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www.rhetorik.ch aktuell: (30. Sep, 2017)

Fricker's fragwuerdige Aussage

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Fricker Nationalrat Jonas Fricker ist mit einer Aussage gestolpert. Ein dummer Vergleich. Fricker entschuldigte sich umgehend. Das ist richtig. Doch die Begündung ist fragwürdig. Er habe aus Naivität diese Aussage gemacht und er sei ein emotionaler Mensch, der manchmal spreche ohne genügend darüber nachzudenken! Niemand will naive Politiker, die unbedacht reden. Parlamentarier sollten ihre geplanten Voten oder Präsentationen nicht einem Hofnarren oder einer Hofnärrin vorlegen. Ich weiss, dass Jonas Fricker im Grunde genommen ganz genau weiss, was das Wort "Aussagen spiegeln lassen" bedeutet. Er hat dies in seiner Ausbildung selbst erkannt, wie wichtig es ist, die Bedeutung von Worten zu bedenken. Für mich ist erstaunlich, dass er sagt: Ich spreche manchmal ohne genügend darüber nachzudenken. Der Patzer ist für ein Parlamentarier gravierend.

SRG: Jonas Fricker ist zurückgetreten. Die Klarheit und Schnelligkeit der Entscheidung wurde allgemein begrüsst.

Blick::
Ist Jonas Fricker noch tragbar für die Grünen? Sicher ist: Es ist Feuer im Dach bei der Partei des Aargauer Nationalrats, der am Donnerstag im Parlament für einen Skandal gesorgt hat. Fricker (40/AG) spricht im Nationalrat zur Fair-Food-Initiative seiner Partei. Er will auf die Zustände in der Massentierhaltung aufmerksam machen, liest aus seinem vorbereiteten Votum vor: Er behauptet, den Juden sei es unter Hitler besser gegangen als Schweinen bei uns. "Die Menschen, die dort deportiert wurden, die hatten eine kleine Chance zu überleben. Die Schweine, die fahren in den sicheren Tod." Fricker bedauert Kleinlaut entschuldigt sich Fricker später im Saal, nachdem Parteimitglieder wie Fraktionschef Balthasar Glättli (45) seine Äusserungen "inakzeptabel" finden. Er bedaure den Vergleich zutiefst. Er sei "zuweilen naiv", sagte er gestern in der "Aargauer Zeitung". "Ich bin ein emotionaler Mensch, der manchmal spricht, ohne genügend darüber nachzudenken #" Diese halbbatzige Erklärung habe den Eklat noch schlimmer gemacht, sagen Parteimitglieder jetzt. BLICK weiss: Bei den Aargauer Grünen kam es deswegen gestern zu einem Parteiaustritt. Am Montagabend findet eine ausserordentliche Vorstandssitzung in der Causa Fricker statt. Es wird eng für den dreifachen Familienvater! Frickers Vergleich wird auch an der Mitgliederversammlung Ende Oktober "ein Thema sein", bestätigt Daniel Hölzle, Präsident der Kantonalpartei. "Reicht nicht als Entschuldigung" Doch ob er dann überhaupt noch Parteimitglied sein wird, ist fraglich: "Ich akzeptiere die Ausflüchte von Jonas Fricker nicht. Sich naiv und dumm zu nennen, reicht nicht als Entschuldigung", sagt Parteikollege und Historiker Jo Lang (63). Frickers Aussagen "sind viel zu schwerwiegend, als dass man sich dafür einfach so lapidar entschuldigen kann". Er fordert von Fricker "eine substanzielle Entschuldigung". Fricker müsse erläutern, "welche Bedeutung die Schoa in der abendländischen Geschichte hat. Anerkennt er die systematisch geplante, industriell durchgeführte Vernichtung von einer menschlichen Gruppe, mit dem Ziel ALLE zu töten, als das grösste Verbrechen in der uns bekannten Menschheitsgeschichte?", fragt Lang. Zudem verlange er von Fricker "Einsicht, dass es unzulässig ist, Tierquälerei und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichzustellen". Parteiausschluss "als letzte Konsequenz" Falls Fricker nicht bereit sei, diese Klärung zu machen, "stellt sich die Frage nach der Parteizugehörigkeit". Solche Aussagen "widersprechen den humanistischen Grundsätzen" der Partei. "Die Grünen wollen kein Mitglied, das solche schlimmsten Vergleiche macht und sie dann nicht einmal richtig klarstellt. Darum ist die letzte Konsequenz ein Ausschluss aus unserer Partei", sagt Lang. Und Fricker selbst? BLICK hat gestern erfolglos versucht, den Nationalrat zu erreichen. Auch der Schlussabstimmung der Herbstsession im Nationalrat blieb er fern. Pikant: Fricker ist im Patronatskomitee des Projekts "Doppeltür", das an die 250 Jahre dauernde christlich-jüdische Symbiose in den aargauischen Dörfern Endingen und Lengnau erinnern möchte. "Wir werden besprechen, ob Jonas Fricker noch tragbar ist für uns", sagt Präsident Lukas Keller. "Seine Aussagen sind ein absolutes No-Go.
Nachtrag vom 5. Oktober, 2017: Jonas Fricker wurde von der Partei wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen. Wenn jemand etwas falsch gemacht hat, reicht es normalerweise, wenn sich die Person entschuldigt - sofern die Entschuldigung ehrlich gemeint ist. Mein Eindruck ist, dass das bei Fricker der Fall war. Warum hat das trotzdem nicht gereicht? "Die Parteileitung der Grünen Druck auf Fricker aufgebaut, bis er nicht mehr anders konnte, als zurückzutreten. Sie hatten wohl Angst davor, dass sich die Affäre in die Länge zieht und man dann von den Grünen redet, die braun sind. Doch ist es sehr unschön, wie die Parteileitung reagiert hat. Sie haben Fricker fallen gelassen wie eine heisse Kartoffel. Das ist eine Überreaktion, ein Einknicken aus lauter Angst vor einem weitergehenden Medien-Skandal. Das Paradoxe daran: Dieser vorauseilende Gehorsam wirft nicht gerade ein gutes Licht auf die Grünen. Ich kann mir vorstellen, dass das auch intern für Kritik sorgt, wenn man die eigenen Parteimitglieder so schnell absägt. Es passt auch nicht ganz zu den Werten der Grünen, die sich ja gerade als menschenfreundlich geben." Aber musste Fricker nicht gerade deswegen zurücktreten, weil sonst die Grünen als Partei der humanitären Werte an Glaubwürdigkeit verloren hätte? "Dieses Argument hat ja niemand gebracht." Warum überleben gewisse Politiker Fehltritte oder problematische Aussagen, während Fricker über einen einzigen Satz so gestolpert ist, dass er seine Karriere als Politiker beenden musste? "Das lässt sich schwer verallgemeinern. Frickers Nachteil war wohl, dass er ein ehrlicher, emotionaler Typ ist. Andere, die sich in Krisensituationen besser verkaufen und ein Pokerface aufsetzen, haben es da einfacher. Dann ist es auch eine Frage der Machtposition: Jemand wie Christoph Blocher kann auch mal lügen, ohne dass das Konsequenzen hat. Ein Nationalrats-Neuling wie Fricker steht dagegen schneller auf der Abschussliste."

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