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www.rhetorik.ch aktuell: (09. Mar, 2018)

Zur Gomringer Debatte

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Die Geschichte eines Gedichtes von Eugen Gomringer, das in Berlin übermalt worden ist wurde viel diskutiert. Es gab Beifall, weil im Gedicht Frauen und Objekte semantisch gleichgesetzt werden. Die Akademie der Küste protestierte: das Wesen und die Freiheit der Kunst sind bedroht, wenn man sie zu instrumentalisieren versucht". Man sprach sogar von Kulturbarberei. Städte wie Bielefeld und Schaffhausen haben angekündigt, das Gedicht an Häuserfassaden anbringen zu lassen. Quelle: Spiegel. Etwas komisch und befremdlich ist auch, dass bald das Gedicht mit einem Werk einer der der Kritiker des Gedichtes ersetzt wird. Auch Barbara Köhler ist Trägerin des Poetik Preises 2017. Eugen Gomringer hat den selben Preis 2011 gewonnnen. Ob im Jahre 2023 ihr eigenes Werk vom nächsten Gewinner in den Dreck gezogen wird?

Im "Blick" ist ein Kommentar von Frank A Meyer, einem gutem Rhetoriker der bekannt für klare Sprache ist. Wir hatten ihn auch als angagierten Moderator gesehen und analysiert. Das Vormat "klipp und klar" von Meyer ist kürzer als das Blocher TV und der Journalist, der die Fragen stellt, ist nicht sichtbar. Die Kolumne "Frank und Frei" ist aber im Vormat perfekt für ihn zugeschnitten. Er kommentiert darin die Gomringer Geschichte. Frank A. Meyer befindet sich natürlich politisch in einer ganz anderen Ecke als Christoph Blocher. Als Rhetoriker sind sie aber ähnlich: beide haben Temperament und Engagement und wissen, wie man die Sache auf den Punkt bringen kann.


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Die Grominger Story ist interessant: Aus dem Pro Medienmagazin:
Diese Kunst soll weg", schreibt die Wochenzeitung Die Zeit. Gemeint ist ein Gedicht von Eugen Gomringer, das von der Fassade der Berliner Alice-Salomon-Hochschule entfernt werden soll. Das beschloss der Akademische Senat. Seit 2011 war es an der Fassade des Gebäudes zu lesen. Bei Sanierungsarbeiten soll das Werk übermalt werden, stattdessen soll ein Gedicht der Lyrikerin Barbara Köhler an die Wand kommen. Alle fünf Jahre soll ein neues Gedicht an die Hauswand kommen. Das Gedicht, das eine Debatte ausgelöst hat, heisst "avenidas" und erschien 1953 in einer Schweizer Zeitschrift. Aus dem Spanischen übersetzt lautet das Gedicht:

"Alleen/Alleen und Blumen/Blumen/Blumen und Frauen/Alleen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer".


Darin sehen Studenten der Hochschule sexistische Inhalte. Die Studentenvertretung will, dass das Gedicht durch das Werk einer weiblichen Autorin oder eines Autors mit Migrationshintergrund ersetzt wird. In der Tat erweckt der Text den Eindruck, hier würden Frauen nur auf eines reduziert: nämlich auf Schönheit. Das bedient alte Geschlechterrollen, gegen die gerade heute immer mehr Menschen angehen wollen - Frau = schön, Mann = stark. Es ist richtig, diese, die Welt auf Stereotypen reduzierende, Sicht kritisch zu hinterfragen. Der Protest und die Entfernung des Textes von der Hauswand können zum Anstoss der Debatte beitragen. Gedicht von einem Mann Schade, dass Gedicht aus der Feder eines Mannes stammt. Wäre es von einer Frau geschrieben, würden die Studenten trotzdem protestieren? Wer argumentiert, dass die Betonung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen eigentlich immer mehr verschwinden sollten, ja, sogar noch mehr Geschlechter als nur Mann und Frau anerkannt werden sollten, der hat Schwierigkeiten, hier zu argumentieren, dass ein Gedicht über "schöne" Frauen nur von Frauen geschrieben werden sollte. Auch eine Frau kann Alleen, Blumen und Frauen schön finden. Tatsache ist jedoch, dass die Entscheidung, das Gedicht von der Hauswand zu entfernen, mehrheitlich beschlossen wurde. Und demokratische Prinzipien spiegeln die Wünsche und Meinungen der Mehrheit wider. Das Gedicht sei in keinem Fall frauenfeindlich, kommentiert die Zeitung Die Zeit, sondern "hochgradig interpretationsoffen". Das Gedicht ist aber, gemessen daran, dass es auf die Fassade einer Hochschule gemalt wurde, überraschend schlicht. Alleen, Blumen und Frauen einerseits, und ein Bewunderer, der sie betrachtet - vielleicht wollte der Autor ja gerade dadurch signalisieren, wie schlicht es eigentlich ist, Frauen wie Bäume zu verdinglichen. Das Gedicht soll übrigens auch nach der Übermalung neben der Fassade auf einer Tafel in Spanisch, Deutsch und Englisch erhalten bleiben. Dadurch erfüllt es vielleicht erst recht seinen ursprünglich angedachten Zweck: den Austausch unterschiedlicher Interpretationen.
Auch der heute 93 jährige Dichter hatte sich gegen Sexismus Vorwürfe gewehrt.

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