Die Internationale
Grundschul-Lese-Untersuchung 20211 untersuchte die Lesekompetenz am
Ende der vierten Klasse in Deutschland. Am 16. Mai wurden die Ergebnisse
vorgestellt. Man sieht,
dass 19+6=25 Prozent der Studenten weniger als 475 Punkte erzielt haben. Das heisst, dass ein Viertel von explizit angegebene Informationen in einem Text
nicht identifizieren konnten. 6 Prozent der Schüler haben kein rudimentäres Leseverständnis.
Das sind doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren.
Die PISA Studie zweigte 2018 noch, dass Deutschland über dem OECD Durchschnitt lag:
BMBF. Man beschönigte
schon damals das "Mittelmass" und tat, als ob man eine Medaille gewonnen habe:
Aus der Pressemitteilung vom 3. Dezember 2019:
Fünfzehnjährige in Deutschland liegen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften weiterhin über
dem OECD-Durchschnitt. Lesen war bei PISA 2018 zum dritten Mal der zentral getestete Kompetenzbereich (Hauptdomäne).
Die Leistungen bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie 2009 und deutlich über den ersten Ergebnissen im
Jahr 2000 - den beiden Jahren, in denen Lesen ebenfalls Schwerpunkt war.
Nun kommt die IGLU Studie 2021:
Tagessschau
In vierten Klassen zeigen immer mehr Schülerinnen und Schüler
Schwächen beim Lesen. Sie schneiden weit schlechter ab als
Gleichaltrige in vielen anderen Ländern. Das liegt laut aktueller
IGLU-Studie auch, aber nicht nur an den Folgen der Corona-Pandemie.
Im Spiegel gibt es ein Interview mit der Bildungsforscherin Nele McElvany:
SPIEGEL: Frau McElvany, der Abwärtstrend bei den
Ergebnissen der neuen Iglu-Studie ist eindeutig: Die
Lesefähigkeiten der Viertklässler in Deutschland sind erneut
zurückgegangen. Was ist die richtige Bezeichnung dafür:
blaues Auge? Abschwung? Absturz? Katastrophe?
McElvany: Ich würde
nicht mit solchen dramatisierenden Vokabeln arbeiten wollen - aber es
stimmt: Die Ergebnisse sind tatsächlich sehr problematisch für
unser Bildungssystem. Das gilt für fast alle Teilresultate: Der
Mittelwert der Leseleistungen ist nicht nur niedriger als bei der letzten
Iglu-Studie 2016, sondern auch niedriger als 2001. Auch die Streuung der
Leistungen - also die Spannbreite von den schlechten bis zu den guten
Kindern - ist nach wie vor gross. Und erschreckend hoch ist auch der
Anteil der Kinder, die den international definierten Mindeststandard
nicht erreichen. Eigentlich gibt es, was die Leistungen angeht, in
jedem Bereich negative Nachrichten.
SPIEGEL: Welches Problem bereitet Ihnen die grössten Sorgen?
McElvany: Eigentlich alle. Aber wenn ich eins herauspicken müsste,
dann sind das die Kinder, die in der vierten Klasse die Kompetenzstufe
drei und damit die Mindeststandards beim Lesen nicht erreichen. Das
sind jetzt mehr als 25 Prozent in Deutschland.
SPIEGEL: Warum ist das
so problematisch? McElvany: Das sind deutlich mehr als noch 2016 -
und auch deutlich mehr als vor 20 Jahren. Und es sind viel zu viele! Das
muss man sich mal klarmachen: Wir haben hier eine wirklich grosse Gruppe,
die nach der Grundschule nicht ausreichend lesen kann, um erfolgreich
weiterzulernen oder auch sonst erfolgreich durchs Leben zu gehen. Und
mit diesem Manko gehen sie dann in 14 von 16 Bundesländern auf die
weiterführenden Schulen.
SPIEGEL: Wo sie dann fast zwangsläufig scheitern?
McElvany: Die Gefahr ist riesengross. Denn diese Schulen gehen ja davon aus, dass die
Kinder ausreichend lesen können, um im Unterricht erfolgreich Wissen
zu erwerben. Tatsächlich aber haben diese Viertklässler massiv
verringerte Chancen in ihrer weiteren Schulkarriere: Lesekompetenz ist
schliesslich Voraussetzung für das Lernen in allen Fächern und
im Weiteren dann auch für gesellschaftliche Teilhabe. "Wir haben
hier eine wirklich grosse Gruppe, die nach der Grundschule nicht
ausreichend lesen kann."
SPIEGEL: Wo liegen die Ursachen für die deprimierende Entwicklung?
McElvany: Die eine Ursache, die alles erklärt, gibt es nicht. Natürlich
hat Corona seinen Anteil an der Entwicklung und an den neuen Ergebnissen -
aber der Trend ist ja schon seit 2006 zu beobachten, also lange vor der
Pandemie. Ein Faktor ist sicher auch die veränderte Zusammensetzung
der Schülerinnen und Schüler. Aber man muss genau hinschauen:
Der Anteil der Kinder, die in einem anderen Land geboren sind als in
Deutschland, war 2001 quasi genauso gross wie heute - und trotzdem waren
wir deutlich besser bei den Mittelwerten. Weiterhin sind die deutschen
Sprachkenntnisse für die Grundschulen natürlich ein ganz
grosses Thema, und die gehen auch damit einher, welche Sprache die
Schülerinnen und Schüler zu Hause sprechen.
SPIEGEL: Gibt es auch Faktoren, die innerhalb des Bildungssystems liegen?
McElvany:
Am auffälligsten ist vielleicht die wöchentliche Zeit, die in
Deutschland auf Leseunterricht und lesebezogene Aktivitäten in der
Grundschule entfällt. Da passiert rein quantitativ deutlich weniger
als in anderen Ländern. Wir haben im Schnitt 141 Minuten in der
Woche, in denen die Kinder Lesen lernen. In anderen Bildungssystemen
sind es - im Durchschnitt der teilnehmenden EU- oder OECD-Länder
- 200 Minuten, manchmal also auch noch deutlich mehr.