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www.rhetorik.ch aktuell: (26. Nov, 2020)

Nicht auf Kosten der Verstaendlichkeit

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
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Illustrationen von Coffez: Original Text:
Gendersprache darf Verständlichkeit nicht schmälern

von Marcus Knill*

Wie die Sprache "vor die Hündinnen" gehen kann.

Bei allen Kommunikationsprozessen gilt als wichtigstes Prinzip der
Verständlichkeit:" " Kurz und einfach.  Wenn Korrespondenten im
Schweizer Fernsehen in ihren Beiträgen ständig Doppelnennungen
gebrauchen, wie "Steuerzahlerinnen und Steuerzahler" "Wählerinnen
und Wähler" -"Politikerinnen und Politiker" "Afroamerikanerinnen
und Afroamerikaner", widerspricht dies dem Prinzip der Kürze
und dem Lesefluss.  Wir achten nicht mehr auf den Inhalt, sondern
nur noch auf das übertriebene Bemühen um die konsequente" "
Gendergerechtigkeit. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die penetrante
Doppelnennung von den Leserinnen und Zuhörern erwünscht
ist. Vermutlich wird sie von oben den Journalisten verordnet," "
jedenfalls nicht im Interesse des Publikums.  Durch die übertriebene
Gendersprache leidet die Verständlichkeit.  Rhetorikprofessor
Dr. R." " Steiger (ETH) pflegte schon vor Jahren" " zu Beginn seiner
Vorlesungsreihe folgende Folie aufzulegen:

"Der/die Referent/In ist für den/die Zuhörer/In da und nicht
der/die Zuhörer für den/die Referent/en/in!"

Mit diesem Beispiel machte er deutlich, dass er während der
Vorlesung nicht alles verdoppeln werde. Er wechselte bewusst die
Geschlechter.  Keine Studentin wünschte nachher ein konsequentes"
" Verdoppeln. Einmal sprach er von Chefin. Ein andermal von einem Chef.

Seit Jahren wird versucht, die männliche Bezeichnung (das" "
sogenannte generische Maskulinum, das beide Geschlechter einschliesst)
zu ersetzen.  An dem ist eigentlich nichts auszusetzen. Doch sollte
dafür auf keinen Fall die Lesbarkeit, die Verständlichkeit,
die Ausdrucksstärke und der Sprachfluss" " " geopfert werden.
Ständige Doppelnennungen ermüden, benötigen wertvolle
Zeilen und" " Zeit.  Das Ritual der Verdoppelung führt mitunter
zur grotesken Situation, dass Moderatoren in den Medien" " (z B." " im
Kassensturz) oft die männliche Form wiederholen "die Konsumenten
und Konsumenten".

Die Verdoppelungsmanie wurde gleichsam zum Ritual: "Alle Bewohner
und Bewohner"" "Liebe Zuschauer und Zuschauer".  Die Verdoppelung
als Floskel wird" " von vielen Rednern gerne" " genutzt, nur um
Denkzeit zu" " schinden.  Schlimm wird es, wenn die Sprache auf das
meist falsch verwendete Partizip "die" " Lehrenden" oder konstant auf
geschlechtsneutrale Bezeichnungen ausweicht. Die Unsitte, Lehrerinnen
und Lehrer als "Lehrpersonen" zu bezeichnen, hat sich schon dermassen
etabliert, dass sie" " auch dann geschlechtsneural verwendet wird,
wenn es sich nur um eine Frau oder um nur um einen Mann handelt." " " " "

Ich sammelte seit Jahren die schlimmsten unsinnigen
Sprachschöpfungen, wie:

- Gästin - Jedefrau sagt, statt: Jedermann sagt) - Göttin sei
Dank - Frauschaft statt Mannschaft - Ich habe einen Bärinnenhunger
- Wir werden uns vertöchtern (statt versöhnen) - Mitgliederin
(obschon Mitglied eindeutig eine geschlechtsneutrale Personenbezeichnung
ist) - "Frau sagt", statt: "Man" sagt (obwohl mit "man"" " irgend ein
Mensch gemeint ist).  - "Liebe Kinderinnen und Kinder" (Aus einer Rede
von Grünen- Chefin Göring - Eckhardt.)  - Reisendinnen


Ein guter Schreib- und Sprechstil zeichnet sich nie durch Kompliziertheit
aus!  Sture Gleichmacherei verstümmelt die Sprache. Welches der
folgenden Beispiele ist verständlicher, einfacher und kürzer?

"Krankenschwestern und Laborantinnen sind die engsten Mitarbeiter der
Aerzte."

Oder:

"Krankenpfleger, Krankenschwestern und Laboranten, Laborantinnen sind
die engsten Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen der Aerzte und Aerztinnen."

