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www.rhetorik.ch aktuell: (ab 31. August, 2002)


Borer und die Medien (Nachtrag)


Fortsetzung von:

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Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt gegen den Schweizer Exbotschafter Thomas Borer-Fielding wegen illegalen Waffenbesitzes. Bei Borer-Fielding war eine SIG Militärpistole entdeckt worden, nachdem seine Frau vor zwei Wochen wegen Geräuschen im Garten die Polizei gerufen hatte. "Es ist unangenehm, aber leider war" wird Borer zitiert. Die Sache war aufgeflogen, als die Polizei nach Sicherheitsmassnahmen gefragt hatte und die Ehefrau den Beamten erklärte, dass eine Waffe im Haus sei. Die Pistole sei beschlagnahmt worden. nachdem Borer die Waffe freiwillig herausgegeben habe. Borer: "Ich bin Schweizer Offizier und bekam mit 21 Jahren eine Militärpistole, die in meinen Haushalt übergegangen ist. Nach Schweizer Recht ist das kein Problem." Der Ex-Botschafter rechnet mit einer Geldstrafe. In der Botschaft, dem früheren Domizil Borers war der Waffenbesitz legal gewesen, in seiner jetzigen Residenz wäre ein Waffenschein notwendig geworden.




In der vergangenen Ringier Geschichte haben wir gesehen, dass Borer sich professioneller und gelassender hätte verhalten müssen. Uns interessierte deshalb das Medienverhalten im Zusammenhang mit der Waffengeschichte.
Wir zitieren die Aussage von Thomas Borer nach dem nächtlichen Vorfall. Wie reagierte in diesem Fall ein Ex-Botschafter, wenn ein Journalist eine Stellungsnahme verlangt? Thomas Borer sagte wortwörtlich:

"Das ist erstens meine Privatsache, zweitens Unsinn."


Diesen Teil der Antwort finden wir gut und hätte genügt. Dann kam aber:

"Aber wenn die Deutschen keine anderen Sorgen haben als eine Schweizer Pistole, dann ziehen wir halt aus Deutschland weg."


Diese Worte waren unklug, undiplomatisch, unüberlegt und beinhalten sogar ein vorschnelle Drohung! Die deutsche Leserschaft wird auch keine Freude an der unbedachten Bemerkung gegenüber den Bewohnern des Gastlandes haben. Die Geschichte bestätigt einmal mehr:

Selbst Profis können bei Kleinigkeiten die Nerven verlieren, wenn sie nicht gelernt haben, zu warten, zu überlegen oder auch nichts zu sagen.


Die Boulevardpresse stürzte sich nach dieser Antwort dankbar auf die interne Privat-Geschichte. Es wurde recherchiert und sogar herausgefunden, dass die Aussagen des Ehepaaares bei der Polizei unter Verschluss gehalten werden. Gerüchten und Mutmassungen sind damit Tür und Tor geöffnet.

Die Protokolle der Borer Medienauftritte veranschaulichen, dass es möglich ist, längerfristig ungewollt in den Medien präsent zu bleiben. Selbst Bagatellfälle werden dankbar von der Presse aufgenommen.




Nachtrag vom 1. September 2002.
Nachdem die Bild Zeitung in den Schlagzeilen geschrieben hatte: Und nachdem in der "Bunte" stand:
"Shawne Borer bittet um Hilfe, ist am Telefon nicht zu verstehen, vermutlich Streitigkeiten mit ihrem Mann." "Drei Tage nach dem Aufruhr: gerötete Augen, stark geschminkt, maskenhaftes Lächeln, trotzdem begehrenswert schön."


