Spiegel Mehr als 11 Millionen Zuschauer sahen das zweite TV-Triell. Es war die am Sonntag meistgesehenen Sendung.
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Laut Umfrage ARD punktet Scholz vor Laschet und Baerbock.
Doch Umfragen sind mit Vorsicht zu geniessen. Viele ändern bekanntlich
die Meinung über Politiker selten. Alte Vorurteile haften zu
stark. Bei der Umfrage des zweiten Triells ging es um die Fragen:
er überzeugt mehr? Wer ist sympathischer?
Wer ist kompetenter? Wer hat mehr Tatkraft?
Alle Akteure sind gut gecoacht worden. Die Berater spürt man jedoch zu stark.
Alle Drei sind situationsgerecht gekleidet und verhalten sich
mediengerecht. Alle nutzen immer wieder die Politikerrhetorik (bewusst?), anstatt die
Frage konkret zu beantworten. Beispiel Laschet: "Wir brauchen Stellschrauben".
(Das klingt plausibel, aber es wird nicht gesagt, welche Schrauben und wie und
wo gedreht werden soll). Das Moderatorenteam agierte professionell:
Es griff nach, wenn ausgewichen oder die Frage nicht beantwortet wird.
Bei Streitsituationen führen sie das Gespräch an der langen
Leine. Das wird vom Publikum geschätzt.
Das zweite Streitgespräch war lebendiger als das erste. Die Akteure
schonten sich nicht mehr. Alle zeigten mehr Zähne.
Armin Laschet pofiliert sich als Kämpfer und ist sofort im
Angriffsmodus. Er greift präzise ein. Seine Strategie: Unterbrechen,
Emotionen zeigen, Unterschiede zu Mitbewerbern herausschälen.
Was stört: Wie beim Auftritt im Katastrophengebiet weiss Laschet
immer noch nicht nicht, dass er auch aufgenommen werden kann, wenn andere
sprechen. So liest er in seinen Unterlagen, während Annalena Baerbock
spricht. Das macht ihn zum schlechten Zuhörer.
Laschet ist ausDRUCKstärker als im ersten Triell und
setzt rhetorisch ein nachhaltiges Schlussstatement über das
Vertrauen. Schade: Wie soll man ihm vertrauen, wenn seine Partei lange
nicht hinter ihm gestanden hat und ihm kein Vertrauen geschenkt hat.
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Annalena Baerbock gibt sich lockerer als im ersten Triell. Die grüne
Kandidatin weiss wohl, dass sie nicht mehr Kanzlerin werden kann. Sie
hält sich beim Duell im ersten Teil zurück und lässt die
Herren streiten. Dann gelingt es ihr recht gut, ihre Themen zu setzen. Die
Stimme ist immer noch kein Ohrenschmaus. Dank weniger Druck klingt sie doch
etwas besser. Baerbock spricht viel zu hastig und pausenlos. Das Einatmen
ist gut hörbar. Beeinträchtigt Verständlichkeit.
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Olaf Scholz muss einmal mehr beweisen, dass er stark ist, weil die
Konkurrenten schwach sind. Er ist lebendiger als sonst, lässt sich
im Duell mit Laschet nicht aus der Ruhe bringen. Die Nervosität von
Scholz erkennen wir beispielsweise bei den falschen Genderformulierungen:
(Arbeitgeber und Arbeitgeber, Experten und Experten, Arbeitnehmer und Arbeitnehmer)
Scholz wird bei den Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle
des Zolls von zwei Seiten unter Druck gesetzt. Als Mister Deflon versucht
er die Angriffe an sich abprallen zu lassen. Er muss sich dann doch noch
wehren und rechtfertigen.
Scholz hat in diesem Triell sein Ziel gefunden: Deutschland soll 1.
Industrieland werden, das CO2-neutral produziert.
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Fazit: Scholz kann immerhin seine Stellung halten. Baerbock und Laschet
haben aber eindeutig aufgeholt. Die Umfragen haben gezeigt: Laschet
macht den grössten Zugewinn. Das dritte Triell vom 19. September
könnte entscheidend werden.
Quelle.
