Die langen Gesichter sprechen Bände.
Die Jamaika Verhandlungen sind gescheitert.
Der Spiegel
kommentiert:
Wer den Lobbyverbänden der deutschen Wirtschaft glaubt,
muss das Schlimmste befürchten. "Fatal" sei das Scheitern
der Jamaika-Verhandlungen, orakelt der Handwerksverband - und
"Gift" für die Wirtschaft. Jetzt gehe wertvolle Zeit verloren,
argwöhnen einmütig die Bankenvertreter und der Industrieverband
DIHK. Schlittert Deutschland durch das politische Chaos in Berlin nun
also auch in eine wirtschaftliche Krise?
Die Gefahr dafür ist sehr gering. Im Gegenteil: Vieles spricht
dafür, dass ein paar weitere Monate politischer Stillstand der
Wirtschaft zumindest kurzfristig sogar ganz gut tun. Die grossen
ökonomischen Impulse setzten ohnehin andere: allen voran die
Europäische Zentralbank mit ihrem Kurs der ultraniedrigen Zinsen.
Natürlich ist politische Unsicherheit nie schön für die
Wirtschaft. Doch anders als sonstwo in der Welt, besteht aktuell in
Deutschland kein wirkliches Risiko. Das Land hat eine funktionierende
geschäftsführende Regierung. Und egal ob es nun auf eine Grosse
Koalition, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen hinausläuft -
keines der möglichen Szenarien würde die grundsätzliche
Stabilität Deutschlands infrage stellen.
Hinzu kommt, dass es der deutschen Wirtschaft derzeit so gut geht, dass
sie akut keine grundlegenden Reformen nötig hat - erst Recht nicht
jene, die eine Jamaika-Koalition wohl gebracht hätte.
( ... )
Der einzig wichtige Punkt, bei dem wirklich Zeitdruck herrscht, ist
die Reform der EU und der Eurozone. Hier wartet der französische
Präsident Emmanuel Macron schon seit der Bundestagswahl auf
die deutsche Antwort auf seine Vorschläge, die Europa wirklich
voranbringen könnten. Die grosse Frage ist nur, wie europafreundlich
diese Antwort mit einem FDP-Finanzminister ausgefallen wäre.
Vielleicht gilt hier in Anlehnung an das neue FDP-Credo: Besser gar
keine Regierung als eine schlechte.