Der Redner
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Bundesgerichtspräsident Heinz Aemisegger war Referent am
traditionellen Bundeszmorge in Schaffhausen.
Mit den ersten Worten verstand es der ehemalige Schaffhauser, die
Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen. Selbstkritisch sagte
er:
"Ich fühle mich hier wohl und möchte am liebsten ohne
Manuskript reden. Doch wer mich kennt, weiss, dass ich dann zu lang
werden würde."
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Mit der kurzen Überleitung
"Schuster bleib bei Deiner Rede!"
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kam er zur offiziellen Version und sagte:
"Für einmal spricht kein Politiker zu Ihnen, sondern ein
Richter. Sie werden daher keine Wahlversprechen hören."
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Soundbitefähige Sätze
Heinz Aemisegger verstand es,
soundbitefähige Sätze einzubauen. Damit war für
uns sicher, dass die Medien den folgenden Satz zitieren werden:
"Böse Zungen behaupten, die Schwäche der heutigen Demokratie
liege darin, dass die Politiker mehr auf das achten, was ankommt, als
auf das, worauf es ankommt."
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Wie wir vermutet hatten, nahm anderntags die Presse diesen Satz im
Bericht über die Augustrede wortwörtlich auf.
Die Analogie "Baum" als "roter Faden"
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Aemisegger verstand es, mit dem Zitat Stefan Zweigs:
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"Wer seine Wurzeln nicht kennt, kennt keinen Halt."
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seine Betrachtungsweise zur heutigen Schweiz immer wieder auf dieses
"Baumbild" zurückzuführen.
Die Wurzel veranschaulicht die Heimat.
Wurzeln müssen gedüngt, gepflegt werden. Es kann aber auch
faule Stellen geben.
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Trilogie als Verständlichkeitshelfer
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Die drei Verben: "Luege-Lose-Laufe" nutzte der Redner als hilfreiche
Verständlichkeitshelfer für seine Kernaussagen,
Sachverhalte sollten immer zuerst geklärt werden. Sie sind von
verschiedensten Seiten zu betrachten. Einseitige Sichtweisen bringen
uns nicht weiter.
Bevor wir entscheiden, müssen wir wissen, was andere zu aktuellen
Fragen sagen: (die Alten, die Jungen, die Parteien usw.
Wir sollten zuerst gut zuhören und uns informieren!
Erst nach dem Sehen und Hören dürfen wir handeln, ordnen und
müssen dann Schwerpunkte setzen.
Handeln heisst aber: Überlegt handeln.
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Ohne Veränderung - keine Verbesserung
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Es ist unbestritten:
"Nur am rollenden Stein wächst kein Moos".
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Veränderungen sind notwendig. Ohne Veränderungen kommt es
zu keinen Verbesserungen. Doch gab der Bundesgerichtspräsident
zu bedenken:
Was gut ist, gilt es zu bewahren. Veränderungen dürfen
nicht Selbstzweck sein. Nicht alle Veränderungen garantieren
Verbesserungen.
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Was uns aufgefallen ist:
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Der Bundesgerichtspräsident verhielt sich in verschiedenen
Situationen flexibel, humorvoll und professionell:
So ging er auf die Situation auf dem Fronwagplatz ein. Die Sonne
brannte recht heiss auf einige Köpfe. Während der Rede sprach
der Richter diese intensive Sonnenbestrahlung an und und verwies auf
ein persönliches Erlebnis anlässlich des diesjährigen
Papstbesuchs in der Schweiz:
"Die Sonne brannte unerbittlich auf der Berner Allmend auf die linke
Gesichtshälfte der Zuhörerinnen
und Zuhörer. Am folgenden Tag sah man die entsprechenden roten
Spuren auf den Gesichtern. Im Parlament waren die Parlamentarierinnen
und Parlamentarier, welche die Papstmesse besucht hatten, deshalb
mit Leichtigkeit sofort zu erkennen."
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Diese Auflockerung wurde vom Publikum mit einem Lachen quittiert.
Während der Rede wollte plötzlich ein Windstoss das Manuskript
aufwirbeln. Auch diese unvorhergesehene Situation sprach der Redner
direkt an:
"Jetzt muss ich die Blätter halten, sonst werden sie noch
weggeblasen."
