rhetorik.ch aktuell: Ein Frager wird befragt
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www.rhetorik.ch aktuell: (25. August, 2001)

Ein Frager wird befragt



Roger Schawinski Wie reagiert ein Profi in einer schwierigen Situation?
Roger Schawinski, ein Vollblut-Medienmann, befragte und hinterfragte jahrelang Persönlichkeiten in seinen populären Talk - Sendungen. Er ist als harter Gesprächspartner bekannt.
Mit seiner unerbittlichen - zum Teil recht provokativen Art - wurde er von Vielen gefürchtet. Wer sich vis à vis von Roger Schawinski im obligaten Talk Platz zur Verfügung getellt hatte, musste mit unangenehmen Unterbrechungstaktiken oder Unterstellungen rechnen.
Das dauernde Unterbrechen nervte jedoch auch viele Zuschauer. Schawinski polarisierte: Er hatte Bewunderer, anderseits auch Leute, die ihn überhaupt nicht ausstehen mochten.
Nachdem nun Schawinski seine "Medienkindern" (Tele 24 und Radio 24) verkauft hatte (oder vielleicht auch verkaufen musste?) und zudem sein Tele 24 gegen Ende Jahr auflösen wird; interessierte uns vor allem, wie nun der umstrittene Ausfrager an einem seiner schwierigsten Tage (nach der Medienkonferenz am Mittwoch dem 22.8.01) selbst reagiert. Und zwar, wenn er als Profi- Journalist in einem unglücklichen Moment selbst Red und Antwort stehen muss.
Der Druck (Stress) war am Mittwoch für den Unternehmer - wie vermutet - aussergewöhnlich gross.
Verschiedenste Emotionen spielten mit. Es war bestimmt eine aussergewöhnliche, belastende Situation (Entlassung vieler Mitarbeiter). Wir stellten nun bei der Analyse seiner Interviews fest:

Roger Schawinski Trotz Müdigkeit, Belastung und einer äusserst heiklen Situation; bewies Schawinski am Abend bei der Befragung im "10 vor 10" vom Schweizer Fernsehen hohe Professionalität.
Der Medienchef veranschaulichte in dieser unangenehmen Lage, wie sich die vier wichtigen Grundsätze der Medienrhetorik. (Einfachheit, Struktur, Kürze und Stimulanz) - trotz Belastung - sich in wenigen Sekunden umsetzen lassen.
  • Schawinski wirkte immer natürlich und blieb sich selbst.
  • Er war gut vorbereitet und steuerte sogar seinen Auftritt: So sagte er ein längeres Gespräch auf dem "heissen Stuhl" in der Rundschau bewusst zugunsten des Interviews beim "10 vor 10" ab. (Denn hier erreichte er mit seiner Botschaft einen vielschichtigeren Zuhörerkreis. Das Sendegefäss im Bereich Information hat bekanntlich "offiziellen" Charakter und damit auch grössere Nachhaltigkeit, grösseres Gewicht.)
Die vier wichtigsten Verständlichkeitshelfern setzte der Fernsehmann im Interwiew mit Stephan Klapproth konsequent um. Er überzeugte und wurde vor allem gut verstanden, dank:

EINFACHHEIT Roger Schawinski formulierte unkompliziert und sprach strassengängig, d.h. mit Umgangssprache und ohne Floskeln.
STRUKTUR Der Aufbau war nachvollziehbar und logisch. Vor allem wurde sofort das Wichtigste gesagt. Die Kernbotschaften Schawinskis wurden redundant präsentiert.
  • Die Schweiz ist das einzige Land mit einem Fernsehmonopol.
  • Schawinski appellierte an alle Politiker, endlich die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit das DRS Monopol endlich gebrochen werden kann. (Es braucht nur annehmbaren Rahmenbedingungen)
  • Ein Teil des Verkaufserlöses wird der Belegschaft gegeben. (4000.-- pro Jahr)
KÜRZE Die Aussagen waren stets kurz und bündig. Die Gedanken präzis. Die Botschaften direkt und konkret. Auf ein langes Gespräch in der Rundschau wurde - wie erwähnt - bewusst verzichtet.
STIMULANZ Trotz Kürze und Einfachheit fehlten jedoch die Emotionen nicht. "In mir läuft ein Film ab", "Wie es mir heute nacht zu Hause geht, weiss ich noch nicht." Die Emotionen waren auch sichtbar, hörbar. (Blick, Gesicht und vor allem bei der Stimme).


Doch es passte zur Situation. Der Auftritt wirkte echt, besonders weil Körpersprache und Stimme mit der Stimmung übereinstimmte. Zur Stimulanz zählten auch die kurzen persönlichen Aussagen.
Auch Spitzensportler, die den Umgang mit Medien gelernt haben, wissen dass die Zuschauer Persönliches erfahren möchten und gerne persönliche Aussagen haben. Doch muss bei diesen Aussagen die Balance zwischen Kopf und Herz gewahrt bleiben. Roger Schawinski glückte diese Balance zwischen Spontaneität und Kontrolle.
Mit seiner Offenheit neutralisierte er sogar den gewieften SRG Interviewer Stephan Klapproth. Klapproth hatte gleichsam eine "Beisshemmung".
Das erzählerische Element, wie auch die konkreten Details, klammerte Schawinski bei seinen Aussagen nicht aus. Was beim analysierten Interview ausgeprochen vorbildlich war:
  • Schawinski wiederholte keine Vorwürfe.
  • Er setzte sofort Stop-Signale (Nein!/ Stimmt nicht!/Überhaupt nicht!)
  • Er "verkaufte" - ja wiederholte - seine zentrale Botschaft.
  • Das Wichtigste:
    Roger Schawinski wusste die Chance vor Mikrofon und Kamera in jeder Situation zu nutzen. Trotz Müdigkeit und Stress gelang ihm diese hohe Kunst der Medienrhetorik:

    In wenigen Sekunden sich und die Botschaften zu "verkaufen". [Tonbeispiel (MP3)]

    Fazit: Wussten Sie, dass das natürliche Verhalten in Stress-Situationen im Mediensimulator gelernt werden kann? Piloten können fliegen, aber sich in Notsituationen richtig zu verhalten, wird trotzdem zusätzlich im Simulator ritualisiert.
    Die meisten Führungskräfte können auch in Normalsituationen gut reden.
    Doch viele haben es unterlassen, im Mediensimulator die aussergewöhnlichen Situationen zusätzlich zu üben.


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