Supplement aus dem
Spiegel. Sabine Schwind von Egelstein, eine Imageberaterin hat die Outfits der Kandidaten beachtet
und die Uniformität angesprochen. Dies hat ein Vorteil, dass die Kleidung nicht mehr
im Vordergrund steht.
SPIEGEL: Frau Schwind von Egelstein, offiziell geht es
im Wahlkampf nur um Inhalte, aber die Kandidaten senden natürlich
auch mit ihrem Auftreten Botschaften. Wie beurteilen Sie die Outfits
der beiden Kandidaten und der Kandidatin beim jüngsten Triell?
Sitlberater Schwind von Egelstein: Die drei waren ja fast uniformiert. Ich nehme an, da gab es Vorgaben vom
Sender. Hier sollte vermutlich Kompetenz ausgestrahlt werden, weniger
Individualität. Das finde ich aber gar nicht so verkehrt, denn
wenn man sich die Duelle der Vergangenheit anschaut, dann wurde danach
zum Beispiel oft über Muster und Krawattenfarben gesprochen. Das
fällt hier weg, und die Inhalte treten in den Vordergrund.
SPIEGEL: Tatsächlich steht die Frage nach den Krawatten hier auch
auf dem Zettel. Gestern hatten sowohl Olaf Scholz als auch Armin Laschet
eine dunkelrote an. Wofür steht diese Farbe?
Stilberater Schwind von Egelstein: Weil die Farbe fast identisch war,
habe ich die starke Vermutung, dass auch das eine Vorgabe der Regie war.
Normalerweise würde man ja etwas Moderneres wählen: Ton-in-Ton
mit einer blauen Krawatte. Die Kombination weisses Hemd, rote Krawatte,
blaues Sakko kennt man eigentlich aus den USA, wo es die patriotischen
Farben sind.
SPIEGEL: Sollten Politikerinnen und Politiker bei ihren Auftritten das
Corporate Design ihrer Partei berücksichtigen?
Schwind von Egelstein: Ich persönlich finde das grundsätzlich
gut. Das bedeutet aber nicht, dass Annalena Baerbock in einem grünen
Kleid hätte kommen müssen. Denn als Kanzler möchte man ja
das ganze Volk repräsentieren, da sollte man offen in alle Richtungen
sein, und Dunkelblau vermittelt da eine grössere Neutralität.
SPIEGEL: Tragen Politikerinnen und Politiker deshalb so oft Dunkelblau?
Schwind von Egelstein: Ja, weil es seriös wirkt. Blau und besonders
Dunkelblau sind die sachlichsten aller Farben. Schauen Sie sich Uniformen
an, etwa die der Lufthansa. Dunkelblau gibt einen schönen Kontrast
zu einem weissen Hemd und unterstreicht die souveräne Ausstrahlung,
die Kompetenz. Schwarz könnte das auch leisten, bildet aber optisch
viel stärker eine Mauer zu den anderen, es ist mehr eine Machtfarbe.
SPIEGEL: Annalena Baerbock trug gestern lila Pumps. Eine gute Wahl?
Schwind von Egelstein: Es waren schöne, feminine Schuhe, die
einem aber nur aufgefallen sind, wenn man darauf geachtet hat, keine
Blickfänger, die würde ich nicht empfehlen. Die Aufmerksamkeit
soll ja auf dem Gesicht liegen. Ich fand das sehr stimmig. Wie
übrigens auch die Idee im ersten Triell, zum Abschlussstatement vor
das Pult zu treten. Eine Geste, die die beiden Herren gestern ja gleich
nachgemacht haben.
SPIEGEL: Olaf Scholz wurde unlängst ein "schlumpfiges Grinsen"
attestiert. Was würden Sie ihm raten?
Schwind von Egelstein: Der macht natürlich im Moment alles
richtig. Das liegt aber daran, dass andere etwas falsch gemacht
haben. Viele wählen ja nach der Negativauslese und entscheiden
danach, was sie nicht wollen. Olaf Scholz' Aufstieg wie der Phönix
aus der Asche liegt nicht an seiner strahlenden Persönlichkeit,
er hat einfach nur bisher im Wahlkampf keine Fehler gemacht.