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Mit dem Manuskript in der Hand sprach er hernach locker und entspannt
weiter. Dieses "Beschreiben der Situation" (das sich auf die Metaebene begeben)
war professionell. Mancher Laie wäre in bei dieser Überraschung
irritiert worden und hätte sich aus dem Konzept bringen lassen. Ich
bin überzeugt, Heinz Aemissegger wäre auch ohne Manuskript
über die Runden gekommen.
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Fazit:
Die Rede des Bundesgerichtspräsidenten überzeugte uns, weil
die Aussagen - obwohl schriftlich vorbereitet - vor dem Publikum
neu entwickelt und mit Engagement übermittelt wurden. Die
Aussagen überzeugen uns, weil sie beim Adressaten neue Gedanken
erzeugten. (daher der Begriff über- zeugen).
Der Bundesgerichtpräsident beachtete Grundsätze, wie:
- Der Redner muss er selbst sein.
- Er muss die Rede dem Publikum anpassen
d.h. zuhörerorientiert sprechen.
- Das Konzept muss einfach strukturiert sein.
Viele Redner sagen nach wirkungslosen Augustreden, sie hätten den
roten Faden verloren. Doch bei manchen war dies gar nicht möglich,
denn sie hatten noch nie einen roten Faden!
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Wir haben die Rede von Heinz Aemisegger angefordert und für diese
Webseite auch bekommen:
1. August Rede 2004
Neue Helvetische Gesellschaft des Kantons Schaffhausen
von Bundesgerichtspräsident Heinz Aemisegger
Liebe Schaffhauserinnen und Schaffhauser,
Liebe Gäste von nah und fern,
Die Schweiz hat heute Geburtstag. Sie feiert ihren Nationalfeiertag.
Seit über 700 Jahren behauptet sie sich erfolgreich. Seit
über 150 Jahren ist sie ein Bundesstaat. Dass ich heute aus
diesem Anlass zu Ihnen sprechen darf, bedeutet für mich Freude
und Ehre. Für einmal spricht kein Politiker zu Ihnen, sondern
ein Richter. Sie werden daher keine Wahlversprechen hören. Meine
persönliche und berufliche Erlebniswelt wird dagegen in meine
Ausführungen einfliessen. Sie haben mit meiner Person einen quasi
"Aussenstehenden" gewählt. Sie haben aber doch jemanden gewählt,
der die Schaffhauser Verhältisse als "Heimweh-Schaffhauser"
gut kennt. Ich will die Chancen und Vorteile meiner Position nutzen.
Trotz meinem derzeitigen Wohnort Lausanne liegen meine Wurzeln in
Schaffhausen. Hier habe ich meine Jugend und Schulzeit verbracht. Hier
lebte ich mit meiner Familie als Kind und als Vater von Kindern. Hier
war ich viele Jahre als Richter tätig. Stefan Zweig sagte einmal:
"Wer seine Wurzeln nicht kennt, kennt keinen Halt." Ich verspüre
diesen Halt. Ich verdanke ihn meiner Heimat. Mit diesen Bildern Wurzel
- Heimat - Halt - Verankerung sind wir mitten im Thema: 1. August -
Nationalfeiertag der Schweiz. Es ist ein starkes Bild - lassen wir
es auf uns wirken. Es ist das Bild eines schönen, alten, gross
gewachsenen, stark verwurzelten Baums. Ein chinesisches Sprichwort
sagt: "Das Volk ist die Wurzel eines Landes. Ist die Wurzel fest,
lebt das Land in Frieden." Ich möchte beifügen: Ist die
Wurzel fest, lebt das Land in Prosperität, sozialem Frieden,
Eintracht und Rechtssicherheit. Wurzeln muss man pflegen. Man muss
sie düngen, man muss ihnen Wasser geben. Sonst wachsen keine
Früchte, keine Blumen. Sonst haben sie keine Kraft für Halt,
Festigkeit und Stabilität. Kurz: Ist die Wurzel fest, so lebt
das Land gut; so hat es seine Probleme im Griff. Aber - so ist heute
zu fragen - wie fest ist die Wurzel der Schweiz? Wie geht es uns, dem
Volk, heute? Wie ist die Lage? Was ist gut, was ist schlecht an unserem
Land, an unserer Gesellschaft? Gibt es Schwachstellen, faule Bereiche
an der Wurzel? Wenn ich so frage, knüpfe ich an, an den bekannten
mahnenden Ausspruch beim Betreten eines Fussgängerstreifens: Luege,
lose, laufe. Bevor man läuft, und läuft und läuft,
