auch bei der Wahl. Denn es gibt
auch Stimmen, die das Querdenken als Querulieren sehen.
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Am 14. Dez erfolgt die Departementsverteilung. Die Medien vermuten, dass
der neue Bundesrat mehr polarisieren wird. Doch letztlich entscheidet
bei Sachfragen das Parlament, mitunter das Volk: Ob der Staat die
Probleme mit Schulden oder mit der Sparschraube lösen wird, ob bei
der Sozialpolitik auch der Gürtel enger geschnallt werden soll,
ob bei der Aussenpolitik die Grenzen dichter werden oder ob bei der
Auländerpolitik der Wind rauer blasen wird.
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