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www.rhetorik.ch aktuell: (23. Mar, 2024)

Die Auftrittskompetenz Dettlings

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:

Die Auftrittskompetenz Dettlings als designiertem SVP Parteipräsident

Marcel Dettling, ist als Nachfolger von Marco Chiesa unbestritten. Der
Schwyzer Landwirt und Nationalrat erhielt von verschiedensten Seiten
für sein Kommunikationsverhalten Vorschusslorbeeren. Er wurde als ein
zweiter Roli Brunner bezeichnet. Als Wahlkampfleiter hatte er  im Herbst
grossen Anteil am Wahlerfolg der SVP. Er sitzt im Parteileitungsausschuss,
dem höchsten SVP Gremium.  Dettling ist mediengewandt und hat
die Feuertaufe vor Mikrofon und Kamera längst  bestanden. Ich
habe zahlreiche seiner Auftritte analysiert. Bei verbalen Angriffen
lässt er sich  nicht aus der Ruhe bringen, ist immer präsent
und hört konzentriert zu. Er hat  das Kaliber eines Roli Brunner,
aber mit weniger Schalk als dieser. Dank seiner erstaunlichen
Auftrittskompetenz könnte er der SVP zusätzlichen Schub
verschaffen. Mit seinem bodenständigen Auftreten überzeugt
er. In einem umfangreichen Interview mit Charlotte Walder im Tagesanzeiger
wurde Dettling nicht geschont. Er musste  anspruchsvolle und harte Fragen
beantworten. Beispielsweise:

Tagi: Chiesa war weniger sichtbar als frühere
Parteipräsidenten. In der Deutschschweiz überliess er
öffentliche Auftritte und Medienkontakte oft Fraktionsschef Thomas
Aeschi oder Ihnen. War Chiesa nur ein halber Parteipräsident?

Dettling; Nein, ganz und gar nicht. Chiesa war ein ganzer
Parteipräsident. Wir konnten zulegen bei den Wahlen, das muss man
erstmal schaffen. Chiesa hat es vielleicht anders gemacht als andere,
aber das muss kein Nachteil sein. Es stimmt, in der Deutschschweiz traten
manchmal andere auf. Das gab uns auch eine gewisse Breite.

Tagi: Wie wären Sie als Parteipräsident: wie Toni Brunner,
wie Albert Rösti oder wie Marco Chiesa?

Detttling: Alle SVP Präsidenten waren erfolgreich. Ich würde
mich auf die wichtigen Themen konzentrieren: Zuwanderung, Asyl, Europa.

Kommentar: In der ersten Frage versteht es Dettling, die indirekte
Unterstellung mit dem eindeutigen "Nein, ganz und gar nicht" zu
stoppen.  Erfreulich, dass Dettling die negative Formulierung "halber
Parteipräsident" nicht wiederholt. Wer negative Aussagen wiederholt,
verankert sie zusätzlich.  Das "nicht" wird von Zuhörern
ausgeblendet. Das unterschiedliche Verhalten Chiesas wertet Dettling auf,
indem er die Zurückhaltung des abtretenden Präsidenten positiv
formuliert: "Das gab uns eine gewisse Breite".  Bei der zweiten Frage ging
Dettling auch nicht aufs Glatteis. Er lobte seine Vorgänger, auf
die Frage, ob er als Parteipräsident eher Brunner, Rösti oder
Chiesa wäre, hätte Dettling schlagfertiger sagen können:
"Ich würde das Amt als Marcel Dettling führen  und  mich um die
aktuellen Probleme kümmern, welche der Bevölkerung unter den
Nägeln brennen."  Im Interview gab es noch  weitere Fallstricke. Die
Journalistin sagte beispielsweise: Es heisst allerorten: "Der Marcel
kann's mit allen. Mit wem können Sie es nicht?"  Dettling erkennt
den Haken. Die Journalistin hoffte wahrscheinlich, dass er zeigen
möchte,  es doch nicht allen Recht zu machen und erwartete konkrete
Namen, mit denen er es nicht kann.  Auch hier wählt Dettling
eine kurze, kluge Antwort, ohne Namen zu nennen. Er sagt:  "Da gibt
es durchaus den einen oder anderen. Aber das bleibt mein Geheimnis."
Ich halte Marcel Dettling  eindeutig für Arena - tauglich. Er tritt
souverän und authentisch auf, mit  offenem Blick. Seine wachen
Augen verstärken diese Wirkung. Das Gegenüber fühlt sich
stets angesprochen.Weil er die Antworten auf den Punkt bringt, wird er
wenig unterbrochen. In der Rundschau wurde dann aber  versucht, ihn mit
wirkungsvoller Unterbrechungstaktik zu destabilisieren. Vor allem setzte
die Journalistin diese Taktik ein, wenn Dettling ein Argument konkret
begründen wollte (z.B. Wohnungsnot  durch  grosse Zuwanderung). Der
Interviewte spricht diese  Unterbrechungstaktik zwar nicht an. Aber
er ignoriert sie, indem er weiterspricht.   Dass  ihn  das "über
den Mund fahren" doch nervt, zeigt  sein erhöhtes Sprechtempo
und die  fehlenden Sprechpausen. Er hätte sagen können: "Sie
haben mich schon wieder unterbrochen.Weshalb darf ich wichtige Gedanken
nicht begründen?"  (Bewährt hat sich: Beschreiben der Taktik
und "Fragen statt sagen").