will nun Borer nach Aussage der Sonntagszeitung vom 1. September via Anwalt Matthias Prinz, gegen die Journalisten vorgehen. Borer habe ihn beauftragt, rechtliche Schritte gegen verschiedene Medien einzuleiten, welche die Persönlichkeitsrechte der Familie Borer-Fielding erneut aufs Schwerste verletzt haben, meint Prinz und findet: "Die Berichte sind eine eindeutige Einmischung in die Privatsphäre meines Mandaten." Von der "Bunten" will er sogar ein Schmerzensgeld verlangen.
Obschon wir immer die Meinung vertreten haben, dass man sich gegen Persönlichkeitverletzungen sofort und unmissverständlich wehren muss, stellt sich in dieser verfahrenen Situation die Frage, ob Borers Verhalten heute - im Wirbel eines endlos werdenden Streites - in dieser Form sinnvoll ist. (Siehe "Leg Dich nicht vorschnell mit der Boulevardpresse an.") Die Borers wussten jahrelang die Vorteile der Medienpräsenz zu nutzen. Trotz der schlimmen Ringier Geschichte hatte das Ehepaar wieder eine grosse Home-story bewilligt, angeblich eingefädelt vom Immobilienbesitzer der jetzigen Residenz Borers. Eine Geschichte wurde auch von der "Schweizer Illustrierten" übernommen.
Wer mit dem Feuer spielt, muss sich bekanntlich nicht wundern, wenn es unverhofft wieder heiss werden kann.

Die Fortsetzungsgeschichte zeigt einmal mehr:
Ungeschickte Verhalten im Umgang mit Medien führt meist zu einer Eskalation, anstatt zu einer Klärung. Es sollten in schwierigen Situationen nicht Anwälte als Medienberater beigezogen werden. Der Anwalt ist in der Regel eher daran interessiert, dass eine Geschichte lange dauert. Ein geschickter Medienprofi kann hingegen so raten, dass Klatschgeschichten möglichst rasch von der Bildfläche verschwinden.


Das Aufgreifen der Geschichte in der Sonntagspresse verdeutlicht, wie Banalitäten durch die Wiederholungsmechanismen verstärkt werden. Wir prophezeien bereits heute, dass Borers ungeschickter Umgang mit den Medien noch weiteren Stoff liefern wird.


Nachtrag vom 3. September, Auswirkungen des ungeschickten Medienverhaltens.
Die jüngsten Schlagzeilen verunsicherten die "Swiss" Verantwortlichen. Nur noch drei Monate wird der Ex-Botschafter für die nationale Airline lobbieren können. Die "Swiss" wollte sich die Kontakte Borers mit den deutschen Wirtschaft- und Politikerkreisen zu Nutze machen. Doch die jüngsten Schlagzeilen über den nächtlichen Notruf seiner Frau bei der Potsdamer Polizei und die Beschlagnahmung der Miltärpistole scheinen die "Swiss" Verantwortlichen an ihrem Entscheid zweifeln zu lassen. Hinter vorgehaltener Hand wird nach "Berner Zeitung" (BZ) immer drängender die Frage gestellt, wie jemand einen diskreten Türöffner-Job ausüben kann, der dermassen exponiert ist. Die BZ will herausgefunden haben, dass der Vertrag mit Borer kaum verlängert werden wird. Als Entschädigung für seinen Einsatz soll Borer Freiflüge - je nach erbrachten Leitungen - erhalten. Es heisst ferner: Bundesbern habe Mühe mit der Vorstellung, dass ein in Ungnade gefallener ehemaliger Angestellter für ein sich (noch) mehrheitlich in Bundesbesitz befindliches Unternehmen Aufträge erhält. Dass der Unmut in Bern gross ist, ist ein offenes Geheimnis.


Nachtrag vom 15. September, Auswirkungen des ungeschickten Medienverhaltens.
Auf wichtigen deutschen Veranstaltungen wird man Borers in nächster Zeit nicht antreffen sein, weiss die "Sonntag-Zeitung" vom 15. September zu berichten. Die Organisatorin der Unicef-Gala vom Freitag, den 20. Sept. hat das als Ehrengäste vorgesehene Paar überraschenderweise wieder ausgeladen. Sie sagte:

"Ich habe mit mir gekämpft, aber nach diesen Schmutzkampagnen musste ich auch an meine 600 Gäste denken, alles Grössen aus Politik, Sport und Wirtschaft."

Tatsächlich berichtete die deutsche Boulevard- und Klatschpresse laufend negativ über die einstigen Lieblinge der Berliner Gesellschaft, nachdem auch die Unterlassungsverfügung des Anwaltes von Thomas Borer nichts fruchtete. (Schadenersatzklage gegen "BUNTE" und die SAT 1 Sendung "Akte 02").


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