wie der legendäre VW-Käfer, muss man sich genau umsehen:
Man muss nach links schauen, nach rechts schauen und man muss auch
in die Mitte schauen. Das gilt in jeder Hinsicht; das gilt nicht
zuletzt auch mit Blick auf unsere politischen Parteien, Volksgruppen,
Randgruppen und Sprachgruppen. Wir müssen dabei alle Elemente
erfassen, die unsere vielfältige schweizerische Gesellschaft
ausmachen. Wir müssen - wie es die Richter tun - den Sachverhalt
erfassen und schauen, wo die Differenzen in einem Streit liegen. Wir
müssen abklären, was die Fakten sind. Hernach müssen
wir gut zuhören und erst dann soll zur Tat geschritten werden,
erst dann soll gehandelt werden. Luege (Auge, klären) Betrachten
wir die Schweiz von heute, so müssen wir sie von allen Seiten
her anschauen. Wir dürfen nicht nur die guten Seiten ins Blickfeld
setzen. Überheblichkeit, Selbstzufriedenheit, Realitätsferne,
Übermut, Selbstüberschätzung wären die Folgen einer
solchen einseitig positiven Betrachtungsweise. Aber auch das Gegenteil
ist falsch. Selbstzerfleischung, gestörtes Selbstbewusstsein,
Pessimismus usw. wären bei bloss negativer Betrachtungsweise die
Folgeerscheinungen. Im internationalen Vergleich geht es der Schweiz
sehr gut. Wir haben zwar wenig Rohstoffe, ein ziemlich raues Klima,
keinen direkten Zugang zu den Weltmeeren und der Flugverkehr kannte auch
schon bessere Zeiten. Dennoch ist die Schweiz ein wirtschaftliches
Schwergewicht mit intensiven Beziehungen zum Ausland. Sie weist
weltweit eines der höchsten Bruttoeinkommen pro Kopf aus. Es
besteht ein vergleichsweise vernüftiges Steuerklima. Zu
den Stärken unseres Landes gehört die Stabilität.
Als Bundesgerichtspräsident durfte ich in letzter Zeit ab
und zu ins Ausland reisen. An Kongressen, Tagungen und feierlichen
Anlässen brachten meine ausländischen Kollegen regelmässig
grösste Bewunderung für unser Land zum Ausdruck. Es wurde mir
immer wieder gesagt, bei uns herrschten ideale Verhältnisse. Als
hervorstechende Errungenschaften werden regelmässig die folgenden
Elemente angeführt: Frieden Rechtssicherheit Gerechtigkeit
Verantwortung Direkte Demokratie Wohlstand Vollbeschäftigung Gelebte
Solidarität, Loyalität Respekt gegenüber Minderheiten
Gegenseitiges Verständnis unter verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppen in sprachlicher, sozialer, konfessioneller und politischer
Hinsicht. Ich bin manchmal fast etwas in Verlegenheit geraten ob diesem
Lob, dieser Idealisierung unserer Verhältnisse. Aber ich gebe es zu,
ich war immer auch stolz darauf, dass man unser Land überwiegend
so positiv beurteilt. Natürlich gab es manchmal auch kritischere
Stimmen, die in Richtung Egoismus, Rosinenpickerei usw. gingen. Im
Grossen und Ganzen blieben diese relativierenden Stimmen aber in
der Minderzahl. Betrachten wir Landsleute unsere Schweiz selbst und
unvoreingenommen, so sehen wir neben viel Positivem auch einiges,
das nicht zum Besten steht. Verbesserungen, Veränderungen,
Umbaumassnahmen, Anpassungen sind in verschiedensten Bereichen
nötig. Denken wir an die Überalterung unserer Gesellschaft,
an die damit verbundenen Probleme der Altersvorsorge, überhaupt
an die gesamte Sozialfürsorge. Sie droht aus dem Gleichgewicht
zu geraten. Auch unser Bildungssystem weist Mängel auf. Die
Arbeitslosigkeit, namentlich die Jugendarbeitslosigkeit ist nicht zu
übersehen. Die Staatsfinanzen stehen nicht zum Besten. Die Umwelt
ist in mancherlei Hinsicht in Bedrängnis geraten. Noch vieles
andere ist nicht im Lot, ist verbesserungsbedürftig. Böse
Zungen behaupten, die Schwäche der heutigen Demokratie liege
darin, dass die Politiker mehr auf das achten, was ankommt als auf
das, worauf es ankommt. Als Richter muss ich diese Frage offen lassen.
