Die Würfel sind gefallen. Bei den Bundesratswahlen gab es keine
Überraschungen.
Watson:
Die Parteipräsidentin der Grünen Regula Rytz scheiterte
erwartungsgemäss.
Vor der Wahl sagte der Präsident der CVP, Gerhard Pfister, die
Mehrheit in seiner Partei werde nicht für Rytz stimmen. Weshalb?
Medienrhetorisch erzielte Regula Rytz zwar recht gute Noten. Sie sprach
verständlich, hörte gut zu. Auffallend war bei Auftritten ihre
eindringliche Augensprache. Sie liess sich kaum aus der Fassung bringen.
Aber ihr Dauerlächeln wirkte aufgesetzt und kam nicht gut an. Vor
allem, wenn sie hart befragt wurde, versuchte Rytz heikle Situationen
wegzulächen. Obwohl sie politisch extrem links positioniert ist,
wirkte Rytz im SonnTalk (Tele Züri) recht gemässigt, keine
Wadenbeisserin. In der Öffentlichkeit hat Rytz- dank ihrer guten
Medienpräsenz - einen hohen Bekanntheitsgrad. Doch im Parlament
wirkte sie wenig integrierend. Erstaunlich, wie die Kandidatin - trotz
geringer Chancen - dennoch stets selbstbewusst auftrat. Sie hoffte
wahrscheinlich auf ein Wunder. Ich denke, Rytz fehlt die Fähigkeit
zur Selbstkritik. Fakten konnte sie verdrängen. Erfolgreiche
Menschen sind sich der eigenen Stärken bewusst, doch blenden sie
Mängel und Fakten nicht aus. Politiker mit Röhrenblick
scheitern meist.
Nach dem Politologen Hermann ist die Dynamik des Wahltages
unvorhersehbar. Seine Begründung: Die Bundesratswahl ist eine
geheime Wahl und geheime Wahlen sind oft für Ueberraschungen gut. Der
Anspruch der Grünen auf einen Bundesratssitz war für Hermann
unbestritten, zumal die zweiten Ständerats-Wahlgänge den Erfolg
der Grünen bestätigt haben. Doch sah Michael Hermann bei
seiner Prognose keinen Weg, wie Rytz zu einer Mehrheit kommen könnte.
Wer die Wahlchancen der grünen Bundesratskandidatin nüchtern
betrachtete, wusste, Veränderungen sind selten erwünscht. Die
Hemmungen vor der Abwahl eines Bundesrates sind enorm hoch. Die Abwahl
von Christoph Blocher gelang nur dank eines generalstabsmässig
geplanten Schachzuges aus dem Hinterhalt. Bei der jüngsten Wahl
fehlte die politische Spannung von damals. Zudem war das neue Parlament
für Spielchen nicht mehr zu haben. Jeder Politberater hätte
die Kandidatin auch darauf hingewiesen, dass solche versteckten Aktionen
in der Regel zum Bumerang verkommen. Ob Regula Ryz keine Berater hatte?
Und ausserdem spielte die CVP bei dieser Bundesratswahl die
Königsmacherin.
Rytz hätte die Unterstützung der CVP nötig gehabt. Das
war aber nicht der Fall, da
Ignazio Cassis näher bei der CVP politisiert als Regula Rytz.
Die Parteien überprüfen ihre Kandidaten vor einer Wahl sehr
gründlich, damit ihnen kein unaufgedeckter Skandal später
einen Strich durch die Rechnung macht. Rytz brachte sich selbst als
Sprengkandidatin ins Spiel im der FDP einen Bundesratssitz abjagen und
gab bekannt, sie greife nur Cassis an. Karin Keller Sutter werde sie
- als Frau - verschonen. Parteiintern musste sie nachträglich
zurückkrebsen, weil dieser vorschnelle Entscheid intern nicht
abgesprochen war.
Eine aufschlussreiche Antwort der Bundesratskandidatin:
Darauf angesprochen, ob sie keine Leichen im Keller habe, antwortete
Rytz demonstrativ lässig:
"Mein Keller ist nicht sehr gross, es hat nur Wein drin." Leichen habe
sie bisher nicht entdeckt.
Diese Antwort würde gewiss von Schlagfertigkeitstrainern gelobt.
