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www.rhetorik.ch aktuell: (20. August, 2004)

Die Märchenerzähler



Die griechischen Sprintstars Kostas Kenteris und Ekaterini Thanou haben aufgegeben. Aber die Hintergründe des Doping-Märchens lassen Böses ahnen. Die beiden Spitzenathlethen hatten sich schon einmal der Dopingkontrolle entzogen Beim letzten Fall entwischten sie einer Kontrolle, weil sie angeblich einen Töffunfall erlitten haben. Doch weder das Motorrad, noch Zeugen konnte gefunden werden. Man vermutete, dass sie sich mit der "Motorradgeschichte" der Anhörung entziehen wollten. Das Motorrad wurde nämlich völlig unbeschädigt gefunden.


Der Sturm um das Doping-Märchen scheint sich zwar etwas gelegt zu haben. Aber noch gibt der aufgewirbelte Staub nicht den Blick frei auf die Schäden, die das Spektakel hinterlassen hat.

Rhetorisch interessant ist das Verhalten des vermutlichen Sünders. Kenteris hatte heroisch nach seiner 50-minütigen Anhörung durch die Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gesagt:

"Ich ziehe mich in voller Verantwortung und im Interesse des Landes von den Olympischen Spielen zurück."


Dabei ging es ihm aber wahrscheinlich nur darum, besser wegzukommen. Wäre er verurteilt worden, hätte das langfristigere, und vor allem finanzielle Konsequenzen gehabt.

Kenteris gab auch die Trennung von seinem Trainer Christos Tzekos bekannt, der ebenfalls seine Akkreditierung zurückgab. Tzekos selbst meinte, dass er nicht verstehe, warum

"So ein kleines prozedurales Problem Geschichten für sechs Tage liefert".


(Dies erinnert an Krenns Verhalten).


Auch Thanou, die wie Kenteris zu mehreren Dopingkontrollen nicht erschienen war, wird nicht starten und so einem vermuteten Ausschluss zuvorkommen. Die griechischen Olympiafunktionäre beschworen die beiden: endlich die Spiel-Akkreditierungen zurück zu geben. Im Athener Hilton-Hotel verabschiedete sich IOC-Chef Jacques Rogge vor einem Nostalgie-Ausflug ins antike Olympiastadion, dem Geburtsort der Bewegung, mit einem klaren Arbeitsauftrag: Er wünsche, dass die Sache erledigt ist, bis er nachmittags zurück sei.



Um die Sache zu klären, müssen nun Indizien gefunden werden. Ein nachträgliche Doping-Test wäre nur noch Materialverschleiss gewesen. Das Pärchen verliess am Dienstag in gefasster Stimmung das Krankenhaus. Dieses Gebäude ist nicht nur berühmt, weil es tagelang auf allen Fernsehkanälen zu sehen war, sondern weil von dort auch nützliche und anonyme Bulletins kamen und eine gut funktionierende Dialysestation installiert ist ...

Nachdem tagelang keine Zeugen für den Motorradunfall gefunden werden konnten und auch unklar war, wer die beiden Gefallenen denn ins Krankenhaus gebracht hatte, meldeten sich nun plötzlich neun beim griechischen Fernsehen Menschen, die die beiden gefahren haben wollen.

Vieles bleibt im Dunkeln. Arne Ljungqvist, Chef der Medizinkommission meinte:

"Im Krankenhaus zu testen, ist sinnlos. Es wäre alles nur Trickserei. Es wäre ganz sicher ein negatives Resultat herausgekommen."


Vor dem IOC sagten die beiden Sportler nicht viel mehr. Kenteris:

"Mir wird Unrecht getan, ich habe nie Verbotenes genommen",


Das IOC ist nun fein raus, aber der Weltverband IAAF wird sich doch noch mit dem Fall befassen müssen. Trainer Tzekos war sich auch nach dem Abschied von Olympia keiner Schuld bewusst:

"Ich glaube weiterhin, keine Fehler gemacht zu haben".
Der Athener Oberstaatsanwalt Papalangelopoulos wird aber weiter Arbeit haben. Schon im Frühjahr war Coach Tsekos, der auch Importgeschäfte mit Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln betreibt, in das Fahrwasser des Skandals um den amerikanischen Sportdrogendealer Balco geraten. Auf den von den US-Behörden dokumentierten E-Mails des Balco-Chefs Victor Conte befanden sich griechische Adressaten, schreibt die Süddeutsche Zeitung", griechische Medien berichten, Tsekos sei namentlich benannt als Empfänger einer Lieferung.


Inzwischen distanzieren sich alle von ihm. Auch jene, die ihn lange hofierten und ihn bezahlten. Nach einem Bericht des Radiosenders Sky hatte der nun offiziell zürnende Sportminister eine Untersuchung beantragt - schon im Frühjahr. Aber so richtig intensiv hatte man vor Olympia wohl nicht nachschauen wollen bei Tsekos - was sich nun rächt.

Der Trainer selbst könnte sich noch rächen. Jannis Stamatopoulos, der Teamleiter der griechischen Leichtathleten, die sich nun alle unter Generalverdacht sehen, klagte bereits, dass sie Tsekos seit langem nicht mehr kontrollieren konnten. Die Athener Tageszeitung "Eleftherotypia" rettet mit schwarzem Humor:

"Griechenland holt Medaille beim Doping-Handel!"


Im griechischen Fernsehen drohte der erfolgreiche Importeur Tsekos, "alles zu erzählen, wenn die Jagd nicht beendet werde." Dies sind Worte, die manchem Verbandsmitglied noch Schweiß auf die Stirn treiben könnte.

Für die Sportler Kenteris und Thanou ist die Zukunft ungewiss. In den Arenen der Welt werden sie kaum noch erwartet werden. Die Firma Adidas, ein Ausrüster von Thanou, will noch abwarten. Unternehmenssprecher Oliver Brüggen: "Wir betreiben keine Vorverurteilung. Aber in dem Vertrag mit Thanou gibt es eine Klausel, das er sofort gekündigt wird, wenn Doping nachgewiesen wird". Kenteris hat Sponsorenverträge mit griechischen Telekommunikationsunternehmen, die sich auf geschätzte eins bis eineinhalb Millionen Euro belaufen. Thanou erhält ungefähr die Hälfte.
Markus Deggerich im "Spiegel": "Egal, wie das Motorradmärchen des griechischen Sprint- und Spritzgottes ausgeht. Selbst wenn er unschuldig ist, befindet er sich im freien und teuren Fall aus dem Olymp. Unklar ist, wen er noch mitreißt. Den Doping-Geruch wird er nie wieder los - selbst wenn Kenteris die nächsten 108 Jahre barfuß Gold gewinnt. Sein Ausrüstungssponsor hat bereits Plakate mit seinem Konterfei verhängt. Nicht die Götter müssen verrückt sein. Die Sportwelt ist es."




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