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www.rhetorik.ch aktuell: (27. Jun, 2017)

NZZ ueber Bildmanipulation

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Bildmanipulationen sind Teil von Propaganda. Ein NZZ Artikel vom 3. Juni illustriert das neu. Ein eindrückliches Beispiel ist die Wegretouchierung von Goebbels. Fahren sie ueber das Bild, um das manipulierte Bild zu sehen.


NZZ:
Trauen Sie Ihren Augen noch, wenn es um Pressefotografie geht? Zu oft war in jüngster Zeit von Irreführung des Publikums die Rede, wenn statt schlichter Berichterstattung die Verwendung manipulierter Bilder oder die Inszenierung einer Situation in den Medien aufflog. Ein harmloses Beispiel lieferte kürzlich eine Fotoserie des 1990 in Lausanne geborenen Fotografen Roshan Adhihetty. Von 2014 bis 2016 hatte er die zu einiger Berühmtheit gelangten Nacktwanderer aufgenommen, diese Arbeit im Zürcher Verlag Sturm & Drang als Buch herausgebracht und sie beim Wettbewerb "Swiss Photo Award" in der Kategorie "Reportage" eingereicht. Am Tag vor der Verleihung des ihm zugedachten ersten Preises stellte sich heraus, dass Adhihetty unter anderem eine Person aus einem Bild retuschiert und die bis auf Schuhe und Rucksack vollkommen Ent-blätterten in Feld und Wald inszeniert hatte. Ein Stürmchen im Blätterwald war die Folge, denn diese Manipulation ist im Journalismus natürlich nicht statthaft; Adhihetty wurde der Preis aberkannt. Der Fall mag wegen des Themas amüsant sein. In Zeiten wachsenden Misstrauens gegenüber dem Journalismus wirft er aber ein Schlaglicht auf einen Grundkonflikt in der Pressefotografie. Wo hört Dokumen-tation auf, wo beginnt die Lüge - oder die Kunst? Wäre die Serie nämlich als künstlerische Arbeit deklariert gewesen, hätte kein Hahn nach dem sogenannt redlichen Abbild der Wirklichkeit gekräht. Inszenierung und Bildbearbeitung würden im Gegenteil als Mittel gesehen, um die Wahrheit auf den Punkt bringen zu können. Fotografien zeigen Wirklichkeiten, die vergangen sind. Was vor der Linse für einen Augenblick sichtbar war, verwandelt sich in ein Bildzeichen, das ein "Es ist so gewesen" vermittelt. So umschreibt es der französische Philosoph Roland Barthes in "Die helle Kammer" (1980): "Das, was ich sehe, befand sich dort, an dem Ort, der zwischen der Unendlichkeit und dem wahrnehmenden Subjekt liegt." Wir schliessen aus der "Wahrheit des Bilds" blitzschnell "auf die Realität seines Ursprungs", ein Bild sagt schliesslich mehr als tausend Worte. Geschönte Gesichter Doch beginnt die Bildmanipulation nicht bereits mit der Wahl des Standorts und des Ausschnitts? Müsste Blitzlicht nicht verboten werden, da es die naturgegebene Lichtstimmung verändert? Und ab wann sind kleine Retuschen wie das Ausflecken der Bilder nicht mehr zulässig, weil die Flecken im Gesicht eines bestimmten Politikers eigentlich zur Wahrheit gehören? Mit der Digitalisierung der Fotografie wurden Retu-sche-tech-ni-ken - das Löschen einer Person etwa - lediglich perfekter. Die Presse und Wettbewerbe wie der "World Press Photo Award" verlangen zwar, dass Bilder nicht grundsätzlich verändert, aber in Kontrast oder Helligkeit moderat bearbeitet sein dürfen. Das Pressebild des Jahres 2012, das der schwedische Fotograf Paul Hansen von einem Trauerzug in Gaza aufgenommen hatte, löste dennoch grosse Diskussionen aus: Wie war es möglich, dass sowohl von vorne wie von der Seite her Licht auf die Gesichter fiel? Waren die Farben nicht dramatisiert? Hatte der Fotograf gar mehrere Bilder zu einem einzigen verschmolzen? Digitale Forensiker untersuchten die Authentizität des Bilds, man begutachtete die Rohdaten des Fotografen, der einräumte, die Gesichter aufgehellt zu haben. Das war zwar legal, doch war es nicht bereits eine irreführende, die Dramatik der Szene unzulässig steigernde Manipulation? Die Grenze zwischen Legalität und Betrug ist fliessend, aber die menschlich fürchterliche Situation der Weltöffentlichkeit in einem Bild mit geradezu rembrandtscher Schatten-Licht-Dramaturgie vor Augen zu führen, noch nicht verwerflich. Der blinde Glaube ans Bild wird schamlos ausgenutzt, das Publikum in die Irre geführt. Es geht immer um Macht. Bildmanipulation gehört zur Fotografie seit den Anfängen, ja sie macht einen grossen Teil ihres Reizes aus. Kurz nach ihrer Lancierung ging der französische Finanz- und Rechtsberater Hippolyte Bayard (1801-1887) als erster "Fälscher" in die Foto-geschichte ein. Leidenschaftlich hatte er sich in den 1830er Jahren mit Licht und lichtempfindlichen Salzen beschäftigt und unabhängig von den berühmten Urvätern der Fotografie Joseph Nicéphore Niépce und Louis Daguerre ein Verfahren erfunden, mit dem Foto-Unikate hergestellt werden konnten. Im Wettlauf um die Patentierung seines Direktpositiv-Bilds verlor er jedoch gegen Louis Daguerre - eine für ihn schmerzliche Erfahrung, auf die er mit dem "Autoportrait en noyé" (1840) antwortete. Auf der Rückseite ist zu lesen: "Die Leiche des Mannes, die Sie umseitig sehen, ist diejenige des Herrn Bayard. Die Akademie, der König und alle diejenigen, die diese Bilder gesehen haben, waren von Bewunderung erfüllt (.#.#.). Das hat ihm viel Ehre, aber keinen Pfennig eingebracht. (.#.#.) Da hat der Unglückliche sich ertränkt. H.#B., 18.#Oktober 1840." Das Selbstporträt, eines der ersten überhaupt, ist aus heutiger Sicht natürlich kein Betrug, sondern die satirische Verarbeitung eines Scheiterns, also Kunst. Inszenierung, gutes Licht und Schön-heits-re-tu-schen waren in Porträts (vor allem von Politikern) immer üblich: Angela Merkels Haut wird trotz Puder bearbeitet, Silvio Berlusconi und Donald Trump sind ohnehin wandelnde Retuschen. Wie jedoch Diktatoren durch manipulierte Bilder dreist ihre Individualinteressen gegen den Widerstand einer Gemeinschaft durchsetzen, wie sie Geschichtsklitterung und die Kontrolle über die kollektive Erinnerung betreiben, ist in zahllosen Beispielen belegt.

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