Der übertragene Sinn der Frage wird geschickt ignoriert und die
Worte #Leichen im Keller" werden wortwörtlich genommen. Damit ist die
Frage vom Tisch. Es fehlt aber die Antwort, ob relevante Sünden
ans Tageslicht kommen könnten.
Die wenigsten werden bei dieser schlagfertigen Antwort erkannt haben,
dass die Politikerin der Frage ausgewichen war.
Nachdem die grüne Bundeshausdeputation Rytz offiziell nominiert
hatte, erklärte Fraktionschef Balthasar Glättli auf Nachfrage,
gemeinsam mit Parteivizechefin Lisa Mazzone und Generalsekretärin
Regula Tschanz, er hätte der Kandidatin nochmals die Frage nach
den Leichen im Keller gestellt. "Die Antworten waren für uns
überzeugend", fand Glättli. Zu weiteren Details äusserte
er sich nicht.
Ein eigentliches, von der Findungskommission unabhängiges
Prüfgremium wie bei FDP und CVP haben die Grünen laut Tagblatt
nicht eingesetzt. Man habe aber aktuelle Auszüge aus Betreibungs-
und Strafregister angefordert, präzisierte Fraktionschef Glättli
auf Anfrage.
Der Oppositions-Politikerin Regula Rytz fehlte für viele
Ratsmitglieder die Bundesratskompetenz.
Rytz hat sehr viel zum historischen Wahlsieg der Grünen beigetragen.
Das ist ihr Verdienst. Das übertriebene Selbstbewusstsein der
Präsidentin kam hingegen nicht überall gut an. Die wichtige
Mittefraktion kritisierte: "Sie hat manchmal etwas Besserwisserisches und
Rechthaberisches, das schadet ihrer Kandidatur", wie beispielsweise Fabio
Regazzi (CVP/TI) sagte, der mit Rytz Mitglied der Verkehrskommission
war. (Schulmeisterliches Verhalten ehemaliger Lehrer kommt stets
schlecht an).
Insbesondere ihr Auftritt zur Lancierung der Bundesratskandidatur ist
vielen sauer aufgestossen: "Das war ein sehr unbescheidener Auftritt"",
fand Alois Gmür. Der CVP-Nationalrat fügte an: "So kann man
in der Mitte nicht punkten." Die Kandidatin positionierte sich klar
als Oppositionspolitikerin.Und Oppositionspolitiker war noch nie ein
Qualitätsmerkmal für einen Bundesrat.
Dass eine Politikerin sich selbst nominiert, wurde nicht
geschätzt. Und das hat Rytz getan.
Kommentar: Nach dem Anhörung bei der Grün liberalen Partei
hat man der Strahlefrau bei ihrem Auftritt vor Mikrofon und Kamera
erstmals die Enttäuschung angesehen - ohne Dauerlächeln und
ohne demonstrierter Selbstsicherheit. Ich bin überzeugt, dass bei
den negativen Echos auch Schadenfreude mitspielte. Mit ein bisschen
mehr Bescheidenheit hätte die Kandidatin Rytz wichtige Punkte holen
können, an denen es mangelte. Schade finde ich die uneinsichtige
Reaktion der Kandidatin auf alle, meist berechtigter Kritikpunkte in der
Rundschau des Schweizer Fernsehens. Ihre Antwort überzeugte nicht:
"Man kann es nicht allen recht machen".
Sorry, Frau Ritz! Niemand muss es allen recht machen, es genügt ,
wenn Sie das, was Sie tun, möglichst recht machen (Vorbereitung,
Kernbotschaften, Verhalten). Bei Wahlen geht es in erster Linie
um die Glaubwürdigkeit. Und da könnte Einiges verbessert
werden. "Aus Fehlern lernen", ist keine Hohlformel. Die Präsidentin
der grünen Partei könnte von der konstruktiver Kritik sehr
profitieren. ist doch damit zu rechnen, dass sie später nochmals
eine Chance bekommt.
Fazit:
Nicht nur in der Politik kommt es oft anders, als man denkt oder
gar wünscht. Da Regula Rytz unwidersprochen Qualitäten als
Politikerin hat und der Trend zu den Grünen weitergehen könnte,
wird sie wahrscheinlich eine zweite Chance bekommen und diese, sofern
sie bis dahin an sich arbeitet, besser nutzen können, als ihre erste!