Der neue CEO
Als oberster Chef der neuen Megabank kam nur ein erfahrener Banker
mit internationalem Ansehen in Frage, vor allem ein Schweizer, der
Vertrauen ausstrahlt. So wurde ein ausgewiesener Kenner der Bank an
die Konzernspitze geholt. Unter ihm erfolgte bereits die erfolgreiche
Transformation der UBS nach der Finanzkrise. Die Herausforderung der
neuen Situation fordert Vertrauen in die Führungspersönlichkeit.
Bankenexperte Dittli unterstreicht: "Die Kommunikation nach innen und
aussen wird zentral sein." Hier nun ein kurzer Check der kommunikativen
Kompetenz des neuen CEOs:
Erster Eindruck
Ermotti ist stets von Scheitel bis zur Sohle gepflegt. Er kleidet sich
situationsgerecht, wirkt sympathisch, nicht abgehoben, hat Charisma und
sieht aus wie George Clooney.
Laut Bankexperte Thomas Matter hat Ermotti "eine hervorragende
Reputation." Er hat den Ruf des Vollblutbankers
Sein Führungsstil gilt als hart. Er hat keine
Mühe, auf Fehler hinzuweisen. Ehemalige Mitarbeiter finden, er sei
auch einfühlsam und spontan. Er könne aber auch aufbrausend
sein. (Quelle NZZ) Seine Photos als Jogger geben den Leuten das
Gefühl: "Ich bin einer von Euch." Ermotti gilt als ehrgeizig,
eitel aber nicht abgehoben.
Medienrhetorische Aspekte
2020 analysierte ich Ermotti beim TV Gefäss "Gredig - direkt".
Schon da fiel seine dialogische Stärke auf. Der Banker hatte eine
freundliche Grundhaltung. Er überzeugte als guter Zuhörer
(Augenkontakt *Brücke zum DU"). Die Fernsehkonsumenten fühlten
sich angesprochen. Leider fixierte er bei diesem Auftritt meist
die Hände, als habe ihm ein Coach beigebracht, die Gestik zu
unterbinden. Es ist ein Irrglaube, wenn jemand denkt, wer seine Hände
fasst, wirke gefasst. Wer die Finger verzahnt, blockiert die Gestik und
wirkt weniger offen. Beachtenswert fand ich Ermottis Antworttechnik. Er
brachte seine Aussagen auf den Punkt. Gedanke - Pause - neuer Gedanke.
Die Medienkonferenz
In der letzten Medienkonferenz war bei Ermotti seine Spannung wiederum
nur an den Händen zu erkennen. Die Finger waren verschränkt,
fixiert. Doch ein Daumen baute den Stress ab. Während des
Sprechens streichelte Ermotti mit einem Daumen den anderen. Der
Kameramann hätte dieses Stresssignal mit dem Zoom vergrössern
können. Es wurde aber vom Fernsehen weder, vergrössert noch
ausgeklammert. Dieses Detail zeigt uns, dass den Profi die bevorstehende
schwierige Situation herausfordert. Was können wir tun in solchen
Stesssituationen? Bevor wir sprechen, immer prüfen: Bin ich
locker? Fixiere ich die Gestik? Angela Merkel zelebrierte den Start mit
ihrer legendären Raute. Die Finger berührten sich nur, waren
nicht verzahnt. Dadurch folgte beim Sprechen eine natürliche Gestik.
Der Körper kann so die Spannung vor allem mit synchronen Bewegungen
abbauen. Wer die Gestik unterbindet, macht unpassende Bewegungen, ohne
die Aussage zu unterstreichen. Während des Sprechens dürfen wir
nie an die Gestik denken. Sie kommt automatisch. Wer 100%ig präsent
ist, fokussiert sich beim Sprechen nur aufs Denken und Zuhören
und klammert alle Nebengedanken aus.
Ueberzeugungskraft
Drei Ebenen beeinflussen die Ueberzeugungskraft: Die der Person, die
der Stimme, und die der verständlichen Botschaft. Bei Sergio P.
Ermotti sind es vor allem die Persönlichkeit und die sonore
angenehme Stimme. (Radiostimme).
Verständlichkeit
Bei Ermotti erkennt man bei Auftritten, dass er Tessiner Wurzeln hat.
Vor Mikrofon und Kamera kann er italienisch, deutsch, englisch und
französisch frei sprechen. Er formuliert einfach und klar mit
vorbildlicher Pausentechnik. Wenn er bei Referaten vom Manuskript
abliest, versteht er es, den Text gleichsam neu zu "gebären". Dank
der deutlichen Pausen gelingt ihm der Augenkontakt mit dem
Publikum. Seine Gedanken sind dadurch nachvollziehbarer.
Ermotti hat aus Fehlern gelernt
Ich erinnere an den unbedachten, emotionalen Brief Ermottis vom Oktober
2012, der nicht gut angekommen ist. Hinter den Bankmauern der UBS
rumorte es zu jener Zeit. Die Medien berichteten über einen
möglichen Abbau von bis 10 000 Jobs. UBS-Chef Sergio Ermotti
wendete sich laut Sonntagspresse umgehend schriftlich an die weltweit
63'500 Mitarbeitenden. Der emotional aufgeladene Brief hatte es in sich:
Er sei "persönlich enttäuscht" über Leute in der Bank, die
zu solchen Spekulationen beitragen, schrieb Ermotti. Diese Mitarbeitenden
würden "unverantwortlich oder lediglich in ihrem eigenen
Interesse handeln." 20 Min kommentierte damals: "Er geisselt die
ganze Belegschaft, anstatt erst nach dem Ursprung des Informationslecks
zu suchen." Das UBS Personal werde zu Recht "stocksauer"sein.
Nach dieser Überreaktion habe ich bei Ermotti keine weiteren Patzer
bei Kommunikationsprozessen entdecken können. Das bestätigt:
Wo gearbeitet wird, kann es Fehler geben, aus denen zu lernen ist. Die
Fähigkeit, sich laufend zu verbessern, ist eine Stärke.
(Verbesserungsmanagement) Sergio P. Ermotti überzeugt auch, dank
seiner Selbskritikfähigkeit und dem Mut, neue schwierige Aufgaben
anzupacken.
Nachtrag zur Person
Ermotti hat seine Wurzeln im Tessin und machte als junger Mann eine Banklehre in Lugano.
Er wollte zuerst Sportlehrer werden, musste dafür aber eine Lehre machen. Er hatte dann in einer
Bank angefangen und blieb dabei. Links mit mehr Details zum Lebenslauf von Ermotti.