In einem weiteren Interview fiel mir auf, wie Dettling dank guten
Zuhörens und deutlichen Denkpausen geschickt kontern konnte. Beim
konzentrierten Zuhören sendete er äusserst selten nonverbale
Signale des Einverständnisses oder  Nichteinverständnisses.
Dies strahlt Ueberlegenheit aus.

Journalist: Haben Sie den Segen von Herrliberg schon erhalten?

Dettlling: Einen Segen gibt es nur von Gott.

Kommentar: Dettling verliert durch den Rhythmus (konzentriert zuhören
- Denkpause - erst dann reden) nie  den roten Faden. Er kann die
Behauptung,  die Parteileitung sei vom Segen aus Herrliberg abhängig,
mit einem Satz wegwischen. Denkpausen leisten sich  nur gute Redner. Wer
unsicher ist, plaudert in der Regel drauflos, "ohne Punkt und Komma".

Sequenz aus kath.ch:

Journalist: Ausländer und Migration sind das Leib- und Magenthema
der SVP. Genauer gesagt: die grösstmögliche Begrenzung von
Ausländern und Migration in die Schweiz. Warum ist die SVP so
ausländerfeindlich - ohne Ausländer würde die Schweiz
doch gar nicht mehr funktionieren?

Dettling:

Da haben Sie die SVP falsch verstanden. Wir haben nichts gegen Menschen,
die zu uns kommen, einer geregelten Arbeit nachgehen, sich an unsere
Kultur anpassen, unsere Sprache sprechen und die öffentliche Ordnung
und Sicherheit nicht gefährden.

Deshalb haben wir auch nichts gegen Zuwanderung, die für die Schweiz
wichtig ist. Allerdings wollen wir die Zuwanderung von Ausländern
selbst steuern. Ausserdem haben wir überhaupt kein Verständnis
für kriminelle Ausländer, die nicht abgeschoben werden. Die
mit Drogen handeln, die Frauen schlecht behandeln.

Journalist:

Also ist die SVP nicht ausländerfeindlich - trotz solcher Initiativen
wie einst die stark umstrittene Masseneinwanderungsinitiative, die knapp
angenommen wurde?

Dettling:

Nein, die SVP ist nicht ausländerfeindlich. Und was die
Masseneinwanderungsinitiative angeht, ist diese immer noch nicht
erfüllt. Weil das Parlament die Umsetzung der Initiative bis
heute nicht gemacht hat. Es gibt beispielsweise immer mehr Schulen, an
denen die Mehrheit der Schüler kaum noch Deutsch gesprochen wird -
was den Unterricht und die Integration erschwert. Es ist die Menge der
Zuwanderung, die wir besser in den Griff bekommen wollen.

Kommentar:

Die Gleichung "Masseneinwanderung steuern = Ausländerfeindlichkeit"
weist Dettling zurück.  Den Satz: "Die SVP ist nicht
ausländerfeindlich" würde ich  anders formulieren. Denn es wird
das Wort "ausländerfeindlich" wiederholt. Das "Nein" würde
genügen, um nachher noch die Sicht der SVP ausführlicher
anzufügen. "Uns geht uns darum, dass wir die Einwanderung steuern
können""".

 Marcel Dettling hat den Ruf, jovial, zielstrebig und umgänglich
 zu sein.  Er wirkt sympathisch.Viele seiner Gegner attestieren dem
 designierten Präsidenten:
"Marcel pflegt eine offene Gesprächskultur". Das Image eines
"gmögigen" Politikers hat er sich über Jahre erarbeitet,
weil er bei seinen Auftritten er selbst geblieben ist.

Marcel Dettling hat zudem das Glück, dass seine Stimme mit der
jeweiligen Stimmung übereinstimmt und dank einfacher Sprache gut
verstanden wird. Viele  Politiker  beachten nicht, wie wichtig eine
ausbalancierte Stimme ist. Es gibt Stimmen die nerven.  Innere Spannung,
äussere Verspannung d.h. mangelnde Lockerheit wirkt  sich negativ
auf unsere Stimme aus. Und das wird von den Zuhörern   registriert.
Als neuer Steuermann  des SVP Schiffes ist für Marcel Dettling
der Erfolgskurs  vorhersehbar. Die Chance, die grösste Partei vor
einem Absturz zu bewahren, ist gross, falls er als neuer Präsident
weiterhin geerdet bleibt und Aussagen weiterhin  souverän, gelassen,
kurz und verständlich auf den Punkt bringt. Ich wage eine Prognose:
Dettling wird nicht vom Virus "Mediengeilheit" befallen und  auch
weiterhin - ohne zu lavieren -  eloquent kommunizieren.

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