Lose (Ohr, hören) Machen wir quasi als Richter Einvernahmen von
Zeitzeugen. Hören wir, was die Menschen in diesem Land, unsere
Bevölkerung, zur Schweiz von heute sagen. Wo liegen die Nöte,
die Wünsche, die Hoffnungen, die Verbesserungsvorschläge,
die Zukunftsvorstellungen, die Ziele? Was sagen die armen Leute, die
es bei uns auch gibt? Was sagen die Reichen, die Älteren, die
Kranken, die Jugendlichen, die Familien, die Vereine, die politischen
Parteien? Was sagen die Frauen, die Männer, die Kinder? Was sagen die
Wirtschaftsführer, die Gemeinderäte, die Regierungsmitglieder,
die Parlamentarier? Was sagen die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber? Was
sagen alle weiteren Stimmen, die es in unserem Land noch gibt?
Wenn wir den Kanon all dieser Stimmen hören, werden wir informiert
sein. Wir werden Spannendes, Interessantes, Aktuelles, Wichtiges,
Dramatisches, Ermutigendes, Entmutigendes, Schlimmes, Hoffnungsvolles
und Verzweifeltes hören. Laufe (Bewegen) Wir werden das
Bedürfnis verspüren, zu handeln, zu helfen, zu motivieren; wir
werden das Bedürfnis haben zu lindern, zu verbessern, zu bewahren.
Zuvor müssen wir aber ordnen, Prioritäten setzen, Schwerpunkte
bilden. Wir dürfen nicht einfach in den Tag hineinlaufen. Wir
müssen überlegt handeln. Als Handlungsanweisungen, Direktiven,
als Geländer für dieses Vorgehen, als Handlauf wird uns die
Erfolgsgeschichte unserer Schweiz dienen: wir wollen weiterhin sicher
sein (Sicherheit) wir gehören weiterhin zusammen (Solidarität)
wir wollen weiterhin nur delegieren, was wir nicht selber tun können
(Prinzip der Subsidiarität) wir wollen weiterhin unsere Minderheiten
schützen wir wollen weiterhin unsere vier Kulturen, unsere
vier Sprachen achten unsere Wirtschaft soll weiterhin wachsen Diese
Elemente und weitere dazu werden uns als Eckpfeiler dienen. Im globalen
Konkurrenzkampf werden wir wie bisher unserer Konkurrenz durch Leistung
begegnen. Wir müssen besser sein, als unsere Konkurrenten. Alle,
Jung und Alt, Gross und Klein, Reich und Arm, Krank und Gesund, alle
werden wir weiterhin gefordert sein. Wir werden unser Bestes geben. Wir
werden am gleichen Strick ziehen. Dabei werden wir nicht an den beiden
Enden ziehen bis er reisst. Nein, wir werden alle am gleichen Ende des
Stricks ziehen. Nehmen wir als Beispiel die Justiz. Sie ist eine Art
Seismograph für neue Probleme im Staat. Sie ist hauptverantwortlich
für die Rechtssicherheit und für den Rechtsfrieden in unserem
Land. Sie schafft Gerechtigkeit und Vertrauen. Das sind wichtige Werte
für die Menschen in diesem Land. Das sind aber auch wichtige
Faktoren für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Das alles war
schon den alten Eidgenossen auf dem Rütli bestens bewusst. Sie,
liebe Anwesende, Sie können es dieses Jahr auf dem Rütli und
in Altdorf live hören. An beiden Orten wird das Theaterstück
"Willhelm Tell" von Friedrich Schiller aufgeführt und zwar aus
Anlass des 200-Jahre-Jubiläums der Uraufführung. "Frauhaft"
angefacht durch die Stauffacherin sagt Stauffacher Folgendes: "Denn
herrenlos ist auch der Freiste nicht. Ein Oberhaupt muss sein, ein
höchster Richter, wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit."