Fundamentaler Irrtum

Die Gleichsetzung von biologischem Geschlecht und grammatikalischem
Genus ist eindeutig falsch. Es gibt" " drei Genera, das Maskulinum, das
Femininum und das Neutrum. Es gibt aber nur zwei Geschlechter. Begriffe
wie: - Der Mensch - Der Gast - Der Flüchtling - Die Person - Die
Persönlichkeit - Das Kind - Das Individuum usw.  können alle
männlich und weiblich sein.  Viele übersehen die Tatsache,
dass allem Ungeschlechtlichen (der Ofen, die Wolke, das Fass) ein Genus
zugeordnet ist.  Genau so sind sämtliche Funktionen, die von Verben
abgeleitet werden können und auf -er enden, trotz des männlichen
Genus nicht biologisch" " männlich zu verstehen.

Ein Mensch der liest, ist ein Leser.  Einer der arbeitet, ein Arbeiter.
Ein Mensch, der fischt, ist ein Fischer usw.  Der Genus wird hier
übergeschlechtlich verwendet.

Ein zusätzlicher Irrtum: Wegen der konsequenten Doppelnennung
von Funktionsträgern geht die übergeschlechtliche Bedeutung
des maskulinen Genus verloren.  Dies führt zum Verlust des
Oberbegriffs der deutschen Sprache, nämlich des allgemeinen, nicht
unter geschlechtlichem Aspekt ins Auge gefassten Menschen. Der Sexismus
wurde mit der Vergeschlechtlichung der Sprache nicht entfernt, sondern
erst recht eingeführt. Jeder Begriff müsste nämlich durch
die Feminisierung dauernd wiederholt werden. Dies würde jedoch zu
unüberwindbaren Schwierigkeiten führen. z.B:

"Der interessierte" " Leser, beziehungsweise die interessierte Leserin
kümmert sich immer auch um die Person des unbekannten Autors,
beziehungsweise der unbekannten Autorin."
 .
Selbstverständlich ist es angebracht, bei Einladungen und Anreden
zuerst beide Geschlechter anzusprechen, da man ja konkret Menschen
als Männer und Frauen vor sich sieht. Heute sehen viele ein,
dass wir den ideologischen Modeerscheinungen nicht weiter erliegen
dürfen. Wer mit Sprache zu tun hat, ist verpflichtet, sich in
erster Linie für die sprachliche Ästhetik d.h. "Klarheit und
Lesbarkeit" zu entscheiden. Wenn wir die Sprache verändern," "
darf die Verständlichkeit beim Reden und Schreiben nie leiden.







Kommentar

Die zum Teil recht heftigt geführten Diskussion um gendergerechte
Sprache war" " notwendig. Ohne die penetranten Vorstösse wäre"
" wahrscheinlich alles beim Alten geblieben. Die Sprache ist stets
genötigt, sich dem Zeitgeist anzupassen. Dies darf aber nicht zu
einer Verstümmelung der Sprache führen. Bedenklich ist es,
dass" " Kinder heute in der Schule bereits in ein Gendersprachkorsett
gesteckt werden.  Auf Arbeitsblättern müssen sie lernen,
"Schüler" durch "Schülerschaft" zu ersetzen.  "Leser" durch
"Lesende". "Fussgänger" sind "Zu Fuss gehende". Grammatik und
Stilistik scheinen keine Rolle mehr zu spielen.  Priorität hat nur
noch politisch korrektes Schreiben.  Was können wir gegen diesen
Unfug tun?

Stoppen wir den neuen" " " Genderwahn." " Viele" " resignierten und haben
leider den Kampf gegen den bürokratischen Unsinn der Sprachpolizisten
aufgegeben.  Zebrastreifen sind nicht für Zebras geschaffen. (Ringier
will in den Texten keine Fussgängerstreifen, der männlichen Form
wegen).  Wehren wir uns gegen die Verunstaltung der Sprache. Ueberlassen
wir das Feld nicht den" " Genderideologen mit ihrem Röhrenblick.
Die Sprache ist ein zu kostbares Gut. Wir dürfen sie nicht "vor
die Hündinnen" gehen lassen.

Ich zitiere als treffenden Schlussgedanken Martin Ebel, Autor,
Literaturredaktor (Tagesanzeiger) und Juror:

"Die Genderbewegung will die Benachteiligung der Frauen beheben. Auf
Kosten der grammatikalischen Korrektheit, der Eleganz, der Freiheit
des Ausdrucks. Nicht zuletzt transportiert sie ein Weltbild, in dem
die Menschheit immer und grundsätzlich in Männer und Frauen
zerfällt. Eine gespaltene Welt. Die Umdeklarierung des generischen
zum sexistischen Maskulinum hat die bekannten sprachlichen Folgen -
zwangshafte Doppelnennung, substantiviertes Partizip Präsens,
umständliche Umschreibungen, gar typographische Scheusslichkeiten
wie Gendersternchen, Binnen-I, oder Gender Gap.  Wer gendern will,
mag dies tun. Er und sie - sollen nur andere damit in Ruhe lassen."

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