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www.rhetorik.ch aktuell: (09. Mar, 2023)

Der gezaehmte Rebell

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Kevin Kühnert, ehemaliger Jusochef, übte nach der Bundestagswahl 2017 noch scharfe Kritik an der eigenen Partei. Mit dem Hashtag NoGroKo machte er sich vor allem auf Sozial Media einen Namen - und sorgte für Ärger mit seiner Partei. 2021 wurde er als Abgeordneter in den Bundestag gewählt und ist seit Ende Dezember 2021 Generalsekretär der SPD. Damit ist bei ihm ein deutlicher Rollenwechsel festzustellen. Es erfolgte eine Wandlung vom freien Radikalen zum demütig Lernenden. Kühnert polarisiert nicht mehr. Er hat die Last der politischen Verantwortung am eigenen Leib erfahren. Er verzichtet auf extreme Forderungen. Früher wollte er beispielsweise Autos aus den Städten verbannen. Heute sagt er: #Ein Bus kann kein Auto ersetzen". In einem Interview im Südkurier wird Kühnert gefragt, ob es ihm die Umstellung zum SPD Speaker schwer gefallen sei. Kühnert: #Ich bin nicht Sprecher weder von der SPD noch von der Regierung. Mein Job ist ein politischer. Er besteht darin, unsere Programme, unser Konzept weiter zu entwickeln. Den jetzigen Job hatte ich vor vier Jahren nicht haben wollen. Seither schafften wir ja einiges und mich hat das Comeback gefreut. Wenn ich jetzt meine Partei kritisieren würde, dann würde man mir zu Recht sagen: Du bist der Generalsekretär. Dann mach es auch anders." Vom Rebell Kühnert ist nichts mehr übrig geblieben. Früher piesackte er bei jeder Gelegenheit Olaf Scholz, heute versteht er den Bundeskanzler auf der ganzen Linie. Das Vertrauen zu ihm sei gewachsen, die Zusammenarbeit belastbar. Mit ihm könne man über alles offen sprechen. Kevin Kühnert ist in seine Rolle als SPD Generalsekretär hineingewachsen und hat sich angepasst. Er fühlt sich offensichtlich auch sehr wohl dabei. 2021 analysierte ich die Auftrittskompetenz Kühnerts und bezeichnete ihn als politisches Talent und begnadeten feurigen Redner. Mit Turnschuhen, dunkel gekleidet war er bei Wahlen immer an Orten des Geschehens. Ich betonte bei ihm folgende Stärken: Er kann gut zuhören, spricht immer frei, formuliert stark. Er versteht es, zu begeistern. Dank kurzer Sätze und vorbildlicher Pausentechnik wird er gut verstanden. Er bringt es fertig, die Konzentration aufrecht zu halten. Anderseits fiel bei ihm die gequetschte, gepresste Stimme mit aggressivem Unterton negativ auf. Journalist Dominique Eigenmann schrieb damals über Kühnert treffend: # Auf Twitter gibt es wenige, die lustiger, schlagfertiger, böser ätzen. Macht interessiert ihn, weil ohne sie linke Ideen nur Ideen bleiben. Der kleine Mann ist ein grosser Stratege, der stets einige Züge vorausschaut." Tatsächlich hat Kühnert den Schritt zum Generalsekretär der Partei angepeilt und sitzt heute in einer Schlüsselposition, die er nicht mit zu kantigen Aussagen gefährden möchte. Als Politiker ohne akademischen Abschluss fand Kühnert einen Lift, der ihn noch weiter nach oben führen könnte. Ein Rebell in der neuen Rolle ist gewiss nicht mehr gefragt.

Übrigens musste Albert Rösti ebenfalls einen Rollenwechsel vollziehen. Albert Rösti kämpfte zuvorderst gegen das Klimaschutzgesetz. Nun musste er als Bundesrat auch eine neue Position vertreten. Vor wenigen Monaten war dies noch kaum vorstellbar. Er war als Parlamentarier im Referendumskomitee gegen das "Stromfressergesetz". "Ich unterstütze im Namen des Bundesrates das Klimaschutzgesetz", sagt nun Rösti als SVP Bunderat bei seinem ersten Auftritt vor dem Parlament. Wer bei einem Rollenwechsel Sachverhalte neu betrachten muss, ist kein Wendehals, weil in jedem neuen Job das Loyalitätsprinzip gilt. Und dieses hat Priorität.


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