Einen Richter wollten die Eidgenossen vom Kaiser, keinen Vogt. Das ehrt
uns Richter natürlich sehr. Immerhin: Richter sind auch Menschen
mit Schwächen wie sie alle Menschen aufweisen. Auch Richter sind
keine Übermenschen. Die Rechtssuchenden dürfen aber darunter
nicht leiden. Wir Richter setzen uns mit all unseren Kräften ein,
unsere vorgegebenen Ziele zu erreichen und Fehler zu vermeiden. Der
Bürger soll unsere Urteile verstehen. Er soll spüren, dass
er angehört wurde, dass seine Sorgen ernst genommen werden. Er
soll die Urteile rechtzeitig erhalten. Zu spätes Recht ist oft
kein Recht mehr. Beim Bundesgericht liegt heute die durchschnittliche
Prozessdauer bei etwa drei Monaten. Wir bemühen uns laufend, das
Erreichte zu bewahren und weitere Verbesserungen zu erzielen. Dass
das Bundesgericht im Sorgenbarometer der Crédit Suisse seit
vielen Jahren die Beliebtheitsskala anführt, dass wir mit anderen
zusammen den Vertrauenspol bilden, das freut uns. Es verpflichtet uns,
in unseren Bemühungen nicht nachzulassen. Wir werden beobachtet,
kritisiert, gewertet und gefordert. Das ist richtig so. "Ich gehe bis
vor Bundesgericht." Das ist ein geflügeltes Wort in der Schweiz,
das uns ehrt: Der Bürger hat Hoffnung, er erwartet Gerechtigkeit
vom Bundesgericht. Er versinkt nicht in Resignation. Er weiss, dass
regelmässig eine von zwei Parteien unterliegt. Er akzeptiert
meist auch den Urteilsspruch des Bundesgerichts. Er anerkennt es als
höchstes Gericht unseres Landes. Die Schweiz hat es in ihrer
Geschichte immer wieder verstanden, aus Rückschlägen und
Krisen zu lernen. Dem Druck von Aussen hat sie jeweils in geeigneter,
für sie nutzbringender Weise widerstanden. Solche Vorkommnisse
bildeten meist den Anfang neuer positiver Entwicklungen. Wir liessen
uns nie entmutigen. Wird uns etwas aufgezwungen, so verstehen wir
Schweizer es, das Positive aufzugreifen und anzunehmen. Denken wir
an die Neuerungen, welche uns Napoleon in der Zeit der Mediation in den
Jahren 1803 bis 1815 aufgezwungen hat. Neue Kantone sind entstanden. Sie
bestehen heute noch. Unsere Demokratie, unser Föderalismus,
beide sind sie durch diese Mediation von Napoleon nachhaltig beeinflusst
worden. Viele Elemente fanden in der Folge bei der Gründung unseres
Bundesstaates im Jahre 1848 Eingang in unsere Bundesverfassung.
Erfolg ist nichts Dauerhaftes. Er muss immer wieder neu erarbeitet,
erkämpft werden. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft werden weiterhin
ihre Strukturen gezielt ändern müssen. Wir müssen uns
bewegen: Nur am rollenden Stein wächst kein Moos. Änderungen
sollen aber nur erfolgen, wenn dadurch echte Verbesserungen erzielt
werden. Es dürfen keine Änderungen um ihrer selbst willen
vorgenommen werden. Manchmal werden unsere Gesetze schon wieder
geändert, bevor sie der Bundesrat in Kraft setzen konnte. Das ist
nicht gut. Änderungen dürfen ferner nicht unüberlegt und
vorschnell erfolgen. Diese Strategie ist seit über 700 Jahren unsere
Erfolgsstrategie. Sie gibt uns weiterhin Frieden und Unabhängigkeit,
Kraft und Vertrauen, Sicherheit und Stabilität. Sie erlaubt es,
Reserven für schwierigere Zeiten zu schaffen. Diese Strategie
garantiert unserem Land, unserer Schweiz weiterhin ein erfolgreiches
Dasein. Wir, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir haben es
dank unserer direkten Demokratie selbst in unserer Hand, dafür zu
sorgen, dass das so bleibt.
Nun wünsche ich der ganzen Schweiz und speziell Ihnen allen hier
auf dem Fronwagplatz ein wunderschönes Geburtstagsfest.
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